«Ich fühle mich hier nicht zu Hause»
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Schweizer auf den Philippinen:«Ich fühle mich hier nicht zu Hause»

Traum vom Auswandern geplatzt
«Ich fühle mich hier nicht zu Hause»

2016 ist das Berner Ehepaar Rolf und Juliet Sigrist auf die Philippinen ausgewandert. In der neuen Heimat sind sie aber nicht glücklich geworden. Jetzt wollen sie zurück in die Schweiz.
Publiziert: 11.07.2021 um 11:01 Uhr
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Aktualisiert: 11.07.2021 um 11:15 Uhr
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Das Berner Ehepaar Juliet und Rolf Sigrist mit ihren beiden Hunden Callie und Cassy im Garten ihres Hauses auf den Philippinen. Sie fühlen sich hier wie im goldenen Käfig und möchten wieder zurück in die Schweiz.
Foto: zVg
Corine Turrini Flury

«Meine Frau wollte nicht weg aus der Schweiz. Ich war es, der nach der Pensionierung auf den Philippinen leben wollte», gibt Rolf E. Sigrist (71) aus Bern im Gespräch mit Blick unumwunden zu.

Juliet Sigrist (58) ist auf den Philippinen geboren und aufgewachsen und wusste, wie es sich dort lebt. In jungen Jahren hatte sie einen Job als Kindermädchen bei ihrer Schwester in der Schweiz angenommen, wo sie 1989 Rolf Sigrist kennengelernt und geheiratet hat.

«Meine Eltern waren nicht begeistert von den Heiratsplänen und brauchten lange, bis sie Juliet richtig akzeptierten. Jetzt sind wir über 30 Jahre glücklich verheiratet», erzählt er. Tochter Sandra kam im November 1990 zur Welt und machte das Glück des jungen Paars perfekt.

Hauskauf auf den Philippinen

Erst rund zehn Jahre nach der Heirat reiste die Familie erstmals wieder in die Heimat von Juliet. «Von da an flogen wir alle paar Jahre auf die Philippinen. Für Ferien ist es traumhaft», so Sigrist, der bis zu seiner Pensionierung in der IT-Branche tätig war.

Durch einen Bekannten erfuhr das Ehepaar, dass in Calamba, etwa zwei Stunden vom Meer entfernt, neue Häuser geplant waren. Für 150’000 Franken kauften sie sich eines der Häuser mit Garten und Gemeinschaftspool.

Sigrists verkauften ihre Eigentumswohnung in der Schweiz und brachen 2016 zu einem neuen Leben auf. Tochter Sandra blieb in der Schweiz zurück. «Obschon sie erwachsen war, hatte sie ziemlich Mühe damit, dass wir ausgewandert sind», erzählt Sigrist.

Ewige Baustelle und Renovationen

Bei der Ankunft in der neuen Heimat war das Haus der Schweizer nicht – wie vereinbart – fertig, und die beiden zogen zwischenzeitlich in ein möbliertes Haus in der Nähe. Die Möbel aus der Schweiz wurden zwischengelagert. «Später merkten wir, dass einige Sachen gestohlen wurden. Ob beim Transport, im Lager oder sonst wo, konnte nie geklärt werden», erzählt Rolf Sigrist.

Es blieb nicht der einzige Ärger. Bald zeigten sich beim neuen Haus Mängel: «Der Standard hier entspricht in keiner Weise dem, was man sich von Europa gewohnt ist. Sei das in Bezug auf die Materialien oder die Bauarbeiten.»

Immer wieder standen an Sigrists Haus im Lauf der Jahre daher Renovationen an. Die beiden entschieden, das Haus zu verkaufen und in die Schweiz zurückzukehren. «Vorher wollen wir aber noch einmal in unser Haus investieren und alles richtig zu renovieren, bevor wir es zum Verkauf ausschreiben», so der Rentner.

«Die Lebensqualität ist in der Schweiz höher»

Die alte Heimat wartet. In der Nähe von Bern hat das Schweizer Ehepaar bereits eine Wohnung gekauft. Sie freuen sich, bald wieder in der Nähe der Tochter zu wohnen, die in der Zwischenzeit geheiratet hat. «Sie hat uns auf den Philippinen oft besucht, und ihr Ehemann hat ihr auf den Philippinen am Strand sogar einen Heiratsantrag gemacht», so der stolze Papa.

Seine Erfahrungen auf den Philippinen hat Sigrist in zwei Blogs aufgeschrieben. Im einem finden sich Reise- und Ferientipps, im anderen schreibt er über die Schattenseiten: Korruption, Prostitution, Armut und Kriminalität, fehlende Kläranlagen und Umweltschutz, Naturkatastrophen und das Gesundheitswesen.

«Am schlimmsten für mich hier ist der Verkehr und, dass alles so viel Zeit und Geduld braucht. Die Lebensqualität ist in der Schweiz einfach wesentlich höher.»

Es sei schon vorgekommen, dass sie für die Strecke von 15 Kilometern mit dem Auto fast elf Stunden benötigten. Auch habe ihn die Armut der Bevölkerung ziemlich belastet: «An meinem Geburtstag habe ich darum Gaben für die rund 30 Angestellten unserer Wohnsiedlung und deren Familien verteilt.»

Zwei Hausangestellte zur Unterstützung

Zwei philippinische Hausangestellte leben und arbeiten beim Ehepaar Sigrist und unterstützen die wegen Kinderlähmung seit ihrer Kindheit leicht gehbehinderte Juliet. Einige wohlhabende Bekannte und Nachbarn der Schweizer hätten ihren Angestellten verboten, mit Sigrists Hausmädchen Kontakt zu pflegen, erzählt der Rentner.

«Zum Teil sind die Arbeitsbedingungen miserabel, und sie befürchten, dass ihre Angestellten bessere Bedingungen fordern, wenn sie wissen, wie wir für unsere Hausangestellten sorgen.» Darüber kann der Schweizer nur den Kopf schütteln.

Privilegierte Heimkehrer

Mit Corona habe sich die Situation der Einheimischen auf den Philippinen verschärft, weiss Sigrist. Viele Geschäfte wurden geschlossen, und Touristen dürfen noch immer nicht einreisen. «Die Pandemie hat dieses Land noch weiter zurückgeworfen und unseren Entschluss zur Heimkehr beschleunigt.»

Er sei froh, wenn er mit seiner Frau und den beiden Hunden bald zurück in der Schweiz ist. Dabei schätzen die beiden ihr Privileg, wieder in die alte Heimat zurückziehen zu können. «Wir wissen von einigen anderen hier, die sich eine Rückkehr in die Schweiz mit ihrer Rente nicht leisten können.»

Juliet und Rolf Sigrist bleiben den Philippinen verbunden, auch wenn sie nicht heimisch wurden. Nicht zuletzt, weil Ehefrau Juliet dort ihre Wurzeln und zahlreiche Verwandte hat. Künftig werden sie ihre Ferien auf den Philippinen verbringen, Alltag und Zukunft sehen sie aber in der Schweiz.

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