Wie Ferdinand Piëch zum wichtigsten Automanager Europas aufstieg
Der Mann, der lächelte

Er machte Audi sexy und VW zum Weltkonzern: Mit Ferdinand Piëch verliert die deutsche Autoindustrie ihren erfolgreichsten und leisesten Patron.
Publiziert: 27.08.2019 um 18:55 Uhr
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Aktualisiert: 02.09.2019 um 12:11 Uhr
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Am Anfang stand der Grossvater: Ferdinand Porsche (m.) 1949 mit seinen Enkeln Ferdinand Alexander Porsche (l.) und Ferdinand Piëch (r.) und einem Modell des ersten Porsche-Sportwagens.
Andreas Faust

Nur der Lauteste setzt sich durch? Ferdinand Piëch bewies: Das Gegenteil ist genauso richtig. «Jahrhundertmann», «wichtigster Manager der letzten Jahrzehnte», «Auto-Genie»: Die Superlative schrieben dem am Sonntagabend im Alter von 82 Jahren verstorbenen VW-Patron in seinen 54 Karrierejahren immer die anderen zu. Er selbst schwieg. Aber konnte damit oft mehr ausdrücken als mancher Lautsprecher der Branche.

Das Auto wird dem 1937 geborenen Österreicher in die Wiege gelegt: Grossvater Ferdinand Porsche erfand den VW Käfer mit, Onkel Ferry Porsche holt den studierten Maschinenbauer 1963 in seine Sportwagenschmiede. Piëch wird Entwicklungsleiter, muss aber 1972 das Unternehmen wie alle Mitglieder der Gründerfamilie verlassen. Es folgt ein Neustart bei der VW-Tochter Audi.

Piëch macht Audi gross

Er macht die damals so fade Marke zum Technik-Schrittmacher, wird 1988 Audi-CEO und poliert die Marke auf Erfolg. Als VW 1993 hohe Verluste einfährt, wird Piëch Vorstandsvorsitzender. Und Volkswagen sein Lebenswerk. Mit einer innovativen Vier-Tage-Woche rettet er 30'000 Arbeitsplätze in Wolfsburg und hat von nun an den Betriebsrat auf seiner Seite. Piëch führt den Konzern zurück in die Gewinnzone und baut ihn zum Auto-Imperium aus. Bentley, Bugatti und Lamborghini werden eingegliedert, mit dem Phaeton will er VW edel machen.

Auch nach seinem Rücktritt 2002 zieht Piëch – nun als Aufsichtsratschef – die Strippen. Als Porsche 2009 klammheimlich VW-Aktien aufkauft, um den Konzern zu übernehmen, dreht er den Spiess um und lässt VW den Sportwagenbauer schlucken. Sein grösster Erfolg, aber eine Belastung für die Familie: Piëch hat die unsichtbare Grenze überschritten, mit der die Stuttgarter Porsches und die Salzburger Piëchs ihre Einflusssphären bei VW und Porsche getrennt hielten. Piëch geniesst lächelnd und schweigt.

Misserfolge bleiben nicht an ihm hängen

Längst nicht alles gelingt ihm. Den von Opel geholten Sparkommissar José Ignacio López kann er 1996 gerade noch zum Rücktritt drängen, bevor er VWs Ruf vollends ruiniert. Der Kauf von Rolls-Royce 1998 geht grandios schief, weil sich BMW hintenherum die Markenrechte sichert und VW so auf das Label Bentley ausweichen muss. Und auch der VW Phaeton setzt nie zum erhofften Höhenflug an. Sein 1-Liter-Auto steuert er persönlich 2002 zur Aktionärsversammlung, aber in Grossserie geht es nicht.

Die Niederlagen können Piëch nicht schaden. Sein Imperium ist ganz auf ihn zugeschnitten; mit Aura und Autorität regiert er bis ins Kleinste hinein. Das bringt ihm den Spitznamen «Fugen-Ferdl» ein, seiner Spaltmass-Leidenschaft wegen. Inspiziert er mit VW-CEO Martin Winterkorn den Genfer Messestand, zittern alle. Die Autos in einer Reihe? Logos gerade ausgerichtet? Wers verpatzt, muss Piëch nicht mehr unterkommen. Vielleicht legt dieser Stil den Grundstein für VWs Diesel-Debakel, bei dem Ingenieure aus Angst um den Job lieber manipulieren, als Probleme zu bekennen. Aber auch das ist Piëch: Bei Porsche bringt er persönlich den Monteuren Kuchen, wenn sie bis in die Nacht an Rennwagen schrauben müssen.

Mit ihm stehen und fallen die VW-Manager

Seine wenigen öffentlichen Worte haben tonnenschweres Gewicht. Mit Halbsätzen schiesst er Manager an und serviert sie zielsicher ab. Sein Nachfolger als VW-Chef, Bernd Pieschetsrieder («noch keine Vertragsverlängerung»), Ex-Audi- und Bentley-Chef Franz-Josef Paefgen («da herrscht Stillstand»), Ex-Porsche-Boss Wendelin Wiedeking («hat zurzeit noch mein Vertrauen – streichen sie noch») und selbst Winterkorn («bin auf Distanz») – wer in Ungnade fällt, weil Piëch sein Lebenswerk gefährdet sieht, ist weg vom Fenster.

Dabei hatte er zu Winterkorn ein besonderes Verhältnis. Beide machtbewusst, beide technikversessen. Piëch läuft voran und nimmt Winterkorn bei jedem Karriereschritt mit. Bis zum April 2015, kurz vor dem Dieselskandal, als er vom Ziehsohn abrückt. Vorahnung? Wissen um die Abgasproblematik? Aber der Aufsichtsrat stützt Winterkorn – Piëch geht.

In der Schweiz im Internat

Seine Bande zur Schweiz waren eng: Er ging in Zuoz GR ins Internat, studierte an der ETH Zürich, war mit der Amag-Gründerfamilie Haefner verbunden. Sein Sohn Toni treibt von Zürich aus sein Sportwagen-Unternehmen Piëch voran. Allerdings ohne sich dabei auf den berühmten Vater zu berufen: Beim Namen Piëch würden viele Türen aufgehen, aber auch viele zu.

Wenn an Presseanlässen VW-Manager sich durch wissbegierige Journalisten zum Ausgang kämpfen mussten, teilte Piëch die Meute wie Moses das Meer. Ohne grosse Gesten, allein mit seinem schmalen Lächeln. Ihn einfach ansprechen und etwas fragen? Undenkbar.

Solche Automobilmanager werden heute gar nicht mehr gebaut.

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