Vor Begeisterung verbiegt er die Grammatik. «Der ist der originalste», sagte Alexander E. Klein, Fuhrparkmanager in Porsches Stuttgarter Museum. Vor vier Jahren konnte er zum 50. Geburtstag des Über-Rennwagens 917 der Porsche-Werkssammlung das allererste Exemplar so hinzufügen, wie es im März 1969 am Genfer Autosalon enthüllt wurde.
Ein Siegerauto muss her
Bis zum 917 räumte Porsche im Motorsport zwar Klassensiege ab, aber fürs oberste Podest reichte es mangels Leistung kaum einmal. Vor allem nicht bei den prestigeträchtigen 24 Stunden von Le Mans. Für die Saison 1968 hatte Porsche mit dem 908 mit Dreiliter-V8 vorgelegt, aber für 1969 änderte der Weltverband FIA die Regeln: Plötzlich reichten überschaubare 25 produzierte Fahrzeuge, um einen Fünfliter-Renner homologieren – zulassen – zu können.
«Der 917 war das grösste Risiko meines Lebens», sagte einst Ex-VW-Patron Ferdinand Piëch (1937–2019) und meinte damit wohl, dass seine Karriere ohne den 917 anders verlaufen wäre. Seit 1965 Entwicklungschef, startet er sofort mit dem Zwölfzylinder-Renner. Ab August 1968 wird im Windkanal an der Karosserie gefeilt. «Das war Versuch und Irrtum», erinnert sich Karosserieentwickler Hermann Burst (79). Um Auftrieb durch das lange Heck zu vermeiden, erhält der 917 verstellbare Klappen am Heckspoiler, die von den einfedernden Hinterrädern angesteuert werden. «Völlig wirkungslos, aber damals erschien uns das als die Lösung», sagt Burst. Der erste der 580-PS-Motoren läuft im Dezember.
Wasserrohre statt Dämpfern
Das Showauto für Genf – der frisch restaurierte 001 – wird pünktlich fertig, aber die übrigen 24 Exemplare hängen hinterher. Es mangelt an Zeit, an Platz und an Teilen für Motoren und Fahrwerk. Geschraubt wird rund um die Uhr. Um die Truppe bei Laune zu halten, kommt Piëch in den Nachtschichten mit Kuchen. Am 21. April 1969 stehen dennoch 25 Exemplare des 917 für die FIA-Kommissare zur Abnahme parat. «Alle waren fahrbereit! Also: Man konnte sie starten. Aber in einigen Chassis steckten Wasserrohre, weil wir nicht genug Stossdämpfer hatten.» Für eine Platzrunde zum Pförtnerhaus und zurück mit einem per Zufall ausgewählten Exemplar reichte es.
Im ersten Jahr fahren die nur 800 Kilogramm leichten 917 hinterher: null Geradeauslauf, mit 580 PS fast zu viel Leistung, und das Heck bringt der Luftstrom fast zum Abheben. Auf den langen Geraden von Le Mans traut sich kein Fahrer, Vollgas zu geben. Drei 917 überleben nicht mal ihr erstes Jahr nach Crashs oder weil sie nach Dauertests geradezu auseinanderfallen.
Endlich Le Mans
Der Rest ist Rennsport-Legende: Mit neuem Heck und optimierter Vorderachse gewinnen Hans Hermann und Richard Attwood 1970 endlich Le Mans für Porsche. Nach einem weiteren Sieg im Folgejahr zieht die FIA per Reglement dem 917 den Stecker. Mit Turbo und bis zu 1100 PS weichen die 917er in die US-Rennserie Can Am aus, gewinnen fast jedes Rennen, bis auch dort 1973 Schluss ist.
Insgesamt 62 Exemplare werden gebaut, dazu einige Nachbauten für den historischen Motorsport. «Aber die kann man nur einsetzen, wenn man das Original in der Garage stehen hat – sonst macht man sich zum Szene-Gespött», sagt Klein. Einer der prominenten Besitzer: US-Komiker Jerry Seinfeld.
Null Rennerfahrung
Und der 001? Bis heute hat der erste 917 nur 300 Kilometer auf dem Zähler. Immerhin 38 legte er auf dem Nürburgring zurück, aber sonst sah er nur Bühnen an Autoshows und wanderte 1970 in den Museumsbestand. Bei seiner sechsmonatigen Restaurierung halfen nochmals die alten Recken wie Burst. Das Resultat? Eben der «originalste».
Übrigens: Man hätte den 917 auch als Neuwagen kaufen können. Im Katalog stand er damals für 140'000 DM.