Kommentar zum E-Auto-Verkaufsboom
Corona treibt die Elektro-Wende an

Selbst die mutigsten Prognosen zum Verkaufsanteil von Elektro-Autos werden seit der Corona-Krise von der Realität überholt. Zufall? Nein, Boom und Krise hängen miteinander zusammen – meint BLICK-Autoredaktor Timothy Pfannkuchen.
Publiziert: 23.12.2020 um 03:55 Uhr
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Aktualisiert: 05.01.2021 um 07:51 Uhr
Elektroautos boomen nicht trotz, sondern auch wegen der Corona-Krise – meint BLICK-Autoredaktor Timothy Pfannkuchen (51).
Foto: Paul Seewer
Timothy Pfannkuchen

Wie schnell es auf einmal geht, wenn die Schwelle überwunden ist. Noch vor drei Jahren waren Elektroauto-Käufer Freaks oder Tesla-Fahrer – oder beides. Jetzt sind es Menschen von nebenan. Bis Ende November dieses Jahres ist der Anteil an «Steckerautos» unter allen Schweizer Neuwagen auf fast 13 Prozent gestiegen. Zum Vergleich: Letztes Jahr warens gut fünf Prozent. Tendenz? Stark steigend!

Aber warum? Sicher, immer mehr Ladesäulen werden aufgestellt. Natürlich, man kann die neuen Elektro- und Plug-in-Hybrid-Modelle kaum mehr zählen, aber dafür endlich zahlen dank volkstümlicherer Preise. Selbstredend steigen die Reichweiten. Aber wieso kippt der Trend ausgerechnet in einer Krise, in der wir uns Sorgen um Gesundheit und Job machen, zum Stromer? Kann Zufall sein. Muss es aber nicht.

Freizeit-Radius wird kleiner

Die Corona-Krise ist der Schlüssel. Sie bringt uns mangels Pendeln mehr Zeit, aber weniger Bewegungsspielraum. Weekend in Venedig? Wir haben gelernt, dass es auf dem Hausberg oder im Nachbarkanton ebenfalls schön ist. Sogar wunderschön. Und da kommen wir auch elektrisch ohne Reichweiten-Angst hin. Genauso ins Büro, das wir wegen Homeoffice eh seltener sehen. Parallel fiel uns auf, wie schön still es im Lockdown ohne Flugverkehr und ohne Rushhour ist. Plötzlich nervte, was wir gerade noch selbst liebten: Autos, die nebenan über die Landstrasse röhren.

Jede Krise ist ein Aufbruch

Der Sinneswandel hat uns voll erwischt. Freunde sind wichtiger als Ausgang, und die Natur zählt wieder was. Wollen wir sie mit Abgasen und Lärm eindecken, wenn es auch anders geht? Vielleicht ist Tiefenpsychologie am Werk. In Zeiten der Krise zählen zwar sichere Werte, aber Krisen sind auch Aufbruchssignale: «Jetzt traue ich mich mal etwas Neues.» Und wenn es nur ist, weil man halt mehr Zeit zum Wälzen von Autoprospekten hat und sowieso keine Erlebnisferien buchen kann.

Mein Nachbar hat sich ein E-Auto bestellt. Das wird neben meinem Oldtimer wirken wie ein iPhone neben dem Tasten-Nokia: Auch da ging plötzlich alles ganz schnell.

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