Ein Ende des verheerenden Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine bahnt sich an: Sowohl der ukrainische Präsident Selenski als auch sein französisches Gegenstück Macron und der deutsche Bundeskanzler Scholz haben mit der chinesischen Führung gesprochen und dabei das Angebot unterstützt, zwischen der Ukraine und Russland zu vermitteln.
China ist wider Willen in diese Rolle geraten: Noch Anfang Februar hatten die beiden Machthaber Xi und Putin gemeinsam aus Anlass der Olympischen Winterspiele in Beijing zu Protokoll gegeben, starke Partner zu sein, zwischen die kein Blatt Papier passe. Wenig später wurde Peking dann vom Überfall Russlands auf die Ukraine überrascht.
Wie sich Russlands Angriffskrieg auf China auswirkt
Wie an vielen anderen Orten auf der Welt auch ging man in der Volksrepublik davon aus, dass es Putin bei seinen militärischen Drohgebärden belassen würde. Nach dem Angriff distanzierte sich Peking vorsichtig von seinem neuen besten Freund: Im Weltsicherheitsrat stimmte China nicht wie im Kreml erwartet mit Russland.
Die Sanktionen des Westens trägt China zwar nicht mit, aber es hilft Russland in seiner ökonomisch misslichen Lage auch nicht aus der Klemme. Peking mahnt vielmehr, Russland und die Ukraine sollten an den Verhandlungstisch zurückkehren. Denn die Erschütterungen der Weltwirtschaft durch den Angriffskrieg Russlands trifft auch die chinesische Wirtschaft. Und das kann Machthaber Xi nicht gebrauchen. Wenn seine Wirtschaft stottert – damit steht seine Krönung zum Herrscher auf Lebenszeit, die für diesen Oktober angesetzt ist, womöglich auf der Kippe.
Mögliche Lösung zwischen Russland und der Ukraine
So könnte die Lösung aussehen: Russland hat am Mittwoch überraschend mitgeteilt, keinen Systemwechsel in der Ukraine anzustreben und auch die aktuelle Regierung nicht absetzen zu wollen. Auch eine dauerhafte Besatzung des unabhängigen Nachbarlands sei demzufolge niemals geplant gewesen. Die Wahrheit hinter dieser Ankündigung dürfte die Einsicht sein, dass Putin den angezettelten Krieg nicht gewinnen kann. Die ukrainische Armee, die Bevölkerung in der Ukraine, die internationale Gemeinschaft: Alle stehen gemeinsam gegen den Aggressor im Kreml. Ein Sieg, so wie ihn sich Putin vorgestellt hat, wird es nicht geben. Dieser fordert nun «nur noch» Zugeständnisse in Sachen Krim und der beiden Gebiete im Osten der Ukraine, Luhansk und Donezk, die Moskau vor Kriegsausbruch einseitig als selbständig anerkannt hatte. Die von Separatisten besetzten Gebiete gehören zum Territorium der Ukraine.
Gesichtsverlust Putins hätte fatale Folgen
Präsident Selenski hat seinerseits angekündigt, direkt mit Diktator Putin verhandeln zu wollen. Auf der Tagesordnung könnte dann auch eine mögliche Neutralität der Ukraine stehen. China vertritt hier dieselbe Ansicht wie Russland, nämlich, dass die Ukraine nicht Teil der Nato sein sollte. Wolodimir Selenski sagte auch, dass es Gespräche über den Status der Krim geben könnte. All das bringt Bewegung in die aussichtslose Situation der Millionen Ukrainer, die von Putin aus ihren Häusern gebombt wurden.
Sollten die Gespräche in diesem Sinne verlaufen, böte sich ein Ausweg aus der verfahrenen Lage Putins. Denn sollte ihm keine Möglichkeit gegeben werden, halbwegs ohne totalen Gesichtsverlust aus seiner kriegerischen Unternehmung zu kommen, könnte dieser durch Verzweiflungstaten, Flächenbombardements, auch auf die Nuklearanlagen der Ukraine beispielsweise, viel schlimmeres Chaos und Leid auslösen. Zu Hause könnte er die Neutralität der Ukraine und/oder die Anerkennung der Krim als Erfolg verkaufen und behaupten, dass dies sein eigentliches Ziel die ganze Zeit über gewesen sei.
Warum China vermitteln will
Die Volksrepublik wird sich ihre Vermittlungsdienste sowohl von Russland als auch der freien Welt irgendwie vergüten lassen. Selbstlos ist China nicht. In jedem Fall wird sich Peking im Falle eines Vermittlungserfolgs als verantwortungsbewusster Akteur auf dem internationalen Parkett positionieren können, was angesichts der eklatanten Menschenrechtsverletzungen, die in China an der Tagesordnung sind, ohnehin schon eine Farce wäre. Ein Erfolg Pekings kann auch nicht verschleiern, dass Xi selbst einen unerhörten Angriffskrieg auf das benachbarte Taiwan plant. Peking behauptet, dass das unabhängige, demokratische Inselland Teil Chinas sei. In Wahrheit hatte die Volksrepublik niemals Kontrolle über das Eiland. Am Ende strebt Peking die Herrschaft über den gesamten Westpazifik an. Taiwan zu erobern, ist auf dem Weg dahin das zentrale Element.
Xi sollte seine Taiwan-Strategie überdenken
Der beste Rat an sich selbst wäre in diesem Falle derselbe, den Peking Russland gegeben hat: Nämlich sich an den Verhandlungstisch zu setzen und anzusprechen, was man möchte und gemeinsam, partnerschaftlich Lösungen zu suchen. Partnerschaftlich ist so gar nicht die Stärke von Diktatoren wie Xi Jinping. Klar ist aber schon heute: Die Taiwanesen werden sich mit derselben internationalen Unterstützung gegen den chinesischen Aggressor wehren, wie es die Ukrainer getan haben. Genauso wie die Menschen der Ukraine möchten sie nicht mit einem vermeintlichen Mutterland «wiedervereinigt» werden. Xi sollte im Zuge seiner Verhandlungshilfe seine eigene Strategie überdenken, wenn er nicht vor demselben Gesichtsverlust stehen will, wie nun sein Diktatorenfreund in Moskau.
* Alexander Görlach ist Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs in New York (USA).