Festival of Speed
So verrückt war die Motorsport-Party des Jahres

Wenn der Duke of Richmond in seinen Garten nach Goodwood (GB) einlädt, folgt alles, was in der Motorsport-Welt Rang und Namen hat. Auch Blick war am Riesenevent dabei und genoss die einzigartige Faszination.
Publiziert: 21.07.2024 um 06:03 Uhr
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Hauptsponsor des diesjährigen Goodwood-Festivals war die einst britische und jetzt chinesische Marke MG, ...
Foto: Zvg
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Denis FriedRedaktor Auto & Mobilität

Es ist schwierig, das Festival of Speed in Goodwood (GB) zu beschreiben, ohne die unzähligen Bilder und Videos zu verwenden, die man dort unweigerlich aufnimmt. Zu dynamisch und lebendig ist die grösste Motorsport-Party des Jahres. Ob Vorkriegs-, Nascar-, Rallye- oder Formel-1-Autos: Hier findet sich alles, was bewegt. Und während klassische Automessen wie kürzlich der Genfer Autosalon dahinsterben, werden auch Festivals wie Goodwood immer wichtiger für Neuerscheinungen. Die Stände vieler Hersteller verwandeln denn auch grosse Teile des Geländes kurzerhand zu einer Auto-Ausstellung, obwohl hier mehr alt als neu zu sehen ist. 

Das Goodwood House, das alljährlich zum Motorsport-Mekka wird, ist in Besitz von Charles Henry Gordon-Lennox, dem Duke of Richmond (69). Selbst ein grosser Fan und Förderer veranstaltet er seit 1993 das Festival of Speed. Über die Jahre wurde es nicht nur grösser, sondern auch international bedeutender: Goodwood ist längst ein Pflichttermin für jeden, der in der Motorsport-Welt Rang und Namen hat.

MG im Mittelpunkt

Wer jetzt denkt, dass man sich für den Besuch elegant kleiden muss, kann beruhigt sein. Auch hier ist man in der Moderne angekommen und trifft mehr Turn- als Lederschuh. Das Festival hat sich zu einem wahren Volksfest entwickelt, über 200'000 Besucher waren es im letzten Jahr. Die Massen machen sich schnell bemerkbar, als wir auf dem Gelände ankommen.

Alleine vor dem Goodwood House tummeln sich Unmengen an begeisterten Fans. Und das nicht ohne Grund. Denn vor dem wunderschönen Anwesen ist traditionell eine riesige Skulptur aufgestellt, das Central Feature. In diesem Jahr durfte Hauptsponsor MG den prominenten Platz einnehmen. Die einst britische und heute chinesische Automarke feiert ihr 100-jähriges Jubiläum und die Skulptur soll die Entwicklung des Unternehmens in dieser Zeit hervorheben: Auf ihr wird ein klassischer MG B seinem spirituellen Nachfolger Cyberster gegenübergestellt. 

Traditioneller Hillclimb

Auch wenn es die Autohersteller gerne anders hätten: Ihre Messestände werden schnell zur Nebensache, wenn in der Ferne Motoren erklingen. Die Veranstaltung heisst nicht ohne Grund Festival of Speed und Geschwindigkeit wird genügend geliefert. Allem voran beim geschichtsträchtigen Hillclimb. Die 1,86 Kilometer lange Strecke ist die Hauptschlagader des Festivals und zieht sich mitten durchs Privatgelände des Duke of Richmond. Die Sicherheitsvorkehrungen sind zwar genauso traditionell wie der Anlass selbst – lediglich einige Heuballen trennen die Zuschauer von der Rennstrecke – Angst scheint hier aber niemand zu haben.

Beim sogenannten Shootout kämpfen die waghalsigsten Piloten um die Bestzeit am Hügel. Der diesjährige Sieger des Hillclimb, der Supervan von Ford, fuhr sich bereits mit seiner ersten Fahrt in die Herzen der Fans. Richtig gelesen, auf dem obersten Treppchen findet sich ein Van, genauer ein umgebauter Ford Transit! Über 2000 PS (1471 kW) liefern drei Elektromotoren an die Reifen und mithilfe riesiger Front- und Heckspoiler generiert der Van zudem massiven Abtrieb. Die kurvige Strecke kann er so mit einem Durchschnittstempo von 152 km/h absolvieren. Mehr als genug, um alle Mitstreiter hinter sich zu lassen.

