Letztes Wochenende auf der Schwägalp am Säntis: Das sonnige Herbstwetter lockt Hunderte Ausflügler an, der Parkplatz platzt fast aus allen Nähten. Die Ladesäulen für Elektroautos sind ebenfalls belegt – und ein Tesla Model 3 steht vorsichtshalber bereits in Warteposition an, um die Akkus für die Rückfahrt ins Flachland wieder zu laden. Eine Situation, die bald zum Alltag gehören könnte.
Der Grund: Die Ladeinfrastruktur hält dem E-Auto-Boom nicht mehr stand. Vor Engpässen warnt jetzt auch Volkswagen. Der Autoriese treibt mit Milliardeninvestitionen und einer Modelloffensive die Verbreitung strombetriebener Fahrzeuge voran. Das zum neuen Bestseller ausgerufene Modell ID.3, das seit Sommer bei den Händlern steht, nimmt bei den Verkäufen Fahrt auf. Bis heute hat VW in Europa bereits 40'000 ID.3 verkauft – Tendenz wie bei allen E-Autos stark steigend.
Problem verschärft sich
Bisher habe der zügige Ausbau des Ladenetzes den Weg für den Einstieg in die Elektroauto-Welt geebnet, sagt VW-Elektro-Vorstand Thomas Ulbrich gegenüber dem Branchenmagazin «Auto-Medienportal». Doch während viele Kunden die in Deutschland bereitgestellten Fördermittel zum Installieren heimischer Wallboxen nutzten, komme die öffentliche Infrastruktur dem Boom kaum nach. Auf die bis heute 27'730 öffentlichen deutschen Ladestationen kommen im Schnitt je 14 Elektro- und Plug-in-Hybrid-Autos. Laut Prognose des Autoindustrie-Verbandes VDA werde sich das Verhältnis schon bis Ostern 2021 auf 20:1 verschlechtern.
Schweiz hat ein Platzproblem
Und wie steht es in der Schweiz? Grossen Handlungsbedarf sieht auch Krispin Romang, Geschäftsführer des Branchenverbands Swiss eMobility: «Mit dem exponentiellen Anstieg der Steckerfahrzeuge, wie er momentan stattfindet, wird auch bei uns das Problem dringlicher. Wir fordern deshalb schon länger eine Ladeinfrastruktur-Offensive!» Allein seit Anfang Jahr sind hierzulande rund 22'000 Autos mit Elektro- oder Plug-in-Hybridantrieb verkauft worden. Dem stehen aktuell rund 7300 öffentliche Ladepunkte gegenüber. Zwar könnten E-Mobilisten heute auf ein mehr oder weniger dichtes Ladenetz zurückgreifen, sagt Romang. Doch ob das in Zukunft so bleibe, sei ungewiss: «Im Vergleich zu Ländern wie Norwegen oder Deutschland können wir in der Schweiz die Ladepunkte nicht beliebig skalieren – wir haben schlicht zu wenig Platz.»
Erschwerend komme hinzu, dass die Schweiz ein Land der Mieter sei: Nirgends sonst in Europa lebt ein höherer Anteil der Bewohner zur Miete. Romang nimmt deshalb auch Hausverwaltungen in die Pflicht: «Wenn jetzt nicht reagiert wird und E-Auto-Fahrern zu Hause oder im Büro genügend Ladepunkte zur Verfügung gestellt werden, kommen wir früher oder später ins Hintertreffen.» Und dann könnte der Streit um eine Ladesäule zum Alltag der Elektroauto-Fahrer gehören.