Ein Neustart im Ausland klingt für viele Schweizer verlockend, doch nicht immer bringt die Wahlheimat die erhoffte Erfüllung. Manche Auslandschweizerinnen bereuen gar ihre Entscheidung und kehren in die Schweiz zurück. Hubert Feigenwinter, Ilona Maluscik und Inge Tyler haben die Schattenseiten eines dauerhaften Wohnsitzes im Ausland kennengelernt.
Hubert Feigenwinter (66): Ein Traum wurde zum Albtraum
Vor 20 Jahren beschloss Hubert Feigenwinter auszuwandern, nachdem er 25 Jahre lang als leitender Beamter bei einem Zivilgericht in der Nordwestschweiz gearbeitet hatte. Als er einen grösseren Geldbetrag ausbezahlt bekam, packte er die Gelegenheit und seine Koffer. Zuerst verbrachte er einige Monate in Thailand, danach zog es ihn auf die Philippinen, wo er seine Frau kennenlernte und heiratete. Doch aus dem anfänglichen Traum wurde ein Albtraum.
«Es sah zuerst alles so gut aus, aber in den folgenden Jahren gab es grosse Schwierigkeiten», erinnert sich der heute 66-Jährige. Das grosse Problem: die andere Kultur. Er baute in Pampanga ein Haus für sich und seine Familie, wo sie danach zusammenwohnten. Doch es klappte nicht wie geplant. Seine Kinder zogen aus, und Hubert Feigenwinter kämpfte jahrelang mit Depressionen. Er habe oft nicht mehr weitergewusst, so der Schweizer.
Belastend findet er auch die politische Situation auf den Philippinen. Auf amtliche Dokumente müsse man monatelang warten, und das Leben sei wie vor 50 Jahren – nur mit Computer. «Zeitweise bin ich total verzweifelt. Ich möchte zurück nach Europa», sagt Feigenwinter. Doch seine Pension reiche nicht aus, um zusammen mit seiner Frau zurück in die Schweiz zu kommen. Hubert Feigenwinters Fazit: «Die Schweiz ist ein wunderschönes Land, sofern man genug Geld hat.» Er aber könne sich seine Heimat nicht mehr leisten.
Ilona Maluscik (74): 4½ Jahre Heimweh
1971 kam Ilona Maluscik mit 24 Jahren in die Schweiz. In Zürich arbeitete sie erst als Pflegehilfe, dann als Bankangestellte. Den Schweizer Pass hat sie seit 1975. Heimisch fühlte sie sich in der Schweiz vom ersten Moment an. Bereits als 15-Jährige hatte Ilona Maluscik den Wunsch, den Ort, an dem sie aufgewachsen war, zu verlassen. Nach einer schwierigen Kindheit und als Teil der ungarischen Minderheit in der Stadt Novi Sad im heutigen Serbien fühlte sie sich nie wirklich zugehörig.
In der Schweiz machte sie Musik und Kunst zu ihrem Beruf, spielte in vielen Orchestern und Ensembles und leitete verschiedene Chöre. Bis heute unterrichtet sie Geige und Keyboard, zeigt ihre Malereien an verschiedenen Ausstellungen. Wegen der Selbständigkeit hatte Maluscik keine Pensionsgelder in Aussicht, weshalb sie sich 2013 schweren Herzens entschloss, nach Ungarn auszuwandern. «Beim Verlassen der Schweiz habe ich mich innerlich zerrissen gefühlt», erinnert sie sich. Von Anfang an hatte sie Mühe mit der ungarischen Mentalität und mit der Landespolitik. «Die Sprache zu können, ist etwas ganz anderes, als die Mentalität anzunehmen», sagt sie.
Jedes Jahr kam Ilona Maluscik drei Mal in die Schweiz, um ihre Töchter und Grosskinder zu besuchen. Und jedes Mal sei ihr der Abschied von ihnen schwerer gefallen. Viereinhalb Jahre hielt sie die Sehnsucht nach ihrer Familie und das Heimweh aus. Bis sie 2017 in die Schweiz zurückkehrte. Nun bezieht sie hier Ergänzungsleistungen. «Das wollte ich nie. Darum habe ich Ungarn probiert», sagt die 74-Jährige. Trotzdem sie sei sehr glücklich, wieder bei ihrer Familie zu sein.
Inge Tyler (59): Eingeengt in der Heimat
Inge Tyler wohnt seit neun Monaten wieder in der Schweiz, nachdem sie vor über 30 Jahren nach England ausgewandert war. Seither hat sie an vielen verschiedenen Orten gelebt, zuletzt in Deutschland. Doch Ende 2019 packte sie das Heimweh, sie kündigte ihren Job in Frankfurt am Main und kehrte zurück in die Schweiz. Der Neuanfang in ihrer Heimat gestaltete sich jedoch schwieriger als gedacht. Nach erfolgloser Arbeitssuche gründete Inge Tyler mit «The Zurich Job Alliance» eine Non-Profit-Organisation für Jobsuchende, inspiriert durch ihr eigenes Schicksal.
Aktuell wohnt sie in einer Gross-WG in Kloten, wird aber demnächst nach Zürich in die Stadt ziehen. Auch weil sie hofft, dort etwas von der sprühenden Lebensfreude zu finden, die sie zuvor ins Ausland zog und die ihr in der Schweiz fehlt. Zwar wirke die Schweiz nach aussen hin toll, doch die Unterschiede zwischen Land und Stadt seien gross, und punkto Nachhaltigkeit gebe es noch Luft nach oben, sagt Inge Tyler. Sie habe sich in den vergangenen 30 Jahren in verschiedenen Bereichen mehr Veränderungen erhofft.
Ob die 59-Jährige auch langfristig hier bleiben wird, weiss sie noch nicht. «Die Schweiz ist ein kleines Land, ich fühle mich hier oft eingeengt», sagt Inge Tyler. Falls sie erneut auswandert, dann möchte sie an einen Ort, an dem es warm ist und sie die Sprache spricht. Ihr Traum: Australien. Sie sagt aber auch, dass viele Auswanderer zu Beginn nur das Gute sehen. «Wenn man dann über längere Zeit an einem anderen Ort lebt, sieht man die Schweiz plötzlich mit ganz anderen Augen.»
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