Pokert der Bundesrat erneut zu hoch? Bei der Volksinitiative für eine 13. AHV-Rente unterschätzte er die Stimmungslage in der Bevölkerung und verzichtete auf einen Gegenvorschlag. Das Stimmvolk hiess die «Dreizehnte» mit satten 58 Prozent Ja-Anteil gut.
Ein Szenario, das sich bei der AHV-Initiative der Mitte wiederholen könnte. Die Partei von Gerhard Pfister (61) will die Heiratsstrafe bei der AHV streichen. Das Problem: Ehepaare erhalten heute maximal 150 Prozent einer Altersrente – also höchstens 3675 Franken monatlich. Konkubinatspaare hingegen bekommen zwei separate Einzelrenten, zusammen also maximal 4900 Franken.
Aus Sicht der Mitte eine Diskriminierung, welche abgeschafft gehört. «Wer heiraten will, soll heiraten können – ohne Nachteile», sagt Pfister zu Blick. «Es ist schwer zu begründen, weshalb diese Ungerechtigkeit weiterbestehen soll.» Nach dem deutlichen Ja zur 13. AHV-Rente verwundert ihn, dass der Bundesrat auf einen Gegenvorschlag verzichtet. Er rechnet der Initiative gute Chancen aus.
Baume-Schneider wollte 170-Prozent-Deckel
Damit steht er nicht alleine. Das Innendepartement von Elisabeth Baume-Schneider (60) fürchtet eine Pleite an der Urne. «Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass die Initiative vom Volk angenommen wird», heisst es in verwaltungsinternen Dokumenten, die Blick gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz vorliegen.
Die Initiative spreche ein wichtiges Problem an, bei welchem der Handlungsbedarf kaum bestritten werden könne. «Es wäre sehr riskant, keinen Gegenvorschlag zu stellen», warnten Baume-Schneiders Beamte im Bundesamt für Sozialversicherungen.
Daher wollte die SP-Bundesrätin der Mitte-Initiative einen indirekten Gegenvorschlag entgegenstellen. Der Ehepaar-Plafond sollte auf 170 Prozent steigen.
Vorteile nehmen ab
Dabei liess sich Baume-Schneider von zwei Überlegungen leiten. Den Ehepaar-Plafonds erachtet sie grundsätzlich als «überholt», wie es im Aussprachepapier-Entwurf heisst. Gedeckelt werden die Renten aktuell bereits, wenn ein Ehepaar gemeinsam mehr als 88'200 Franken jährlich verdient hat. So erhielten letztes Jahr 374'000 von 422'000 Ehepaaren eine gedeckelte Rente – also fast 90 Prozent.
In der Bevölkerung werde der Plafond kaum verstanden und als ungerecht empfunden, heisst es im Papier. Kommt hinzu, dass die bisherigen Vorteile für Verheiratete abnehmen würden – etwa wegen der zunehmenden Erwerbstätigkeit von Frauen oder dem geplanten Abbau der Witwenrente. Die bisherige bundesrätliche Argumentation, wonach Verheiratete im Vergleich zu Unverheirateten besser geschützt seien und daher nicht von einer Ungleichbehandlung gesprochen werden könne, sei «nicht mehr zutreffend».
Nur 2,4 statt 3,7 Milliarden
Doch aus finanzpolitischen Überlegungen sollte der Deckel nicht gleich ganz fallen. Während die Mitte-Initiative im Jahr 2030 über 3,7 Milliarden Franken kosten würde, wären es mit dem höheren Plafond nur 2,4 Milliarden Franken. Tiefere und mittlere Einkommen, die gemeinsam bis zu 120'000 Franken verdient haben, dürften sich damit auf eine höhere Rente freuen. Für darüberliegende Einkommen sei eine bessere Rente «weder notwendig noch mit den finanziellen Zielen vereinbar».
Zur Finanzierung stellte Baume-Schneider höhere Lohnbeiträge von 0,3 Prozentpunkten oder eine Kombilösung aus Lohnbeiträgen und Mehrwertsteuer zur Debatte. Ein weiterer Vorschlag: Als mögliche Alternative zum Plafonds könne auch eine zivilstandsunabhängige AHV-Rente für Neurentner avisiert werden.
SVP-Bundesräte gegen Gegenvorschlag
Im Bundesrat lief Baume-Schneider aber auf. Die Mehrheit will von einem Gegenvorschlag nichts wissen. Obwohl auch die SVP die AHV-Heiratsstrafe kippen möchte, machten ausgerechnet die beiden SVP-Bundesräte schon in der Ämterkonsultation klar, dass sie für einen Gegenvorschlag nicht zu haben sind.
Die Finanzierung der 13. AHV-Rente sei noch nicht mal geklärt, da werde bereits die nächste Beitragserhöhung diskutiert, monierte das Departement von Bundesrat Albert Rösti (57). Dabei habe die deutliche Ablehnung der Prämien-Initiative gezeigt, dass die Bevölkerung nicht bereit sei, weitere Vorlagen gutzuheissen, «deren Finanzierung nicht geklärt sind und welche die Kaufkraft der jüngeren, arbeitenden Bevölkerung schwächen».
Gegenvorschlag aus dem Parlament?
Der Bundesrat wagt das Vabanque-Spiel. Bis im März 2025 muss Baume-Schneider nun die Botschaft zur Initiative vorlegen. Offen bleibt, ob das Parlament ebenfalls pokern will oder selber einen Gegenvorschlag zimmert. Die SVP will den Plafond kippen. Und auch bei der Linken geniesst ein weiterer AHV-Ausbau Sympathien.
Die Mitte dürfte aber so oder so All-in gehen. Erst recht, nachdem Baume-Schneider mit ihrer Analyse zusätzliche Munition geliefert hat. «Ein Rückzug der Initiative ist unwahrscheinlich», so Pfister. «Unsere Initiative ist bei Volk und Ständen mehrheitsfähig.»