Elisabeth von Österreich (1837–1898), die Bayerin, fühlt sich am kaiserlichen Hof in Wien nie richtig wohl. Um das Erlebte zu verarbeiten, dichtet sie und schreibt hämische Spottgedichte. Dabei ironisiert die Kaiserin gerne ihre Umgebung: Prinzregent Luitpold nennt sie «den heuchlerischen Alten», Schwiegertochter Stephanie bezeichnet sie als «ein mächtig Trampeltier», Tochter Gisela ist eine «rackerdürre Sau», eine bestimmte Grossherzogin hat «Krallen in der Tatze», ein gewisser Erzherzog gilt als «borstig alter Fuchs», eine weitere Verwandte ist eine «taube Taube», ihren Schwager Ludwig Victor nennt sie einen Affen, «boshaft wie kein andres Vieh», der Aussenminister ist «ein dickes Eslein» und so weiter.
Österreichs Kult-Kaiserin Elisabeth (1837–1898) war der Schweiz eng verbunden. Wie eng, zeigt Michael van Orsouw in der grossen Blick-Serie. Der Zuger Historiker, Autor und Aristokratie-Kenner («Blaues Blut», «Luise und Leopold») hat darüber sein neues Buch geschrieben, «Sisis Zuflucht» ist soeben im Verlag Hier und Jetzt erschienen (224 Seiten, gebunden).
Blick-Leserinnen und -Leser erhalten es zum Spezialpreis von 30 (statt 36) Franken. Bestellung mit Rabattcode «Blick-Sisi» an admin@hierundjetzt.ch oder Telefon 043 243 30 73
Österreichs Kult-Kaiserin Elisabeth (1837–1898) war der Schweiz eng verbunden. Wie eng, zeigt Michael van Orsouw in der grossen Blick-Serie. Der Zuger Historiker, Autor und Aristokratie-Kenner («Blaues Blut», «Luise und Leopold») hat darüber sein neues Buch geschrieben, «Sisis Zuflucht» ist soeben im Verlag Hier und Jetzt erschienen (224 Seiten, gebunden).
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Überhaupt hält sie vom ganzen Adel nicht viel, obwohl sie selbst dazu zählt, und dichtet zu ihrem Stand:
«Dicke, Dünne, Alte, Junge,
Jedes kommt jetzt an die Reih',
Unverschämt lügt jede Zunge:
‹Euch zu seh'n, wie ich mich freu'!›»
Ihre Lebenshaltung in späteren Jahren poetisiert sie so:
«Ich lass sie wütig kläffen
Und giftig nach mir spei'n:
Ich wieg' mich oben hoch im Blau,
Kaum, dass ich noch die Erde schau.»
Doch im Jahr 1890, nach dem jähen Selbstmord ihres Sohnes Rudolf, befindet sich Sisi in einer melancholischen Stimmung. Sie ordnet ihren Nachlass, immerhin 600 Seiten kommen zusammen. Dann versiegelt sie diese geradezu intimen Schriften. Sie vermacht die Gedichte und poetischen Tagebücher nicht irgendjemandem – sondern der Schweizerischen Eidgenossenschaft, vertreten durch den Bundespräsidenten in Bern.
Wie ist es zu erklären, dass Sisi nun diesen privaten Nachlass dem Schweizer Bundespräsidenten anvertraut? Warum nicht dem Kaiser und seinen Nachfolgern? Warum nicht einem der Wittelsbacher, deren Familie sie entstammt? Oder den Ungarn, deren Wildheit sie so sehr liebt? Oder den Griechen, bei denen sie auf der Insel Korfu eine Villa hat erbauen lassen?
Franz nannte ihre Poesie «Wolkenkraxeleien»
Dass Sisi ihre Gedichte der Eidgenossenschaft übergibt, kann man kaum hoch genug gewichten. Denn das bedeutet: Sie, die Kaiserin von Österreich und gebürtige Wittelsbacher Prinzessin, vertraut der Schweiz mehr als ihrer Herkunftsfamilie oder allen Institutionen der altehrwürdigen Habsburger Monarchie ihres Mannes. Vielleicht spürt sie auch den langsamen Zerfall des altehrwürdigen Adelshauses. Dazu kommt, dass Kaiser Franz Joseph nichts mit der Poesie seiner Ehefrau anfangen kann. Als sie ihm einmal ein Gedicht vorlas, sprach er verächtlich von «Wolkenkraxeleien». Das verletzte sie ungemein.
Sisi hat grosses Vertrauen in die Eidgenossenschaft, in mehreren Gedichten preist Elisabeth von Österreich die Schweiz als «Hort der Freiheit». In ihrem Vermächtnis an den «Herrn Presidenten der Schweizer Eidgenossenschaft, Bern» verfügt sie, dass ihre Gedichte «vom Jahre 1890 an in 60 Jahren» veröffentlicht werden sollen, «zum besten politisch Verurteilter u. deren hülfebedürftigen Angehörigen».
«Keine Freiheit auf unserem kleinen Sterne»
Das ist interessant, denn Sisi hat sich bisher wenig für politisch Verurteilte oder für Hilfsbedürftige eingesetzt. Sie begründet es so: «Denn in 60 Jahren so wenig wie heute werden Glück u. Frieden, das heisst Freiheit, auf unserem kleinen Sterne heimisch sein. Vielleicht auf einem anderen?»
Sisi sieht die Schweiz tatsächlich als letzten Hafen der Freiheit in einer Welt voller Unfreiheit an. Mehr noch: Die Kaiserin traut der Beständigkeit der Schweiz mehr als dem Fortbestand der Donaumonarchie. Sie sollte damit recht bekommen: Die Habsburger Monarchie brach mit dem Ende des Ersten Weltkriegs zusammen, die Schweiz dagegen besteht bekanntlich bis heute.