Selbst der grosse Polterer ist für einmal voll des Lobes. Der Neue sei teamfähig, höre zu und bewege etwas im Unternehmen. So schätzte der einst umstrittene Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking (70) kürzlich gegenüber dem Branchenblatt Automobilwoche den neuen VW-Boss ein. Seit 1. September amtiert Oliver Blume (54), Porsche-Chef und Hoffnungsträger, als CEO beim Volkswagen-Konzern. Er folgt auf Herbert Diess (63), der am 22. Juli vom Aufsichtsrat entlassen worden war.
Mit Blume übernimmt der Wunschkandidat der Familien Piëch und Porsche, die rund 53 Prozent der VW-Aktien halten – und die mit dem recht undiplomatisch agierenden Ex-BMW-Manager Diess nie richtig warm wurden. Porsche-CEO Blume hat in den letzten sieben Jahren den Stuttgarter Autobauer zu Absatz- und Umsatzrekorden geführt – selbst in der Corona-Krise. Er steuerte die traditionell Verbrenner-verliebte Marke um Richtung Elektromobilität, modernisierte die Produktion und ging Kooperationen mit zahllosen IT- und Tech-Start-ups ein. Schlagzeilen machte vor allem sein Joint-Venture mit dem kroatischen Elektro-Pionier Mate Rimac (34), mit dem sich Porsche Einfluss bei der Highend-Marke Bugatti sicherte. Ausserdem machte Blume Porsche fit für den Börsengang, mit dem das Unternehmen noch im Laufe des Jahres Kapital für weitere Investitionen in die Zukunft sammeln will.
Zahlreiche Baustellen
Zuletzt vergaloppierte sich Blume allerdings ein wenig beim Thema E-Fuels: Porsche setzt auf solche synthetischen Treibstoffe aus CO₂ und regenerativem Strom für Motorsport, aber auch für den Weiterbetrieb der Porsche-Bestandsflotte – rund 70 Prozent aller je gebauten Porsche sind noch auf der Strasse und könnten nach einem EU-Verbrennerverbot ab 2035 bald einmal ohne Tank-Infrastruktur dastehen. In dieser Frage soll er den deutschen Bundesfinanzminister Christian Lindner (43) beraten haben, der bei der Europäischen Union die künftige Zulassung von E-Fuels erreichen will.
Und jetzt soll Blume den Volkswagen-Konzern nach dem teils holprigen Start in die Elektromobilität auf Erfolg trimmen. Baustellen gibt es mehr als genug: Die angesichts der aktuellen politischen Situation und der Menschenrechtsfragen heikle Abhängigkeit von China, das längst der wichtigste VW-Absatzmarkt ist. Die mässige Rentabilität der Kernmarke Volkswagen, bei der jetzt Entscheidungen anstehen, wie und wann die bisherigen Verbrenner-Erfolgsmodelle durch Stromer ersetzt werden. Die internen Kämpfe der Konzernmarken um den Lead bei der Entwicklung von Zukunftstechnologien. Und vor allem das Software-Departement Cariad, das die Software-Architektur für die nächste E-Auto-Generation entwickeln soll, aber nicht vom Fleck kommt. Und damit den Modell-Fahrplan gefährdet.
Langfristig zwei Jobs?
Parallel wird Blume weiterhin an der Spitze von Porsche stehen. So kurz vor dem geplanten Börsengang soll Kontinuität signalisiert werden, um keine potenziellen Anleger zu verunsichern. Ob er angesichts des Problemdrucks im VW-Konzern langfristig diese Doppelfunktion wird wahrnehmen können? Schwer vorstellbar. Immerhin hat Porsches Finanz- und IT-Vorstand Lutz Meschke (56) jüngst seinen Vertrag verlängert. Er gilt gemeinsam mit Blume als Vater des Porsche-Erfolgs und dürfte ihm bei der Marke den Rücken freihalten.
Nicht nur hinsichtlich der zeitlichen Belastung könnte die Doppelfunktion für Blume heikel werden: Porsche macht derzeit Druck auf Cariad, weil die zähe Softwareentwicklung auch den Start der künftigen Elektroversion des Bestsellers Macan gefährdet. Bei diesem Thema könnte Blume als VW-CEO zwischen Tisch und Bank geraten.
Erste Ausrufezeichen hat Blume schon gesetzt: Den Konzernvorstand hat er um drei auf neuen Mitglieder verkleinert und einen 10-Punkte-Plan vorgelegt mit Fokus auf finanzieller Solidität, Fortschritt vor allem bei der Software und der Konzernpräsenz in China und Nordamerika. An der Strategie seines Vorgängers will er nichts ändern:«Der Elektromobilität gehört die Zukunft.»