Im Jahr 1864 ist Elisabeth (1837–1898) seit zehn Jahren Kaiserin von Österreich. Sie ist wohl die bekannteste Monarchin in ganz Europa und gilt als Vorbild für die europäische Aristokratie, aber auch für viele Teile der Bevölkerung. Was Sisi tut, verbreitet sich augenblicklich durch die Medien. Modern formuliert: Sie ist eine der renommiertesten Influencerinnen ihrer Zeit.
Deshalb ist es bedeutend, dass sich die Monarchin in der Nähe ihrer majestätischen Hofburg in Wien ins grosszügige Fotostudio von Ludwig Angerer (1827–1879) an der Theresianumgasse begibt, einem angesagten Künstler jener Zeit. Sisi willigt ein, gleich für eine ganze Bildserie zur Verfügung zu stehen, obwohl sie zeitlebens sehr kritisch der Fotografie gegenüber eingestellt war, gerade wenn es um die Darstellung ihrer selbst ging. Angerer, der erste Hoffotograf der Habsburger, macht sich mit grossem Engagement an die Arbeit, er weiss um die Exklusivität der Situation – er ist allein mit der Kaiserin im Studio!
Österreichs Kult-Kaiserin Elisabeth (1837–1898) war der Schweiz eng verbunden. Wie eng, zeigt Michael van Orsouw in der grossen Blick-Serie. Der Zuger Historiker, Autor und Aristokratie-Kenner («Blaues Blut», «Luise und Leopold») hat darüber sein neues Buch geschrieben, «Sisis Zuflucht» ist soeben im Verlag Hier und Jetzt erschienen (224 Seiten, gebunden).
Blick-Leserinnen und -Leser erhalten es zum Spezialpreis von 30 (statt 36) Franken. Bestellung mit Rabattcode «Blick-Sisi» an admin@hierundjetzt.ch oder Telefon 043 243 30 73
Österreichs Kult-Kaiserin Elisabeth (1837–1898) war der Schweiz eng verbunden. Wie eng, zeigt Michael van Orsouw in der grossen Blick-Serie. Der Zuger Historiker, Autor und Aristokratie-Kenner («Blaues Blut», «Luise und Leopold») hat darüber sein neues Buch geschrieben, «Sisis Zuflucht» ist soeben im Verlag Hier und Jetzt erschienen (224 Seiten, gebunden).
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Angerer fertigt kunstvolle Aufnahmen von Sisi an: Elisabeth ist mit einem Hund zu sehen, der auf einem Tischchen mit barock geschwungenen Beinen sitzt. Oder vor einem Stuhl mit gestreiftem Sitzpolster und gedrechselter Rückenlehne. Oder vor einem Tisch mit Intarsien auf der Seite. Dazu blickt sie selbstbewusst und ohne zu lächeln zum Hund, knapp an der Kamera vorbei.
Österreichs Kaiserin mit Schweizer Bluse
Doch das wirklich Bemerkenswerte an dieser Fotoserie ist die schweizerische Färbung des kaiserlichen Outfits. Elisabeth von Österreich trägt, so die offizielle Beschreibung, «Schweizer Bluse, Berner Gürtel und schwarzen Rock». Um sich also in der Öffentlichkeit vorteilhaft zu präsentieren, zeigt sich die sehr wirkungsbewusste Kaiserin in einer Garderobe mit weitgehend schweizerischer Herkunft. Dabei ist Sisi zu diesem Zeitpunkt noch gar nie in der Schweiz gewesen!
Warum denn diese Schweizer Kleider? Der «schwarze Rock» mit seinen schräg fallenden Mustern ist nicht aussergewöhnlich; solch imposant ausladende Röcke sind damals in adeligen Kreisen weit verbreitet. Spezifischer wird es bei den charakteristisch schweizerischen Kleidungsstücken, der Bluse und dem Gürtel, die Sisi für die Fotostrecke ausgewählt hat.
Die «Schweizer Bluse» folgt eindeutig dem hiesigen Stil. Insbesondere die voluminösen Ärmel erinnern an die Schnitte von Schweizer Trachtenblusen; dass diese vor allem im Bereich der Oberarme sehr weit gehalten sind, wirkt für die damalige städtische Mode ungewohnt, kommt aber bei Trachten in ländlichen Gebieten vor. Ebenso den Trachten nachempfunden scheint die Zweifarbigkeit. Typisch für die Garderobe einer Adligen ist nämlich zu dieser Zeit, dass Rock und Oberteil aus dem gleichen farbigen Stoff gestaltet sind, um miteinander als Ensemble zu wirken. Die dunklen Bänder, die lose auf Sisis Bluse geheftet sind, durchbrechen das Weiss auf effektvolle, dekorative Weise.
Sisi und der Berner Gürtel
Damit kommen wir zum «Berner Gürtel», dem optischen Mittelpunkt der kaiserlichen Kleidung. Dies ist kein gewöhnlicher Gürtel, sondern ein schmales, leicht versteiftes Mieder, das gut sichtbar über der Kleidung festgemacht wird. Es verbindet dank seiner Breite das Ober- und das Unterteil. Den Namen «Berner Gürtel» dürfte dieses Kleidungsteil von der Spitze an der unteren Kante haben, die auch der Berner Tracht eigen ist. Im angelsächsischen Raum bürgern sich für dieses Kleidungsaccessoire die Begriffe «Swiss waist», «Swiss belt» oder «Swiss waist belts» ein. Es soll in den 1860er-Jahren bei Royals ebenso grosse Verbreitung gefunden haben wie bei bürgerlichen Frauen.
Aber warum diese Popularität für den «Berner Gürtel»? Um 1860 gilt die Schweiz in Europa als wohlbehaltener Ort, wo Natur und Menschen noch urtümlich und ursprünglich sind. In dieser Perspektive werden Schweizer Kleidungsbestandteile wie Bluse und Gürtel mit diesen Missionen aufgeladen. Sie gelten als Botschafter des idyllischen, idealisierten Lebens.
Hinzu kommt, dass die Fotos von Sisi in den Schweizer Kleidungsstücken geradezu ikonischen Charakter erhalten und grossen Absatz finden. Das zeigt, dass diese Bilder nicht nur für private Zwecke hergestellt werden, sondern als Inszenierungen für die breite Öffentlichkeit. Man kann es so auf den Punkt bringen: Sisi war als Influencerin stilbildend und machte die Schweizer Mode weltberühmt.