China hat noch nie so viele Kampfflugzeuge in Richtung Taiwan entsandt wie am Wochenende. 38 militärische Flugzeuge am Freitag, 39 am Samstag und 16 am Sonntag flogen aus China in Taiwans Identifikationszone zur Luftverteidigung (ADIZ). Nicht nur die Zahl der Jets markiert eine neue Eskalationsstufe, auch die eingesetzten Flugzeugtypen. Zwei H-6-Bomber, die mit Atombomben bestückt werden können sowie Flugzeuge zur U-Boot-Bekämpfung stiegen in die Luft.
Die Volksrepublik sorgt mit den Flügen für erhebliche Unruhen. Und versetzt vor allem die USA in Aufruhr. Das US-Aussenministerium zeigte sich am Wochenende «sehr besorgt». Die provokanten militärischen Aktivitäten seien destabilisierend und würden Frieden und Stabilität in der Region untergraben, hiess es aus Washington. Man werde Taiwan weiter in seinen Fähigkeiten zur Verteidigung unterstützen.
Reine Drohkulisse?
Aus Peking selbst gab es keine offizielle Stellungnahme zu der Aktion. Taiwans Ministerpräsident Su Tseng-Chang hingegen erhob heftige Vorwürfe gegen China. «China betreibt mutwillig militärische Aggressionen und beschädigt den Frieden in der Region», sagte er am Wochenende vor den Medien.
Militärexperten gehen allerdings davon aus, dass es sich bei den jüngsten Muskelspielen Pekings um eine reine Drohkulisse handelt. Auch wenn China die Eingliederung Taiwans ins Mutterland anstrebe, deute vorerst wenig darauf hin, dass Peking den Inselstaat kurzfristig angreifen werde. Taiwan ist wegen seines Terrains nur sehr schwer einzunehmen und hat mit den USA einen starken Verbündeten im Rücken.
Flüge könnten Antwort auf Marinebewegungen sein
Die aktuellen Provokationen könnten als Reaktion auf Marinemanöver westlicher Verbündeter Taiwans verstanden werden, an denen vor allem Verbände der USA und Grossbritanniens beteiligt sind.
Zum ersten Mal seit mehr als zehn Jahren hat vergangene Woche ein britisches Kriegsschiff die von China beanspruchte Strasse von Taiwan durchfahren (180 Kilometer breite Meerenge zwischen der chinesischen Provinz Fjian im Westen und der Insel Taiwan im Osten). Die Fregatte HMS Richmond hat die Meerenge auf dem Weg nach Vietnam befahren. Auch die US-Marine macht in der Strasse von Taiwan regelmässig sogenannte Freedom-of-Navigation-Übungen.
Das provoziert wütende Reaktionen aus Peking. Die chinesische Regierung beansprucht Taiwan, die umliegenden Gewässer sowie fast das gesamte Südchinesische Meer für sich. Die USA und viele andere Länder betrachten diese Gebiete hingegen als internationale Gewässer, die für alle Schiffe offen sein sollten.