«Ausgangslage hat sich nicht verändert»
Wirtschaftschefs reden AHV-Rechenpanne klein

Weil der Bund die Zukunft des Vorsorgewerks zu negativ prognostiziert hat, will die Linke die Frauenrentenalter-Abstimmung wiederholen. Die wichtigsten Wirtschaftsverbände dagegen relativieren die 4-Milliarden-Korrektur – und nehmen die Beamten in Schutz.
Publiziert: 11.08.2024 um 09:09 Uhr
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Aktualisiert: 11.08.2024 um 10:13 Uhr
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Stéphane Rossini (l.), Direktor des Bundesamts für Sozialversicherungen, und sein Stellvertreter Bruno Parnisari mussten diese Woche verkünden, dass sie die Finanzperspektiven der AHV jahrelang zu negativ dargestellt hatten.
Foto: keystone-sda.ch
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Thomas SchlittlerWirtschaftsredaktor

4'000'000'000 Franken. So viel tiefer dürften die AHV-Ausgaben 2033 ausfallen als bisher angenommen. Stéphane Rossini (61), Direktor des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV), musste diese Woche einräumen, dass seine Behörde die Finanzperspektiven des Vorsorgewerks jahrelang zu negativ dargestellt hatte.

Innenministerin Elisabeth Baume-Schneider (60) hat wegen der Rechenpanne eine Administrativuntersuchung eingeleitet. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund, die Grünen und die SP Frauen stellen derweil die Abstimmung von 2022 über die Erhöhung des Frauenrentenalters von 64 auf 65 Jahre infrage. Mittlerweile wurden mehrere Beschwerden eingereicht, mit dem Ziel, die Abstimmung zu wiederholen.

Die Linke ist der Überzeugung, dass die falschen Prognosen ausschlaggebend waren dafür, dass die Bevölkerung der Erhöhung des Frauenrentenalters zugestimmt hatte – zumal das Ja mit 50,5 Prozent hauchdünn ausgefallen war.

Economiesuisse relativiert Verbesserung

Wirtschaftsvertreter sehen das anders. Ihrer Ansicht nach gibt es keinen Grund für eine Wiederholung der Abstimmung über die «AHV 21». «Die Ausgangslage hat sich nicht grundsätzlich verändert», sagt Monika Rühl (61), Direktorin von Economiesuisse, auf Anfrage von Blick.

Es bleibe dabei, dass die AHV ein Finanzierungsproblem habe, das Umlageergebnis in einigen Jahren negativ sein werde und die Schweiz bis Ende 2026 eine Reform brauche. Rühl: «Die demografische Entwicklung ist so eindeutig, dass sich die politische Debatte wegen des Rechenfehlers nicht verändern wird.»

Eine Verbesserung von 4 Milliarden Franken klinge nach viel. Angesichts der erwarteten Ausgaben von rund 60 Milliarden werde diese Zahl aber stark relativiert. «Die angepassten Zahlen verändern die Welt der AHV nicht», hält Rühl fest.

Die Wirtschaftsfrau nimmt die Beamten gar in Schutz: «Der AHV-Rechenfehler ist sehr bedauerlich. Wir sollten dem BSV deswegen aber keinen Strick drehen.» Fehler könnten überall passieren.

Arbeitgeber fordern «korrekt aufgearbeitete» Zahlen

Roland A. Müller (61), Direktor des Arbeitgeberverbands, will von einer Abstimmungswiederholung ebenfalls nichts wissen: «Die AHV 21 ist fürs System und die Bürgerinnen und Bürger ein Gewinn», sagt er.

Der Druck, sofort Gegenfinanzierungsmassnahmen zu ergreifen, nehme angesichts der neuen Zahlen zwar etwas ab. Am grossen Bild ändere sich aber wenig. Müller: «Die AHV hat ein strukturelles Problem und bedarf grundlegender Reformen, um die Finanzierung längerfristig zu stabilisieren.»

Zuerst müssten nun aber die korrekt aufgearbeiteten Zahlen des BSV vorliegen, um über die Umsetzung und die Finanzierung weiter diskutieren zu können.

Gewerbe kritisiert «Schnellschussverfahren»

Auch Urs Furrer (51), Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV) fordert, dass das BSV jetzt seine «Hausaufgaben» mache und – auf Basis geprüfter Daten – die nötige Strukturreform vorlege.

Aktuell ist das Gewerbe nicht glücklich mit dem Vorgehen der Behörde. Furrer: «Leider beharrt das BSV auf seinem überstürzten Plan, im Schnellschussverfahren KMU und Angestellte mit höheren Lohnabzügen zu belasten.»

Das lehne der SGV entschieden ab. Die Finanzierung der 13. Rente müsse im Rahmen einer «sorgfältigen und umfassenden Reform» gelöst werden.

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