Dieser Tage jährt sich der Ausbruch der Covid-19-Pandemie zum zweiten Mal. Anfangs als lokales Phänomen in einer Stadt im fernen China betrachtet, von der die meisten Leute auf der Welt zuvor noch nie gehört hatten, gibt es heute keinen Ort, der von den Auswirkungen des Coronavirus verschont geblieben wäre. Die ersten Opfer der Erkrankung waren die Menschen in Wuhan, die reihenweise zu Boden gingen. Die Stadt wurde daraufhin abgeriegelt und die Bevölkerung in ihre Häuser gezwungen. Nicht wenige in der freien Welt sagten damals, dass solche Lockdowns in Demokratien nicht möglich wären ...
Die chinesische Regierung hat sich im Zuge des Pandemieausbruchs schuldig gemacht, zuallererst an der eigenen Bevölkerung, indem sie es Wissenschaftlern und Ärzten verbot, sich auszutauschen. Von der lokalen Ebene bis hinauf in die höchsten Etagen der Kommunistischen Partei Chinas galt die Massgabe, den Vorfall in Wuhan kleinzuhalten. Als Dr. Li Wenliang dies missachtete und sich mit anderen über die ausbrechende Pandemie austauschte, verpassten ihm die Behörden einen Maulkorb. Der Arzt starb wenig später im Kampf gegen das Virus, das er sich bei der Behandlung von Patienten zugezogen hatte. Er wurde im chinesischen Internet als Held gefeiert, was die Behörden rasch beendeten.
Anzeichen für Entweichen des Virus' aus Labor
Durch das Verhalten der Kommunistischen Partei konnte sich das Virus erst in China und dann auf der ganzen Welt verbreiten. Bis heute verweigert die Diktatur in Peking, die Ursprünge des Virus mit der Weltgemeinschaft aufzuarbeiten, um so künftige Pandemien frühzeitig zu erkennen und zu bekämpfen.
Mittlerweile mehren sich die Anzeichen, dass das Virus in der Tat einem Labor in Wuhan entwichen sein könnte – wobei man von menschlichem Fehler und keiner absichtlichen Tat ausgeht. Weil dies aber letztlich nicht erwiesen ist, gilt die ursprüngliche Version, wonach das Virus auf einem Markt in Wuhan von Tier auf Menschen übergesprungen sein könnte, nach wie vor als wahrscheinlichste Theorie.
China wird so, wie Xi Jinping es sich vorstellt
Peking hat die Pandemie genutzt, um überall in seinem Einflussbereich die Zügel enger anzuziehen, die Freiheiten der Menschen zu beschneiden und die Gleichschaltung der Gesellschaft zu vollenden: Im Windschatten der Pandemie wurde das höchst umstrittene, sogenannte «Sicherheitsgesetz» für Hongkong durchgeboxt, gegen das zuvor bis zu zwei Millionen Hongkonger demonstriert hatten. Das «Gesetz» schafft im Effekt jede Form von Demokratie und freier Meinungsäusserung in der Finanzmetropole ab.
Innerhalb der Volksrepublik selber sind in den letzten beiden Jahren alle Bereiche des öffentlichen Lebens den Weisungen von Machthaber Xi Jinping untergeordnet worden: Wer zu lange Computerspiele zockt, kann bestraft werden. Wenn ein Mann in Xis Augen zu «verweichlicht» und «zu feminin» aussieht, darf er nicht mehr im Kino, Fernsehen oder Theater zu sehen sein. Frauen, die sich, wie die berühmte Tennisspielerin Peng Shuai, gegen Missbrauch in der Volksrepublik wehren, verschwinden wochenlang von der Bildfläche. Mit anderen Worten: Er hat die Volksrepublik vollends in eine Diktatur verwandelt.
Peking bedroht seine Nachbarn massiv
Nicht unerwähnt bleiben darf der Genozid, den Peking an der Minderheit der Uiguren verübt. Mittlerweile sollen in der nordwestlichen Provinz Xinjiang über eine Million Männer in Konzentrationslager gesperrt worden sein. Gleichzeitig wird die gesamte Region massiv überwacht, chinesische Soldaten werden in Privathäuser einquartiert, allen Einwohnern genetische Proben entnommen. Zudem soll die Kommunistische Partei Frauen zu Schwangerschaftsabbrüchen zwingen, um die Geburtenrate der Uiguren zu kontrollieren. Geflüchtete berichten von Vergewaltigungen, die an der Tagesordnung seien.
Während die Welt mit dem Kampf gegen die Pandemie, die in China ihren Ausgang nahm, beschäftigt war, bedrohte Peking auch seine Nachbarn massiv. Im Mai 2020 kam es zu einem Gefecht an der Grenze zu Indien, bei dem Soldaten auf beiden Seiten starben. In dieser Region macht Peking Gebietsansprüche geltend. Das Himalaya-Gebirge, an das auch das von China besetzte Tibet angrenzt, ist strategisch wichtig, weil Peking sich dort angesichts des Klimawandels Trinkwasserreserven sichern will. Daneben wurden die Konflikte mit Japan, Südkorea, den Philippinen und Taiwan in den vergangenen beiden Jahren härter. China möchte sich den gesamten Westpazifik einverleiben, um den Welthandel, der dort hindurchläuft, zu bestimmen und dadurch den Rest der Welt erpressen zu können.
Moskau–Peking – die Achse des Bösen
Xi Jinping hat in den Jahren der Pandemie die Allianz mit Russland gefestigt. Wladimir Putin schützt seinen Freund und bestätigt dessen Machtanspruch über Taiwan. Die russische Armee trainiert die chinesische, um ihr beizubringen, wie man fremde Länder erobert. Es ist zu befürchten, dass beide Diktatoren gleichzeitig zuschlagen: Putin marschiert in der Ukraine ein, Xi auf Taiwan. Beide Machthaber setzen dabei darauf, dass es die freie Welt nicht auf einen Krieg ankommen lassen wird.
Unter diesen Vorzeichen droht 2022 zu einem Annus horribilis, einem Schreckensjahr, zu werden. Die neue Achse des Bösen verläuft zwischen Peking und Moskau. Im Windschatten Xis, der über die zweitgrösste Armee und Volkswirtschaft der Welt verfügt, gelangt auch Putin zu neuer Stärke, dessen Land nichts weiter als Gas und ein Atomwaffenarsenal aus vergangenen Zeiten zu bieten hat. Für die freie Welt bewahrheitet sich derweil der alte Spruch, wonach der Frömmste nicht in Frieden leben kann, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.
Dabei darf man nicht vergessen, dass es überall auf der Welt «Menschen guten Willens» gibt, von denen viele beim Verlesen der Weihnachtserzählung des Evangelisten Lukas gehört haben werden – auch in China und Russland. Herr Xi ist bereit, dem ganzen Erdkreis den Krieg zu erklären. Ihm dürfen die Menschen in der freien Welt nicht in die Falle gehen, indem sie es ihm gleichtun und alle Chinesen zu Feinden erklären. Nur so lässt sich eine totale Eskalation des Konflikts abwenden, die ganz nach dem Geschmack von Xi wäre.
* Alexander Görlach ist Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs in New York.