Auf einen Blick
Das lange Warten hat für Konsumentinnen und Hotelplan-Mitarbeitende ein Ende: Die Migros hat über ein Jahr nach der Verkaufsankündigung endlich die Katze aus dem Sack gelassen. Die traditionsreiche Reisetochter Hotelplan geht an ihren Konkurrenten, den deutschen Reiseriesen Dertour Group – Muttergesellschaft von Dertour Suisse mit den Marken Kuoni, Helvetic Tours und diversen Spezialisten.
Die Migros konnte Hotelplan also nicht wie ursprünglich geplant als Ganzes verkaufen. Diese Aufspaltung wurde von Branchen-Insidern seit einiger Zeit erwartet.
Dertour übernimmt die gesamte Hotelplan Gruppe mit Ausnahme von Interhome. Bei Letzterer hat das Ferienhausportal Hometogo zugeschlagen. Dertour sichert sich also das Reiseveranstaltergeschäft, Hometogo das lukrative Ferienwohnungsgeschäft. Gute Nachricht für alle, die bei Hotelplan eine Buchung am Laufen haben: Es ändert sich für sie nichts.
Viel Geld für Interhome, wenig für Hotelplan
Hometogo blättert für Interhome 150 Millionen Franken hin, zuzüglich aufgeschobener Zahlungen von bis zu 85 Millionen Franken. Was kostete der Rest der Hotelplan Group? Über diesen Kaufpreis halten sich die Parteien bedeckt.
Viel dürfte Dertour der Deal aber nicht gekostet haben, selbst wenn sich der Hotelplan-Konkurrent einen potenziellen Umsatz von 1,527 Milliarden Franken erkauft – 225 Millionen bei Hotelplan Suisse, 915 Millionen Franken bei Hotelplan Volume Tour Operating, 240 Millionen Franken bei Hotelplan UK und 147 Millionen Franken bei Hotelplan Business Travel. Es ist ein Schnäppchen, selbst wenn 1+1 bei Fusionen bekanntlich selten 2 ergibt.
Dertour beteuert zwar, dass man die Geschäftsfelder von Hotelplan weiterentwickeln wolle. Insider gehen aber davon aus, dass sich die Dertour Group nur für eine festgelegte Zeit verpflichtet, Geschäft und Mitarbeitende der Hotelplan Group unverändert weiterzuführen. Trotz der Überschneidungen mit dem Geschäft von Kuoni.
Damit steht die Migros nicht als Jobkiller da. Diese Rolle wird Dertour Suisse nach eingehender Analyse der Synergiemöglichkeiten einnehmen müssen. Die Rede ist aktuell von «Stärkung und Kontinuität» bei Hotelplan. Doch macht so etwas Sinn?
Deutschland kontrolliert Schweizer Reisemarkt
Die Fusion birgt einiges an Zündstoff. Die Dertour Group ist Teil der Rewe-Gruppe. Die Rewe ist, ähnlich wie die Migros, ein grosser Handelskonzern. Allerdings einer, der an seinem Reisegeschäft festhält.
2016 hatte die Rewe ihrer Reisetochter grünes Licht für die Übernahme der Kuoni Reisen AG gegeben, also dem Herzstück der Kuoni Group. Kuoni war bis dahin der führende Schweizer Reiseveranstalter und blieb bis heute der grosse Rivale von Hotelplan. Mit Kuoni und Tui Suisse – aus dem früheren Unternehmen Imholz Reisen hervorgegangen – beide in deutscher Hand, war Hotelplan der einzige grosse Reiseveranstalter, der noch vollständig in Schweizer Hand verblieb. Auch das ist nun Geschichte.
Um den Titel des umsatzmässig grössten vollständig schweizerischen Reiseunternehmens kämpfen nun die Globetrotter Group in Bern und das Aargauer Unternehmen Knecht Reisen. Beide sind nicht im Badeferien-Massengeschäft tätig. Und damit hat, mit 20 Jahren Verzögerung, die Schweiz dasselbe Schicksal ereilt wie Österreich: Alle grossen Reiseveranstalter sind in deutscher Hand.
Kein Problem mit Wettbewerbshütern der Weko
Eine Fusion zwischen Kuoni und Hotelplan war vor wenigen Jahren noch genauso undenkbar wie eine Fusion zwischen den Fussballklubs GC und FCZ. Doch die Realität ist: Ein Schweizer Reisekonzern kann sich im Badeferien-Volumengeschäft auf europäischer oder globaler Ebene kaum mehr behaupten.
Vielleicht hätte es gereicht, den lukrativen Schweizer Markt abzugrasen? Allerdings ist das kein wachsendes Segment. Laut dem Schweizer Reise-Verband organisieren drei Viertel aller Schweizerinnen und Schweizer ihre Reise selbst. Sie buchen also Flüge und Hotels direkt oder über grosse Buchungsplattformen mit Sitz im Ausland. Immerhin: Damit ist auch mit einer Fusion der Riesen Kuoni und Hotelplan keine marktbeherrschende Stellung vorhanden. Die Wettbewerbskommission dürfte dem Deal kein Hindernis in den Weg stellen.
Filialen werden schliessen müssen
Unangenehm dürfte es vor allem für Filialmitarbeitende werden. Ähnlich wie bei der Fusion von UBS und CS gibt es bei Kuoni und Hotelplan zahlreiche Doppelspurigkeiten, also Filialen beider Firmen an selben Standort. Die Dertour Group betreibt in der Schweiz über 80 Reisebüros der Marken Kuoni, Helvetic Tours und Rewi, Hotelplan Suisse betreibt 82 Filialen unter den Marken Hotelplan und Travelhouse. Von diesen 162 Filialen dürften nun 60 bis 80 auf der Kippe stehen und mittelfristig schliessen. Denn Kuoni und Hotelplan bewegen sich weitgehend im selben Segment, statt sich sinnvoll zu ergänzen.
Auch im Touroperating, also der eigentlichen Produktion von Reisen (Filialen sind zumeist nur Vertriebsstellen), gibt es viele Überschneidungen. Von den insgesamt fast 800 Mitarbeitenden der beiden übernommenen Hotelplan-Einheiten müssen wohl viele mit einer Entlassung nach Ablauf der Schonfrist rechnen. Auf Anfrage wollten sich die Unternehmen zu einem möglichen Abbau nicht äussern.
Ob das nunmehr klar grösste Reiseunternehmen in der Schweiz die Chefs um Laura Meyer (43), CEO der Hotelplan Group, weiterbeschäftigt und wie es dank der Fusion wachsen will, ist nicht mehr das Problem der Migros. Für die Schweizer Hotelplan-Mitarbeitenden ist die unmittelbare Zukunft zwar geklärt. Aber die Sorgen dürften nicht verschwunden sein.