Kantone müssen sich in Bern erklären
Kriegsspiele in der Schule – jetzt reagiert die Politik

Nach der umstrittenen Theateraufführung in Uttwil TG müssen die Kantone darlegen, wie sie Propaganda im Schulzimmer verhindern wollen.
Publiziert: 08.05.2018 um 12:37 Uhr
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Aktualisiert: 18.09.2018 um 09:27 Uhr
Cinzia Venafro, Andrea Willimann, Sermîn Faki

Dass die türkische Botschaft im Unterricht der heimatlichen Sprache und Kultur – kurz HSK – nationalistische Propaganda macht, hat nun politische Folgen: Die Erziehungsdirektoren der für die Kurse zuständigen Kantone sollen darlegen, wie sie das Problem angehen wollen.

Das fordert die Bildungskommission des Nationalrats, wie Kommissionspräsidentin Christine Bulliard-Marbach (58) gegenüber BLICK bestätigt. Die Freiburger CVP-Politikerin verweist zwar darauf, dass die Kantone für die Belange der Volksschule zuständig seien und der Bund nicht dreinreden wolle. Doch die Kommission möchte sich an ihrer kommenden Sitzung Ende Mai darüber informieren lassen, welche Massnahmen die Erziehungsdirektoren einleiten wollen.

Auch Erziehungsdirektoren handeln

Dass Handlungsbedarf besteht, weiss auch die Zürcher Regierungsrätin Silvia Steiner (60), Präsidentin der Konferenz der Erziehungsdirektoren (EDK). «Die EDK wird den aktuellen Fall zum Anlass nehmen, den HSK-Unterricht zu diskutieren», sagt sie gegenüber BLICK.

Silvia Steiner, Präsidentin der Konferenz der Erziehungsdirektoren, will auf den aktuellen Fall reagieren.
Foto: KEYSTONE/ANTHONY ANEX

Die CVP-Regierungsrätin stellt klar, dass die Kurse religiös und politisch neutral sein müssen. Just bei der Überprüfung dieser Neutralität hapert es jedoch. Denn jeder Kanton entscheidet selbst, ob und wie die Kurse kontrolliert werden.

Einheitliche Regeln fehlen

In Zürich werden Kursinhalte und Lehrer alle drei Jahre unter die Lupe genommen. Im Kanton St. Gallen, wo die Theateraufführung von Uttwil TG einstudiert worden sein soll, führt keinerlei Kontrollen durch. Dies, weil es keine gesetzliche Grundlage gebe, wie Erziehungsdirektor Stefan Kölliker (47, SVP) zu BLICK sagt.

Christine Bulliard-Marbach, Kommissionspräsidentin der Bildungskommission des Nationalrats, will Antworten von den Kantonen.
Foto: Si

«Die Kantone regeln die Aufsicht über die HSK-Kurse autonom», bestätigt Steiner. Aber: «Als Austauschgremium übernimmt die EDK eine wichtige Funktion. So können die Kantone diese Frage gemeinsam bearbeiten und von den gegenseitigen Erfahrungen profitieren.»

«Wir haben etwas gelernt»

Dass die Kantone für Propaganda im Schulzimmer nicht stärker sensibilisiert sind, erstaunt. Denn schon vor Jahren sorgte der tamilische HSK-Unterricht für Aufregung, weil dort für die Tamil Tigers geworben wurde. Hat man nichts daraus gelernt? «Natürlich hat man etwas daraus gelernt», widerspricht Steiner. Das heisse aber nicht, dass es nie mehr Probleme geben könne.

Dass die Kantone selbst den HSK-Unterricht durchführen, wie von Experten gefordert, lehnt Steiner jedoch ab. «HSK-Kurse sind ein freiwilliges Angebot für Schülerinnen und Schüler mit einer anderen Muttersprache als der lokalen Schulsprache. Diese Kurse finden ergänzend zum Unterricht der Volksschule statt. Und das ist auch gut so.»

Auch Schweizer Kinder haben Heimatkunde

Mit knapp 30 000 Franken hat das Bundesamt für Kultur im Jahr 2016 Heimat­liche Sprache und Kultur (HSK) für Schweizer Kinder im Ausland gefördert. Diese werden dort angeboten, wo es weder eine Schweizerschule hat noch eine internationale Schule, an der die Schweiz eigene Lehrkräfte stellt.

Konkret wurden die HSK-Kurse 2016 in Argentinien und Hongkong angeboten, 157 Schweizer Kinder nahmen daran teil. «In diesen Kursen wird den Schülern die Schweizer Kultur nähergebracht», sagt Fiona Wigger vom zuständigen Bundesamt für Kultur.
Die Kinder würden dort Schweizerdeutsch sprechen und etwas über die hiesigen Traditionen erfahren – die jüngeren über Globi-Bücher, die ­älteren beim Zubereiten von Rösti und Fondue.

 
«Natürlich sind auch Schweizer Geschichte und unsere Legenden wie Wilhelm Tell Thema», so Wigger auf Nachfrage, ob die Kinder ähnlich wie die Türken hierzulande auch Nationalmythen beschwören würden. «Ob das auch in Theateraufführungen aufgearbeitet wird, entzieht sich unserer Kenntnis.»


Eine Parallele gibt es: Hier in der Schweiz ­organisiert die türkische Botschaft die Kurse. Und genauso macht es die Schweiz im Ausland. Zwar würden Schweizer Heimatkurse in Hongkong und Argentinien von Elternvereinen organisiert.
Doch die Schweiz unterstützt die Kurse ­finanziell und überwacht diese auch: «Die Lerninhalte werden in enger Absprache mit der ­Botschaft und auch unter deren Kontrolle fest­gelegt», so Wigger. Sermîn Faki

Mit knapp 30 000 Franken hat das Bundesamt für Kultur im Jahr 2016 Heimat­liche Sprache und Kultur (HSK) für Schweizer Kinder im Ausland gefördert. Diese werden dort angeboten, wo es weder eine Schweizerschule hat noch eine internationale Schule, an der die Schweiz eigene Lehrkräfte stellt.

Konkret wurden die HSK-Kurse 2016 in Argentinien und Hongkong angeboten, 157 Schweizer Kinder nahmen daran teil. «In diesen Kursen wird den Schülern die Schweizer Kultur nähergebracht», sagt Fiona Wigger vom zuständigen Bundesamt für Kultur.
Die Kinder würden dort Schweizerdeutsch sprechen und etwas über die hiesigen Traditionen erfahren – die jüngeren über Globi-Bücher, die ­älteren beim Zubereiten von Rösti und Fondue.

 
«Natürlich sind auch Schweizer Geschichte und unsere Legenden wie Wilhelm Tell Thema», so Wigger auf Nachfrage, ob die Kinder ähnlich wie die Türken hierzulande auch Nationalmythen beschwören würden. «Ob das auch in Theateraufführungen aufgearbeitet wird, entzieht sich unserer Kenntnis.»


Eine Parallele gibt es: Hier in der Schweiz ­organisiert die türkische Botschaft die Kurse. Und genauso macht es die Schweiz im Ausland. Zwar würden Schweizer Heimatkurse in Hongkong und Argentinien von Elternvereinen organisiert.
Doch die Schweiz unterstützt die Kurse ­finanziell und überwacht diese auch: «Die Lerninhalte werden in enger Absprache mit der ­Botschaft und auch unter deren Kontrolle fest­gelegt», so Wigger. Sermîn Faki

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