Für Italiener ist Italienisch ihre Sprache. Für uns ists ein Ohrenschmaus. Wie öde klänge «Fahrzeugdynamikintegration». Aber «Lamborghini Dinamica Veicolo Integrata» (kurz LDVI)? Ein Gedicht, eine Verheissung, eine Prise Don Corleone und viel Dolce Vita. Letzteres ist der ab Frühjahr mit LDVI gerüstete Huracán mit dem Beinamen Evo auch für Lamborghini. Zwar sorgt der SUV Urus dafür, dass die VW-Tochter 2018 um 51 Absatzprozente zulegte. Aber das Herz der Marke bleiben Flachmänner wie der Huracán, seit 2014 über 11'000 Mal verkauft.
Alles für die Aerodynamik
Grund genug, nachzulegen – vor allem technisch. Ironischerweise fällt das Facelift selbst so dezent aus, dass es von vorne nur Fans sehen. Hinten tut sich mehr. Hier leiht sich der Huracán Evo die (somit zwei statt vier) hochgesetzten Auspuffrohre des bisherigen Performante. Nur Lametta? Nicht doch: Jedes Detail ist aerodynamischer Zweck – für jetzt siebenmal (!) mehr Abtrieb.
Endlich echt Lamborghini
Drinnen bleibts bei (ausser für sehr grosse Fahrer) perfekten Sitzen, lächerlich schlechter Sicht nach hinten (zehn Zylinder im Weg) sowie hübschen Unnützchen wie der roten Kappe über dem Startknopf. Aber das ist Exoten-Folklore, und endlich ist die offensichtliche Audi-R8-Verwandtschaft passé: Das Infotainment ist nicht nur up to Vernetzungs-Date, sondern die Grafik sogar echt Lambo. Gags am Rande zwecks erleichterter Bedienung bei forcierter Gangart: Mit zwei Fingern über den Touchscreen wischen verändert die Lautstärke, und ein Drei-Finger-Tipp irgendwo auf den Monitor reicht, dann verstummt die Musik. Wozu Pop, wenn der Zehnzylinder rockt? Heavy Metal: Geröhre, Gerülpse, Gesäge. Mehr Rennsound im Strassenauto geht kaum. Amtlich geprüft. Hm. Obs denen die Messinstrumente zerbröselt hat?
Nach alter Saugerschule
Den Fahreindruck erkunden wir auf zwölf Runden F1-Kurs in Bahrain. Der Motor ist an sich ein alter Bekannter, was nicht weniger stören könnte: Der 5,2-Liter-V10 kommt ohne Turbo aus und will gnadenlos gedreht sein. Bei 6500 Umdrehungen liegen 600 Nm an, vor allem aber bei 8000 Touren die 640 PS – und all das derart gierig, dass wir kaum schnell genug die Schaltpaddels des 7-Gang-Doppelkupplers ziehen können, wenn das Mittelmotor-Monster hochorgelt. Trotzdem ist im Evo irgendwie alles neu. Und alles besser!
Das Gehirn des Keils
Grob vereinfacht erklärt: Der Huracán Evo weiss, was wir wollen. Die LDVI als Zentralgehirn koordiniert, was Spass und was schnell macht – ob die variable, leichte und doch hochpräzise Lenkung, die neue Hinterachs-Lenkung (eine Dimension zackiger!) oder Torque Vectoring (jedes der vier Räder bekommt die optimale Kraft). 50 Mal pro Sekunde: Wie ist der Grip? Was will der Typ? Tönt nach Memme, fühlt sich aber nach Macho an: Binnen Minuten ist der Evo unser bester Kumpel.
Mehr Freiheit dank Rechner
Wir baden in dem Gefühl, unfassbar gut fahren zu können: Helden der Rennstrecke, ganz angstfrei, ganz beängstigend schnell. Unser Liebling der drei Fahrmodi: «Sport», freiheitsliebend-heckbetonte Lizenz zum Driften, wobei der Evo uns selbst da unspürbar unter die Fahrerärmchen greift. Und in «Track» Haftung, als sei Traktion ein Naturgesetz. Wahnsinn! Schade nur: Die 1,5 Tonnen Endorphine auf Pneus ballern zwar in 2,9 bzw. 9,0 Sekunden auf 100 bzw. 200 Sachen und bis 325 km/h (und brauchen wohl knapp 14 l/100 km), aber kosten ab Frühjahr voraussichtlich rund 265’000 Franken. Aber was wäre ein Traum, den wir uns leisten könnten?