Das sagt der Lehrerverband zum Propaganda-Kriegsspiel
«Das ist pädagogisch sicher nicht besonders sinnvoll»

Das Propaganda-Kriegsspiel im Rahmen des türkischen Heimatkunde-Unterrichts (HSK) sorgt bei Politikern für Empörung. Auch die Zentralsekretärin des Lehrer-Dachverbands LCH, Franziska Peterhans (59), zeigt sich im BLICK-Interview wenig begeistert.
Publiziert: 07.05.2018 um 15:42 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 18:26 Uhr
Ruedi Studer

BLICK: Frau Peterhans, was halten Sie von Kriegsspielen im Rahmen des Heimatkunde-Unterrichts?
Franziska Peterhans: Kriegsspiele sind wohl wenig sinnvoll – egal in welchem Rahmen. Wir haben für die öffentliche Schule einen Lehrplan, in dem wir uns bewegen. Da gehören solche Aufführungen sicher nicht dazu. Ich möchte aber betonen: Dieses Theaterstück fand innerhalb der HSK-Kurse statt. Das hat mit der öffentlichen Schule und ihren Lehrpersonen nichts zu tun! 

Es gibt insofern Überschneidungen, dass die HSK-Kurse teilweise in den Räumlichkeiten der öffentlichen Schulen durchgeführt werden.
Dass für HSK-Kurse Räumlichkeiten zu Verfügung gestellt werden, ist eine Empfehlung der Erziehungsdirektoren-Konferenz.

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Christoph Ramm ist Türkei-Historiker am Institut für Islamwissenschaft an der Universität Bern. Er zeigt auf, wie Erdogan die offizielle Erinnerungskultur zu Gallipoli forciert.
Foto: ZVG

Ist das ein Fehler?
Nein. Im Grunde sind die HSK-Kurse ja eine gute Sache. Die Kinder pflegen ihre Wurzeln und ihre Muttersprache. Wer seine Muttersprache gut beherrscht, lernt auch besser Deutsch und andere Sprachen. Die HSK-Kurse sind durchaus wertvoll, wenn diese nicht für andere Zwecke missbraucht werden. Es handelt sich übrigens um Kurse auf freiwilliger Basis, die durch verschiedene staatliche und nicht-staatliche Trägerschaften – zum Beispiel Botschaften, Vereine und Hilfswerke – getragen werden.

Braucht es eine stärkere Kontrolle, was in den HSK-Kursen unterrichtet wird?
Ob die Begleitung und Kontrolle dieser Kurse durch die Behörden genügt, muss die Politik entscheiden. In heiklen politischen Situationen muss man sicher hinschauen, ohne gleich zum Zensurstift zu greifen. Wenn man aber Tendenzen sieht, die in eine falsche Richtung laufen – etwa Richtung Radikalisierung –, dann muss das schon heute der Nachrichtendienst im Griff haben. 

Zurück zum Kriegsspiel: Was passiert mit jungen Kindern, die dazu gezwungen werden?
Wenn man Kindern zuschaut, dann nehmen die vielleicht auch mal eine Spielpistole in die Hand. Kinder bekommen auch etwa über das Fernsehen mit, dass es Kriege und Konflikte gibt, sehen entsprechende Bilder und ahmen das nach. Davon lassen sich Kinder nicht vollständig abschirmen. Dass Kinder eine Schlacht nachspielen müssen, ist pädagogisch sicher nicht besonders sinnvoll. Egal in welchem Land und egal in welchem Alter.

Dann müssen wir künftig an der Schule auch auf Wilhelm-Tell-Spiele verzichten?
Es gilt zu unterscheiden zwischen der Aufführung eines literarischen Werks und einem «Kriegsspiel». Das Thema Krieg wird in zahlreichen Theaterstücken behandelt.

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