«Eine Einmischung von aussen ist in der Taiwan-Angelegenheit nicht erlaubt»
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China-Präsident wird deutlich:«Eine Einmischung von aussen ist nicht erlaubt!»

Xi hat Angst vor dem kleinen Nachbarn
China greift nach Taiwan

China gebärdet sich gegenüber dem Nachbarland Taiwan zunehmend aggressiver. Das unverhohlene Ziel der kommunistischen Grossmacht ist die Annexion des Inselstaats, den sie als abtrünnige Provinz betrachtet. Doch damit nicht genug.
Publiziert: 24.10.2021 um 14:33 Uhr
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Aktualisiert: 24.10.2021 um 15:04 Uhr
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Die Insel Taiwan ist eine blühende Demokratie vor der chinesischen Küste.
Foto: NurPhoto via Getty Images
Alexander Görlach*

Im Westpazifik bahnt sich ein Krieg an: Chinas Machthaber Xi Jinping (68) möchte die benachbarte Insel Taiwan angreifen und annektieren. Taiwan ist ein demokratisches Land, das Peking als eine abtrünnige Provinz behandelt. Nach dem Bürgerkrieg, den die Maoisten 1949 gewonnen hatten, flohen die unterlegenen Chinesen auf diese Insel und führten dort die Republik China fort. Seit dreissig Jahren ist Taiwan nun eine blühende Demokratie, nach dem internationalen Demokratie-Index sogar die beste in ganz Asien.

Die Bürgerinnen und Bürger machen mit bei jährlichen Online-Hackathons, in denen sie ihrer Regierung Verbesserungen vorschlagen können: Zehn Millionen der 23 Millionen Einwohner sind dabei. Das Land ist tolerant und weltoffen, es hat als Erstes in Ostasien die Ehe für alle eingeführt. Die jungen Generationen fühlen sich heute nicht mehr chinesisch, auch wenn ihre Urgrosseltern einmal von China auf die Insel kamen. Die Unterschiede zu der Diktatur nebenan sind einfach zu gross.

Chinas Ärger über die Demokratie

Das ärgert Xi Jinping, denn er will der Welt verkaufen, dass die Chinesen nicht für die Demokratie, sondern für einen, wie er es nennt, «Sozialismus mit chinesischen Charakteristika» gemacht seien. Da passt es ihm gar nicht, dass nebenan 23 Millionen Han-Chinesen eine erfolgreiche Demokratie aufgebaut haben. Er sieht die Gefahr, dass das demokratische Feuer auch auf die Volksrepublik überschlagen und das Land verwandeln könnte.

Deshalb droht er Taiwan nun unverhohlen mit Krieg und Annexion. Täglich fliegen seine Kampfjets an die Luftsicherheitszone Taiwans, um die Regierung in Taipeh zu provozieren. Militärstrategen in den USA haben ausgerechnet, dass 2027 der Moment kommen könnte: Dann wäre ihrer Meinung nach die chinesische Armee so modernisiert, dass sie den Angriff wagen könnte. Schon heute ist das chinesische Militär insgesamt stärker als das taiwanesische, allerdings haben die chinesischen Soldaten keine Erfahrungen mit einem Krieg zu Lande. Dabei helfen ihnen zurzeit die Russen. Putins Armee schult die Volksbefreiungsarmee.

Die US-Amerikaner, die der engste Verbündete Taiwans sind, haben bereits angekündigt, felsenfest zu der Inseldemokratie zu stehen. Auch Japan, einst die Kolonialmacht in Taiwan, ist heute ein Freund des Landes und zur Unterstützung bereit. Beide Regierungen halten sich jedoch etwas zurück mit definitiven Verteidigungszusagen, um die Hardliner in Peking nicht zu einem überstürzten und blutigen Angriff zu verleiten.

China will ganzen Westpazifik kontrollieren

Peking will am Ende nicht nur Taiwan. Es hat Konflikte mit den Philippinen, Südkorea und Japan. Das Ziel Xi Jinpings ist es, all diesen Ländern Territorium abzunehmen, um dann den gesamten Westpazifik zu einem chinesischen Meer erklären zu können. Heute ist dieser Teil des Ozeans internationales Gewässer, auf dem ein grosser Teil der Welthandelsgüter transportiert wird. Auch wichtige Internetkabel verlaufen auf dem Grund dieses Ozeans. Wenn China sich das Territorium und das Gewässer einverleibt, muss die gesamte Handelswelt nach seiner Pfeife tanzen. Xi würde frohlocken.

Die Demokratien in der Region, Australien eingeschlossen, bereiten sich daher auf das Schlimmste vor. Gerade jüngst hat Canberra mit Washington und London einen grossen Deal abgeschlossen, der neue Atom-U-Boote für Australien, modernste Militärausrüstung und mehr stationierte US-Soldaten für Australien und die Region bedeuten wird. Indien, ein weiterer Nachbar der Volksrepublik, mit dem Xi Grenzkonflikte austrägt, hat ebenfalls vor, seine Flotte zu vergrössern.

Schützt wirtschaftlicher Druck vor Krieg?

Die Taiwaner zeigen sich derweil besorgt über Pekings zunehmende Aggression, sind aber nicht verzweifelt. Aus Anlass des Geburtstags der Republik China, der jedes Jahr am 10. Oktober gefeiert wird, hat Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen (65) noch einmal betont, eine friedliche Lösung mit dem Nachbarn suchen zu wollen. Xi Jinping hat das verworfen, für ihn ist Taiwan kein ebenbürtiger Partner. Frau Tsai hat aber auch gesagt, dass das taiwanesische Militär und die Bevölkerung die Demokratie und Freiheit der Insel gegen Chinas Aggression verteidigen werden. Sie hat in Umfragen weit mehr als achtzig Prozent der Bevölkerung hinter sich, denn die Menschen haben gesehen, was Xi und seine Nomenklatura mit den Menschen in Hongkong gemacht haben. In Taiwan ist man sich sicher, dass Peking, wenn es die Möglichkeit hätte, auch die Taiwaner knechten würde.

Taiwan ist ein wichtiger internationaler Handelspartner. Viele der Chips, die in westlichen Handys landen, werden dort produziert. Das Land ist zudem ein wichtiger Freund in der Allianz der Demokratien, den die freie Welt nicht fallen lassen darf. In den kommenden Jahren wird es deshalb darauf ankommen, Peking klarzumachen, dass ein Angriff auf den friedlichen Nachbarn für China drastische Konsequenzen haben würde, vor allem wirtschaftliche. Vielleicht kann durch entschlossenen wirtschaftlichen Druck der freien Welt eine militärische Konfrontation, die auf allen Seiten viele Menschenleben kosten würde, verhindert werden.

* Dr. Alexander Görlach ist Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs in New York. Zuletzt erschien von ihm «Brennpunkt Hongkong: Warum sich in China die Zukunft der freien Welt entscheidet» (Hoffmann & Campe, 2020).

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