Klare Sympathien

Wenn gerade keine Elektro- und PS-Monster über die Strecke donnern, wird sie zum roten Teppich für die Autohersteller. Dort erhaschen wir bereits einen Blick auf den neuen Porsche 911, BMW M5 und Alpine A290, die in naher Zukunft ihren Marktstart haben. So richtig interessiert sind die Zuschauer da aber nicht und wenden sich auf und neben den Tribünen lieber ihren Champagnergläsern und Bierdosen zu. 

Die Sympathien sind am Goodwood-Wochenende klar verteilt. Denn wenig später schauen plötzlich alle wieder wie gebannt auf die Strecke. Grund dafür ist Ferrari-Nachwuchstalent Oliver Bearman (19), der in einem F1-Boliden der Italiener über die Strecke donnert. Zur Show und grossen Freude des Publikums bringt er noch kurz vor den Tribünen mit einigen Burnouts die Reifen zum Qualmen. Die Reaktionen der Fans sind eindeutig, sie wollen mehr. Wir wären unterdessen aber auch froh um ein bisschen Wind und frische Luft.

Das kann der stärkste Land Rover Defender

In Goodwood klirrten die Champagnergläser, aber uns zog es in den Matsch – zur ersten Mitfahrt im neuen Land Rover Defender Octa. Sein V8-Benziner liefert dank zwei Turboladern 635 PS (467 kW) – so stark war noch keine Version der Offroad-Legende. Die Gelände-Talente hat der Über-Defender nicht eingebüsst, aber Spurtqualitäten hinzugewonnen. Im Sport-Modus schiesst das XL-SUV per Launch-Control geradezu über Geröll- und Matschpisten. Eindrücklich, aber braucht man das? Wohl nur, wenn man bei der Rallye Dakar oder an einem der mexikanischen Offroad-Rennen an den Start gehen will.

David Shepherd,

In Goodwood klirrten die Champagnergläser, aber uns zog es in den Matsch – zur ersten Mitfahrt im neuen Land Rover Defender Octa. Sein V8-Benziner liefert dank zwei Turboladern 635 PS (467 kW) – so stark war noch keine Version der Offroad-Legende. Die Gelände-Talente hat der Über-Defender nicht eingebüsst, aber Spurtqualitäten hinzugewonnen. Im Sport-Modus schiesst das XL-SUV per Launch-Control geradezu über Geröll- und Matschpisten. Eindrücklich, aber braucht man das? Wohl nur, wenn man bei der Rallye Dakar oder an einem der mexikanischen Offroad-Rennen an den Start gehen will.

Legenden hautnah

Nach dem Spektakel auf der Strecke begeben wir uns in den wohl interessantesten Teil des Festivals, den Paddock. Hier können die Klassiker hautnah erlebt werden, bevor sie zu ihren Hillclimb-Fahrten starten. Dort angekommen werden wir jedoch plötzlich von Marshalls angewiesen, zur Seite zu stehen. Wir haben Glück. Soeben kommen einige Fahrzeuge von der Strecke zurück. Unglaublich, was hier nur wenige Meter vor uns vorbeifährt: ein Plymouth Superbird, McLaren MP4/1B, Audi Sport Quattro S1 und Lancia Delta S4. Wenig später erkennen wir nicht nur einen legendären Rennwagen, sondern auch seinen Fahrer. Kein Geringerer als Jacky Ickx (79) bahnt sich mit seinem Porsche 936 den Weg durch die Publikumsmassen. 

Und es sind nicht nur die Legenden von früher präsent, sondern auch die aktuellen Helden des Motorsports. Im Rahmen des 20-jährigen Jubiläums von Red Bull Racing fand selbst F1-Weltmeister Max Verstappen (26) den Weg nach Goodwood. Nebst den Show-Fahrten mit Sergio Perez (34) und Daniel Ricciardo (35), stand bei Red Bull aber auch deren erstes Hypercar im Mittelpunkt. Der RB17 ist zugleich das Abschiedsgeschenk von Stardesigner Adrian Newey – der 65-Jährige wird Red Bull verlassen und voraussichtlich zu Aston Martin wechseln. In Aktion sah man das Hypercar heuer noch nicht. Doch wir vermuten, dass spätestens in einem Jahr auch der RB17 beim traditionellen Hillclimb in Goodwood antreten wird.

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