Thailand-Auswanderer Ernst Rütimann (75)
«Mit 1850 Franken monatlich komme ich gut über die Runden»

Ernst Rütimann zog vor 20 Jahren nach Thailand. Im Blick erzählt der Auswanderer, was ihn zu diesem Schritt bewog und wie es ihm seither ergangen ist.
Publiziert: 11.02.2023 um 11:23 Uhr
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Aktualisiert: 13.02.2023 um 15:13 Uhr
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Ernst «Aschi» Rütimann ist vor 20 Jahren nach Thailand ausgewandert. Heute lebt er mit seiner Frau in der Provinz Trang.
Foto: zVg
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Jean-Claude RaemyRedaktor Wirtschaft

«Glücklich ist vielleicht ein zu starkes Wort. Aber zufrieden, ja, zufrieden bin ich.» So fasst Ernst «Aschi» Rütimann (75) seine aktuelle Lebenssituation zusammen.

Er ist vor 20 Jahren nach Thailand ausgewandert – und gehört damit zu den vielen Schweizer Auswanderern, die dort in der Rente von steuerlichen Vorteilen profitieren. Die Ferne habe ihn schon immer angezogen, erzählt er im Gespräch mit Blick. Die Steuervorteile waren hingegen nicht ausschlaggebend dafür, dass er seinen Lebensmittelpunkt letztlich nach Thailand verlagert hat, versichert er.

Auch mit den vorteilhaften Kinderrenten hat er nichts am Hut. «Bloss keine Kinder!», entfährt es ihm, als ihn Blick auf seine private Lebenssituation anspricht. Das mit Thailand war «eher Zufall als Plan».

Sparsamer Umgang mit der Rente

Rütimann ist in den 90er-Jahren in seinem Schweizer Wohnort Stein am Rhein SH mit einem Beizer befreundet, der jeden Winter auf der thailändischen Insel Phuket verbringt. Die beiden verstehen sich gut, sind passionierte Taucher. So besucht ihn Rütimann einmal in Phuket, reist später des Öfteren wieder hin und merkt, dass es ihm dort gut gefällt.

Im Januar 2003 meldet sich Rütimann bei den Behörden und beim Militär ab. Bezieht seine Pensionskasse vor. Zu jenem Zeitpunkt hat er insgesamt 700'000 Franken angespart. «Damit kam ich in Thailand über die Runden.» Rütimann ist sparsam. Lebt in einem Bungalow an der Ostküste von Phuket, taucht fast täglich, gibt aber sonst nur wenig Geld aus. «Das Nachtleben im berüchtigten Patong hat mich nie angezogen, Rambazamba ist nicht mein Ding», erzählt er.

Da er kein Arbeitsvisum hat, reist er zunächst mit einem für drei Monate gültigen Touristenvisum ein. Die Aufenthaltsbewilligung erhält er erst, nachdem er 800'000 Baht – zu jenem Zeitpunkt sind das rund 25'000 Franken – in einer Thai-Bank hinterlegt. «So kamen sie an Devisen, dafür wurden uns Einwanderern keine Steuern auferlegt», sagt Rütimann.

Zehn Jahre später erhält Rütimann dann auch AHV. Trotz insgesamt 44 Jahren Beitragszeit ist es nur eine reduzierte AHV, weil er den notwendigen Jahresdurchschnitt für die volle Rente infolge diverser Einzahlungsunterbrüche nicht erreicht. Trotzdem: «Ich erhalte 1850 Franken pro Monat, damit lässt sich hier leben», so Rütimann. Hätte er noch minderjährige Kinder, könnte er pro Kind bis zu 900 Franken zusätzlich erhalten. Aber eben, «bloss keine Kinder»!

Kaum Kontakt mehr in die Schweiz

Die Schweiz vermisst er nicht. Kontakt hat er nur noch zu seiner acht Jahre jüngeren Schwester, zu einigen früheren Kollegen aus dem Schweizer Seemanns-Club, und zu den Behörden – wegen der AHV. Auf eine Mitgliedschaft in einem der vielen Schweizer Expat-Clubs in Thailand verzichtet er. Was in der Schweiz passiert, liest er hin und wieder online im Blick.

In der Schweiz besitzt er nichts mehr, «im Gegensatz zu vielen, die aus steuerlichen Gründen nach Thailand umziehen, aber immer noch einen Fuss in der Schweiz haben». Er weiss, dass finanzielle Aspekte für viele Auswanderer ausschlaggebend sind. Für ihn ist es aber das Meer, das Tauchen.

Das ändert sich auch nicht mit dem Tsunami, der Thailand 2004 heimsucht, als Rütimann erst ein Jahr vor Ort ist. Da er auf der Ostseite von Phuket lebt, ist er nicht direkt betroffen. Trotz des grossen Leids, das er vor Ort miterlebt, will er zu keinem Zeitpunkt weg.

Später lernt Rütimann auch seine heutige Frau kennen, eine Einheimische. 2008 zeigt er ihr während sechs Wochen seine Schweizer Heimat. Es ist seine letzte Reise in die Schweiz. «Ich will nicht mehr fliegen», begründet Rütimann. Sogar wenn er auf die Schweizer Botschaft nach Bangkok muss, nimmt er lieber den Nachtzug und die zehnstündige Reise auf sich, als zu fliegen.

Vom Seefahrer zum Sesshaften

Inzwischen lebt Rütimann nicht mehr auf Phuket, sondern rund 30 Kilometer ausserhalb der Stadt Trang auf dem Festland. Über seine Partnerin, die er 2011 heiratet, kommt er zu etwas Land, baut ein Haus. Die Familie lebt vom Gummizapfen, beliefert die örtliche Latex-Industrie.

«Mein Lebensmittelpunkt ist Thailand und hier werde ich auch meine Tage beenden und kremiert werden», sagt Rütimann. Er bereut seine Auswanderung keineswegs. Dass er nicht vollständig glücklich ist, hat nur damit zu tun, dass er sich seinen grössten Traum nicht erfüllen konnte.

Der gelernte Elektriker Rütimann hätte seinen Lebensabend gern damit verbracht, um die Welt zu segeln. Das Geld reicht aber nicht für ein solches Leben, zumal es für den Erhalt der AHV einen festen Wohnsitz braucht.

Einen solchen strebte Rütimann nie an. Er, der einst 19 Jahre lang als Schiffselektriker mit Hochseeschiffen auf den Weltmeeren unterwegs war. Der zwölf Jahre lang am Flughafen Zürich als Elektriker für die FIG (Flughafen Immobiliengesellschaft) täglich auf startende Flugzeuge blickt. Mit 55 Jahren den Entscheid zur Auswanderung nach Thailand fällt, obwohl er zuvor eigentlich mehr von Australien oder Südafrika geträumt hatte.

Nun wohnt er ziemlich weit entfernt von seinem geliebten Meer, inmitten einer Plantage. Mit gewissen Aspekten des Alltags in Thailand, etwa der Unzuverlässigkeit der öffentlichen Dienste, kann er sich auch nach 20 Jahren noch nicht anfreunden. Aber er kommt gut über die Runden, dank den steuerfreien Rentengeldern aus der Schweiz.

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