Auf einen Blick
- Sandro Widmer strebt 420 km/h Geschwindigkeitsrekord mit Nissan GT-R an
- Widmer ist GT-R-Experte, Kunden aus ganz Europa vertrauen ihm
- Neuer Rennwagen mit 3000 bis 4000 PS kostet rund 600'000 Franken
Die Beschleunigung ist atemberaubend – wortwörtlich! Geschätzt drei Sekunden braucht der Nissan GT-R mit 2500 PS für den Sprint von 100 auf 200 km/h auf der deutschen Autobahn. Am Steuer: Sandro Widmer (40) aus Schaffhausen. Er will 2025 den Tempo-Weltrekord über die halbe Meile (rund 800 Meter) brechen. Neben Widmer auf dem Beifahrersitz sitzt der Blick-Reporter. Die G-Kräfte pressen dessen Körper unerbittlich in den Hartschalensitz. Die Nackenmuskulatur kommt nicht dagegen an, der Kopf wird in die Stütze geschleudert, das Gesicht verzieht sich zur Fratze. Atmen ist kaum möglich, ausser in den wenigen Sekundenbruchteilen, in denen der Motor zwischen den Gängen wechselt.
Als die drei Sekunden vorbei sind, wird der Körper von Dopamin durchströmt. Ein Mix aus Begeisterung, Erleichterung und purer Freude verbreitet sich. So muss sich ein Raketenstart anfühlen! «Und jetzt stell dir vor, das Ganze ginge weiter bis 421 km/h», sagt Widmer nebenan im Fahrersitz mit jovialem Lächeln. Es wäre ein neuer Weltrekord. Dieser liegt aktuell bei 420 km/h.
Erster Europäer über 400 km/h
Sein allererstes Ziel im neuen Jahr auf der Rennstrecke: «Die 400-km/h-Grenze knacken», erzählt Widmer. Es wäre Europarekord über die halbe Meile. «Damit wäre ich der erste Europäer überhaupt, der diese Grenze durchbricht. Rekorde werden immer wieder gebrochen, der erste über 400 km/h zu sein, bleibt aber für ewig», zeigt er sich ambitioniert. Danach soll auch der Weltrekord über 420 km/h fallen.
Neuer Rennwagen mit bis zu 4000 Pferdestärken
Dafür scheut Widmer weder Kosten noch Mühen. Das Problem: Sein 2500 PS GT-R, in dem Blick die Testfahrt gemacht hat, würde die bisherigen Rekorde nicht purzeln lassen. Die Lösung: Es muss ein stärkerer, reinrassiger Rennwagen her. Genau dieser wurde im Verlaufe des letzten Jahres gebaut und steht zurzeit bei «Street Performance», Widmers eigener Autogarage in Schaffhausen. Rund 600’000 Franken hat der Bau des Autos gekostet. Ein grosser Teil wurde über Sponsoren finanziert. Unter der Haube schlummern 3000 bis 4000 PS: «Genau kann man das nicht sagen, weil es keine verlässlichen Leistungsprüfstände dafür gibt, wobei die Leistung in den Sphären, in denen wir uns bewegen, ohnehin eine untergeordnete Rolle spielt», erklärt Widmer. Wichtiger sei es, diese auch auf die Strasse zu bringen: «Ohne Traktion bringt Leistung nichts.»
Auch der Verbrauch ist nicht von dieser Welt. Rund 19 Liter Kraftstoff schiessen bei einem Rennen über 800 Meter durch die Leitungen des künftigen Rekordautos. Der Verbrauch im 2500-PS-Testwagen, mit dem Blick unterwegs ist, ist zwar deutlich tiefer, der Kraftstoff bleibt aber derselbe: «Bioethanol!», schiebt Widmer hinterher, um allen Diskussionen um den Umweltschutz schon von vornherein einen Riegel zu schieben. Bioethanol wird aus Pflanzenabfällen gewonnen, die im Laufe ihres Lebens genau so viel CO₂ binden, wie sie bei der Verbrennung freisetzen, erzählt Widmer: «Ich bin aber kein Grüner. Der Kraftstoff ist einfach viel potenter als Benzin.» Es sei ein praktischer Nebeneffekt, dass das Auto damit quasi CO₂-neutral fahre. Die Abgase riechen passenderweise wie eine Schnapsbrennerei.
Vom schraubenden Teenager zum GT-R-Papst
Widmer ist so etwas wie der Nissan-GT-R-Papst der Schweiz. Kunden aus ganz Europa trauen ihm ihre beräderten Schätzchen an und karren diese ins beschauliche Schaffhausen, wenn sie ihre Motoren auf eine neue Ebene heben wollen.
Widmers Weg dorthin war schon früh vorgezeichnet. Direkt nach der Lehre als Automechaniker eröffnet der damals 17-Jährige seine erste, eigene Garage. Zunächst kämpft er um Akzeptanz. Kaum ein Erwachsener möchte sein Auto einem Teenager anvertrauen. Er aber bleibt zielstrebig, baut sich über die Jahre einen exzellenten Ruf auf und expandiert.
Optische Tunings interessieren Widmer nicht mehr. Bei ihm geht es nur um Leistung. Mittlerweile kann er sich seine Kundschaft selbst aussuchen. Vor der Garage stehen reihenweise Supersport-Wagen. Seine Leidenschaft gilt aber weiterhin dem Nissan GT-R: «Es ist einfach ein technisch grossartiges Auto mit viel verstecktem Potenzial.»
Die Weltrekordjagd ist eröffnet
Und so ein GT-R soll ihn 2025 zum Weltrekord tragen. Die Räder des neuen Wagens haben bisher noch keinen Asphalt berührt. Im Februar soll er erstmals auf dem Flugplatz Dübendorf getestet werden, die Vorfreude ist bei Widmer spürbar. Danach stehen im Frühling die ersten europäischen Rennen an, bevor es Mitte des Jahres nach Amerika geht. Das klare Ziel dort: Mindestens 421 Kilometer pro Stunde nach der halben Meile: «Das wäre ein Traum, der in Erfüllung geht! Und Weltrekord!»