Die Vorwürfe wiegen schwer. Nationaltrainerin Iliana Dineva soll ihre Kader-Athletinnen in der Rhythmischen Gymnastik ganz mies behandelt haben (BLICK berichtete). Sie habe Sportlerinnen immer wieder als «fett» bezeichnet, um sie dazu zu bringen, auf ihre Figur zu achten, habe Athletinnen unterstellt, sie spielten ihre Verletzung nur vor. Manche der Gymnastinnen seien gegeneinander ausgespielt worden – und Dineva soll im Training auch körperlich zugepackt haben, dass es danach wehtat.
BLICK konfrontierte den Schweizerischen Turnverband bereits am Montag mit den Vorwürfen. Man prüfe «zur Zeit noch die Informationen und Vorwürfe», so ein Verbandssprecher am Dienstagabend. Man werde am Mittwoch Stellung nehmen.
Unmenschliche Methoden
«Sie waren sehr hart, sehr streng», sagt eine ehemalige RG-Nationalkader-Athletin derweil zu BLICK über das Trainer-Team um die Bulgarin Dineva. Sie will anonym bleiben. Sich zu exponieren ist schwierig, viele der ehemaligen Kader-Mitglieder sind heute in Regionalen Leistungszentren beschäftigt, mit Draht zum STV. «Es gab positive Dinge: An Wettkämpfen haben sie uns gut gepusht, das Training war auf hohem Level.»
Menschlich aber sollen die Methoden unter aller Kanone gewesen sein. Das hat Spuren hinterlassen: «Wenn ich Dineva heute sehen würde, hätte ich vor allem Angst», sagt die Athletin. «Sie hat blonde Locken. Eine Zeit lang bin ich jedes Mal zusammengezuckt, wenn ich auf der Strasse eine Frau mit blonden Locken gesehen habe. Weil ich dachte, es sei sie.» Weitere Athletinnen erwähnen gegenüber BLICK ähnliche Erlebnisse.
«Als Mutter blutet mir das Herz»
Eine, die klare Worte wählt, ist Astrid Salzmann. Bis im Frühjahr war sie als Kunstturntrainerin auf allen möglichen Levels tätig. «Als Mutter blutet mir das Herz, wenn ich das höre», sagt sie. Sie kenne den Refrain schon. «Die Geschichte und die Geschichten scheinen sich zu wiederholen.»
Schon damals, als Anfang der Nuller-Jahre Eric Demay in Magglingen seine Schützlinge gepiesackt habe, der französische Skandal-Trainer, der 2007 erst das Team um Ariella Kaeslin (32) in den Sitzstreik trieb und dann entlassen wurde, habe sie genau diese Episoden schon erlebt. «Dabei sind die Mädchen bereit, zu geben, gerade in der Rhythmischen Gymnastik. Sie wollen etwas leisten. Aber man muss das mit Methoden machen, die ihnen gerecht werden», sagt sie. «Ich frage mich, warum wir eine derart anforderungsreiche Ausbildung für die Schweizer Trainer verlangen, wenn wir an der Spitze günstige Trainer aus dem Ausland holen, die methodisch alles andere als über jeden Zweifel erhaben sind?»
Als Mutter weine man mit, als Trainerin schüttle man den Kopf. «Ich habe den Eindruck, es ändere sich nichts. Und die Namen an der Spitze bleiben dieselben: Spitzensport-Chef Felix Stingelin und sein Vorgänger Ruedi Hediger, der heute STV-Geschäftsführer ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich unter ihnen etwas ändert. Obwohl es das müsste.»