Eine alleinstehende Frau mit minderjährigen Kindern hat es finanziell meist schwer. Erst recht in Ländern mit bescheidenem sozialem Auffangnetz. Was, wenn ein Mann auftaucht, der für jedes Kind einen staatlichen Betrag erhält, der das Dreifache des landesüblichen Mindestlohns ausmacht?
Beispiel Thailand: Schweizer Rentner geniessen Steuervorteile, wenn sie nach Thailand auswandern – umso mehr, wenn sie vor Ort jemanden mit minderjährigen Kindern heiraten. Ob da stets die grosse Liebe im Spiel ist?
900 Franken pro Monat
Gemäss schweizerischer AHV/IV-Gesetzgebung haben Rentner Anspruch auf Auszahlung von Stiefkinderrenten, wenn sie mit der Kindsmutter oder dem Kindsvater verheiratet sind und mit dem Stiefkind zusammen an derselben Adresse wohnen. Das gilt auch für Schweizer Rentnerinnen und Rentner, die im Ausland leben.
Eine Kinderrente beträgt 40 Prozent einer Alters- oder Invalidenrente. «Das kann bei einer vollen Altersrente zu einer Kinderrente von über 900 Franken pro Monat führen», erklärt Felix Stöckli, Anwalt bei der Firma Swiss Law in Pattaya (Thailand).
900 Franken sind etwa das Dreifache des thailändischen Mindestlohns. Hat die Ehefrau oder der Ehemann mehrere Kinder, lohnt sich dieses «Geschäftsmodell» umso mehr.
Viele Kinderrenten fliessen nach Thailand
Die AHV-Beträge, die für Kinderrenten nach Thailand fliessen, haben sich in den letzten Jahren um das 17-fache auf 4,4 Millionen Franken erhöht, wie der «Tages-Anzeiger» letztes Jahr meldete. Rund 400 Pensionierte sollen aktuell in Thailand Kinderrenten beziehen. Bei einer durchschnittlichen Auszahlung von 11'000 Franken pro Jahr wird – angesichts der tiefen Lebenshaltungskosten vor Ort – das Kind schnell zum «Goldjungen».
Thailand ist nicht das einzige Land, wohin Kinderrenten ausbezahlt werden. Aber Thailand hat diverse Steuervorteile für Rentner – und der Bezug der Stiefkinderrenten ist auch steuerfrei. Wer in Thailand ansässig ist, zahlt auf Renten, Kapitalerträge und passive Einnahmen, die aus der Schweiz kommen, keine Steuern.
Nachweisen muss der Rentner lediglich den gemeinsamen Wohnsitz. Dazu muss die Person in der Schweiz abgemeldet sein.
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Warum wird die Gesetzgebung nicht angepasst?
Stöckli will nicht darüber mutmassen, ob Schweizer Rentner in Thailand tatsächlich wegen der Stiefkinderrenten heiraten. «Als ehemaliger Scheidungsanwalt in der Schweiz rate ich aber niemandem aus solchen Gründen zu einer Heirat», fügt er an.
Legal wäre es jedenfalls. «Wenn Einwände gegen solche Auszahlungen oder deren Höhe bestehen, dann müsste das Gesetz geändert werden», sagt Stöckli. Dafür wäre das Parlament in Bern zuständig.
Laut Stöckli werden von der Schweizer Ausgleichskasse (SAK) in Genf, die für die Auszahlungen zuständig ist, zum Teil mittels «Schikanen» die Auszahlungen erschwert. Das sei jedoch der falsche Weg, um dieser Praxis ein Ende zu setzen. Stöckli schliesst: «Ich erachte diese Auszahlungen selbst auch als ein unbefriedigendes Ergebnis einer bestehenden Gesetzgebung, und es würde Wege geben, das zu ändern. Es ist bemerkenswert, dass das Parlament dieses Thema nie anpackt.»
Genau genommen gab es Im Parlament 2020 eine «Motion Hess» zum Thema. Der Nationalrat hat damals aber Nichteintreten beschlossen.