«Ich fühle mich vom Verband ausgenutzt»
1:49
«Vom Verband ausgenützt»:Erfolgs-Cheftrainer greift die Turn-Bosse an

Erfolgs-Cheftrainer greift STV-Bosse an
«Ich fühle mich vom Verband ausgenutzt»

Auch im Kunstturnen gibts Ärger für den STV: Bernhard Fluck holte mit den Schweizer Männern acht EM-Medaillen, qualifizierte sich zweimal für Olympia. Jetzt soll er gegen seinen Willen gehen – und attackiert den Schweizer Verband hart.
Publiziert: 07.07.2020 um 19:05 Uhr
|
Aktualisiert: 01.11.2020 um 15:51 Uhr
1/8
Sehr erfolgreich: Bernhard Fluck holte acht EM-Medaillen mit den Schweizer Männern.
Foto: Keystone
Emanuel Gisi

Nach der Rhythmischen Gymnastik knallt es nun auch bei den Schweizer Kunstturnern! Der erfolgreiche Männer-Cheftrainer Bernhard Fluck (64) ist bald nicht mehr im Amt – obwohl er das Team bis Olympia 2021 in Tokio betreuen wollte.

«Als bekannt wurde, dass die Olympischen Spiele wegen der Corona-Pandemie auf 2021 verschoben werden, habe ich dem Verband mitgeteilt, dass ich gerne weitermachen würde», sagt Fluck.

Der Erfolgs-Cheftrainer der Männer (8 EM-Medaillen, zweimal EM-Gold), seit 2009 im Amt, wird im Mai 2021 pensioniert. «Ich hätte meine Pensionierung gerne um drei Monate verschoben, damit die Athleten ideal vorbereitet zu den Olympischen Spielen fahren können.»

Geheime Pressekonferenz

Das darf er aber nicht, erklärt Fluck am Dienstagnachmittag an einer im Alleingang einberufenen Pressekonferenz. Der STV weiss davon nichts! Fluck ist sauer. «Man hat mich am 19. Juni nach Aarau ins Büro bestellt und mir gesagt, dass man meinen Vertrag nicht bis zu den Spielen 2021 verlängern werde.» Seither hat er geschwiegen. Und gelitten. «Mich plagen seither schlaflose Nächte, ich habe Kopfschmerzen, und ich frage mich in der Trainingshalle die ganze Zeit: ‹Was mache ich eigentlich noch hier?›»

Nach elf Jahren als Chefcoach und acht Jahren als Nachwuchschef hätten ihn Zentralverbands-Präsident Erwin Grossenbacher, Geschäftsführer Ruedi Hediger und Felix Stingelin, Chef Spitzensport beim STV, einfach abgesägt. «Was der Verband mir gegenüber gemacht hat, ist respektlos», sagt Fluck. «Ich fühle mich ausgenutzt.»

«Ich mache mir Sorgen um die Nationalmannschaft»

Weil mit Laurent Tricoire, der Ende Jahr nach Belgien wechselt, bereits ein Assistenzcoach den STV verlässt, gerate die Vorbereitung auf Olympia 2021 in Gefahr. «Ich mache mir Sorgen um die Nationalmannschaft für die Spiele», sagt er. «Acht Monate vor dem Höhepunkt zwei von drei Trainern auszuwechseln, das ist nicht optimal in der Vorbereitung.»

Die Erklärung, die der Chef der EM-Gold-Turner Oliver Hegi und Pablo Brägger bekommen habe: Man plane schon den Olympia-Zyklus bis Paris 2024. «Es scheint, als ob sie beim Verband Olympia 2021 einfach auslassen.»

Er dagegen fühle sich den aktuellen Athleten verpflichtet. «Das sind Top-Athleten, die auch etwas erreichen können.»

Der Verband sagt: Weil auch noch nicht sicher sei, ob Tokio 2021 tatsächlich stattfinden könne und für Paris 2024 ein Neuaufbau nötig sei, habe man entschieden, dass man «am Zeitplan der Nachfolgeregelung festhalten» wolle. Ein Nachfolger sei seit dem 2. Juli bestimmt, der Vertrag aber noch nicht unterschrieben. Dem Vernehmen nach hat der bisherige Assistent Laurent Guelzec ausgezeichnete Karten.

Zoff mit Spitzensport-Chef Felix Stingelin

Dem Knall geht ein Knatsch mit Spitzensport-Chef Stingelin voraus: Bei Olympia 2016 in Rio musste Fluck zuhause bleiben, weil Stingelin für die Spiele akkreditiert wurde und für den Cheftrainer keine Akkreditierung mehr übrig war. «Ich musste damals entscheiden, welche zwei Männer-Trainer nach Rio reisen», sagt Fluck.

Er habe sich daraufhin geopfert und die beiden Geräte-Spezialisten Laurent Tricoire und Laurent Guelzec mitgeschickt. «Aber natürlich wäre die sportliche Betreuung noch besser gewesen, wenn ich auch dabei gewesen wäre. Ich kenne diese Athleten seit Jahren, arbeite intensiv mit ihnen. Wenn ich am Morgen mit ihnen rede, sehe ich sofort, wie sie geschlafen haben. Ich rieche, welches Deo sie heute aufgetragen haben. Der Chef Spitzensport sitzt dagegen 100 Kilometer von Magglingen entfernt.»

Fluck über Stingelin: «Er muss sein Ego in den Hintergrund rücken»

Nach Rio war das Zerwürfnis so gross, dass eine Mediation helfen sollte. Sie ergab, dass Fluck sich künftig nicht mehr um die Selektion der Trainer kümmern müsse. Das hätte künftig Stingelin tun sollen – in Bezug auf Tokio 2020 habe es aber danach ausgesehen, als ob die Aufgabe wieder an ihm hängen bliebe und wieder nur zwei Trainer-Plätze frei sein würden.

Was sich Fluck von seinem Alleingang erhofft? «Mir geht es um den Turnsport in der Schweiz.» Und in der STV-Führung müssten gewisse Herren etwas demütiger werden. Vor allem den Chef Spitzensport, Felix Stingelin: «Er müsste sein Ego in den Hintergrund rücken.»

STV-Sprecher Thomas Greutmann sagt auf BLICK-Nachfrage: «Wir sind erstaunt über den Weg, den Bernhard Fluck gewählt hat. Wir prüfen das weitere Vorgehen.» Eine Reihe von weiteren Fragen lässt man beim Verband unbeantwortet.

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?