Sommer, Sonne, aber dann gleich Serbien? Das grösste Land im Westbalkan gilt nicht als «Hotspot» für Auswanderer. Für Rudolf Müller (66) kam allerdings kein anderes Land infrage, so der Zürcher zu Blick. Er gehört zu aktuell gut 3100 Auslandschweizern in Serbien, deren Zahl laut dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) prozentual steil wächst.
«Das serbische Volk ist sehr gastfreundlich und hilfsbereit, was mir immer schon sehr gut gefallen hat», sagt Müller. Ende Juli 2022 hat er seine Zelte in Zell ZH abgebrochen, um sein Rentnerdasein in der Stadt Valjevo, rund 100 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Belgrad, zu beginnen. Nicht alleine. Der Auswanderer wählte das Land vor allem der Liebe wegen.
Müllers Lebenspartnerin Mirjana Todorovic (68) stammt aus dem bosnischen Ort Bratunac. Sie kam 1988 in die Schweiz, arbeitete bis zur Pensionierung im Schweizer Gesundheitswesen. «Dank ihr habe ich während vieler Ferienaufenthalte Bosnien und Serbien kennen und lieben gelernt.» Allen, die mit dem Gedanken spielen, sich in Serbien niederzulassen, rät der Auswanderer, sich mit Geschichte und Kultur des jeweiligen Landes auseinanderzusetzen.
Günstig an Wohnimmobilien gekommen
Weil die Lage in Bosnien politisch sehr fragil ist, fiel der Entscheid auf Valjevo. Seine Frau hat dort Freunde, die Stadt ist nur 70 Kilometer von ihrem Geburtsort in Bosnien entfernt. Und: Die Immobilienpreise sind dort tief. «Für mein Haus und das 650 Quadratmeter grosse Grundstück habe ich 90'000 Euro bezahlt», erzählt Müller. Er kaufte die Liegenschaft, eine ehemalige Bäckerei, bereits im Jahr 2016, baute zwei Jahre um und investierte dafür 250'000 Euro (umgerechnet rund 236'000 Franken).
«Probleme beim Hauskauf hatte ich keine», sagt Müller. Er konnte als Schweizer Wohneigentum in Serbien kaufen, weil dies umgekehrt serbischen Bürgern in der Schweiz gestattet ist, sofern das Wohneigentum zum Eigengebrauch vorgesehen ist. Hinzu kam mittlerweile noch eine 160 Quadratmeter grosse Wohnung in Bratunac. Diese liegt in einer ehemaligen Tabakfabrik aus der «K. u. k.-Zeit» (also der Zeit des österreichisch-ungarischen Kaiserreichs, zu dem Bosnien damals gehörte). Der Kaufpreis dort inklusive Möbeln und Küchenausstattung: 80'000 Euro.
Bei Schweizer Preisen trifft ihn der Schlag
Für umgerechnet 160'000 Franken hat Müller also zwei Wohnobjekte erstanden. Inklusive grosser Renovierung belaufen sich die Gesamtkosten auf rund 400'000 Franken. Für die Übertragung von Grundeigentum musste er dem Fiskus noch 2,5 Prozent der Kaufsumme abliefern. «Das ist alles. Nicht schlecht!», meint Müller, der im Arbeitsleben bei diversen Banken tätig war.
«Wichtig war mir, mein Haus in Valjevo autark und CO₂-frei betreiben zu können.» Die Solarmodule stammen von der Schweizer Firma Meyer Burger. «Ich war der Erste, der in Valjevo eine Fotovoltaik-Anlage installierte», erzählt Müller.
In die Schweiz kommt er noch ein oder zweimal pro Jahr, um Freunde und Familie zu besuchen. «Jedes Mal trifft mich fast der Schlag, wenn ich die Preise in der Schweiz sehe.» Er liefert gleich ein paar Beispiele: Für eine private Krankenversicherung in Serbien – in der Unfall-, Pflege- und Zahnversicherung bis zu 100'000 Euro pro Jahr inbegriffen ist – bezahlt er umgerechnet 218 Franken pro Monat. Ein Besuch beim Augenarzt, den er wegen Diabetes einmal pro Jahr vornimmt, kostet ihn rund 16 Franken. Bei Medikamenten, Lebensmitteln und mehr seien die Preise verglichen mit der Schweiz extrem tief.
Müller ist jetzt auch Serbe
In die Schweiz muss Müller von Amts wegen nicht mehr. Denn er besitzt inzwischen einen serbischen Pass. «Mit dem Erwerb von Wohneigentum erhält man eine Aufenthaltsgenehmigung, die jährlich für 200 Euro erneuert werden muss», erklärt Müller. Schon nach 3 Jahren gebe es dafür dann gleich den serbischen Pass – und nicht etwa eine dauerhafte Aufenthaltsbewilligung.
Vor seiner Auswanderung hatte er in der Schweiz die ausländischen Immobilien als Vermögen deklarieren müssen und bezahlte folglich Vermögenssteuer. Jetzt, wo er in Serbien wohnt, bezahlt er dort nur noch eine Grundstücksteuer für den Wohnbereich im 1. Stock, aber keine für das Erdgeschoss – in dem sein Homeoffice liegt – sowie für das umgebaute Dachgeschoss, das kein Wohnzimmer ist, «sondern ein Musik- und Gästezimmer, was nicht steuerbar ist». Die Grundstücksteuer beträgt damit umgerechnet rund 90 Franken pro Jahr.
Das Land hat auch seine Tücken
Klingt wunderbar. Doch Müller weiss auch um die Risiken. Etwa, weil in Serbien das Katasteramt und das Grundbuchamt getrennt sind. Er empfiehlt, einen Geometer vom Katasteramt zu beauftragen, die Grenzen unabhängig zu vermessen – weil die Angaben zum Grundstück im Katasteramt von den Angaben im Grundbuchamt abweichen können. «Beim Kauf würde ich unbedingt einen Rechtsanwalt beiziehen.»
Da der Kaufvertrag auf Serbisch und somit in kyrillischer Schrift aufgesetzt ist, verlangt ein Gesetz die Anwesenheit eines Dolmetschers bei der notariellen Beglaubigung. «In meinem Fall waren zwei Dolmetscher da – die eine Dolmetscherin kontrollierte, was die andere mir vortrug», erzählt Müller und schmunzelt.
Einzig mit dem Demokratieverständnis der Serben sei es so eine Sache. Ansonsten fühle er sich in Serbien pudelwohl.