Geheime Marinemiliz, neue Kriegsschiffe vor Taiwan
Bidens Kampf ums Südchinesische Meer

Der US-Truppenabzug in Afghanistan war ein wichtiger strategischer Entscheid. Schon jetzt brauchen die USA ihre Kräfte an anderer Stelle.
Publiziert: 18.04.2021 um 10:39 Uhr
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Aktualisiert: 27.04.2021 um 19:12 Uhr
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US-Präsident Joe Biden: «Macht wenig Sinn, die Truppen in einem Land zu konzentrieren.»
Foto: keystone-sda.ch
Fabienne Kinzelmann

Am Mittwoch beendete Joe Biden (78) den längsten und teuersten Krieg der USA. Zum 20. Jahrestag von 9/11 soll der Afghanistan-Einsatz Geschichte sein. «Es macht wenig Sinn, Tausende von Truppen am Boden zu halten und jährlich für Milliarden in nur einem Land zu konzentrieren», sagte der US-Präsident.

Die militärischen Kräfte braucht er künftig verstärkt an anderer Stelle. Neben der Ukraine etwa im Südchinesischen Meer, wo die Spannungen mit China seit Wochen zunehmen.

Bislang war es unvorstellbar. Und auch jetzt möchte man es nur für ein böses Hirngespinst halten – doch mittlerweile sprechen Fachleute sogar von einem möglichen Krieg zwischen den USA und China. Entzünden könnte sich dieser schon in naher Zukunft an der Taiwan-Frage. Philip Davidson, kommandierender Admiral der US-Streitkräfte im Indopazifik, warnte vor kurzem: «Die Gefahr besteht in diesem Jahrzehnt – eigentlich in den nächsten sechs Jahren.» Peking beansprucht Taiwan im Rahmen der Ein-China-Politik für sich, die USA wollen die für sie strategisch und wirtschaftlich wichtige Inseldemokratie verteidigen.

Lange hatten Experten angenommen, dass wirtschaftliche Kontrolle Chinas Schlüssel zur Macht ist. Doch immer mehr spricht dafür, dass es Peking nicht genügt, die USA als grösste Volkswirtschaft zu überholen. Schon in wenigen Jahren könnten die USA nicht mehr in der Lage sein, Taiwan gegen China militärisch zu verteidigen.

- Massive Aufrüstung

Noch geben die USA dreimal mehr für Rüstung aus als China. Doch das chinesische Militärbudget wächst laut Sicherheitsexperten der ETH Zürich seit Jahren schneller als das Bruttoinlandprodukt. China besitzt längst nuklear betriebene U-Boote, Flugzeugträger und Kriegsschiffe, die in der Ostsee und im Mittelmeer Manöver abhalten. Und fokussiert laut dem US-Kommandeur James Stavridis zudem auf Cyberwaffen, das Weltraumprogramm, Hyperschallflugkörper und Tarnkappentechnologie.

- Internationale Militärbasen

Seit knapp vier Jahren hat China eine Militärbasis am strategisch günstigen Horn von Afrika in Dschibuti. Laut dem US-Pentagon baut Peking gerade auch Basen in Pakistan und im Westpazifik. Zudem kontrolliert die Volksrepublik zahlreiche Häfen – etwa in Sri Lanka – und weltweit jedes vierte (!) Hafenterminal.

- Geheime Marinemiliz

Ende März tauchten urplötzlich 220 Fischerboote am v-förmigen Whitsun Reef auf, das zu den Spratly-Inseln gehört und von den Philippinen wie von China beansprucht wird. Experten halten die Boote – bedrohlich allein durch schiere Menge und Präsenz – für ein von der Volksbefreiungsarmee finanzierte Marinemiliz: flexibel, schnell und schwierig in Schach zu halten. Die geheime Marinemiliz, deren Existenz von Peking geleugnet wird, erhöht das Drohpotenzial Chinas im Südchinesischen Meer um ein Vielfaches.

Anfang April schickte Biden mit dem Lenkraketenzerstörer USS John S. McCain bereits zum vierten Mal seit Amtsantritt ein Kriegsschiff durch die strategisch wichtige Strasse von Taiwan. Als die USA in Afghanistan einmarschierten, versprach der damalige US-Präsident George W. Bush (74), man habe aus Vietnam gelernt. Ein offener Konflikt mit China jedoch hätte eine völlig neue Dimension.

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