Autohersteller stoppen Produktion
Nach der Chipkrise fehlen jetzt Kabel

Erst Corona und die Chipkrise, jetzt der Ukraine-Krieg: Der europäischen Autobranche droht die nächste Versorgungskrise. Bereits stehen bei einigen Herstellern die Produktionslinien wieder still. Und Experten machen düstere Prognosen.
Publiziert: 04.03.2022 um 05:46 Uhr
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Erst standen die Produktionsbänder der Autohersteller wegen Corona im Frühling 2020 still, ...
Foto: Oliver Killig
Raoul Schwinnen

Im Volkswagen-Konzern, aber auch bei den deutschen Zulieferern Leoni und Bosch blickt man ganz besonders angespannt nach Osten: Der russische Angriffskrieg in der Ukraine ist nicht nur eine menschliche Tragödie, sondern auch ein wirtschaftlicher Albtraum für die europäischen Autohersteller und ihre Zulieferer. Nach Corona und der Chipversorgungskrise kriegen die grossen Hersteller erneut brutal aufgezeigt, wie abhängig sie von externen Zulieferern sind. Jetzt fehlts an Kabelbäumen – und bereits stehen wieder die ersten Auto-Produktionslinien still.

Gemäss Wirtschaftsfördergesellschaft Ukraineinvest sind in der Ukraine 22 ausländische Unternehmen ansässig, die in 38 Fabriken Komponenten für die Autoindustrie fertigen. Darunter Leoni, die an zwei Standorten im Westen der Ukraine Bordnetze für den VW-Konzern herstellen, oder Bosch, die ebenfalls in der West-Ukraine ein Werk betreiben. «Allerdings ohne direkte Belieferung an Fahrzeughersteller», wie ein Bosch-Sprecher präzisiert.

Fatale Folgen für deutsche Autoindustrie

Dennoch rechnet der deutsche Branchenverband VDA damit, dass der Ukraine-Krieg die heimische Autoindustrie schwer treffen wird. Es fehlen wichtige Teile und Rohstoffe. Aktuell vor allem Kabelstränge zur Verbindung zwischen Fahrzeug und Steuergerät. Diese von Leoni an den VW-Konzern gelieferten und in der Ukraine gefertigten Kabelbäume fürs Bordnetz fehlen nun, nachdem die beiden Werke in Stryji und Kolomyja im Südwesten der Ukraine für die Sicherheit der rund 7000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stillgelegt wurden.

Mit fatalen Folgen für die deutschen Autobauer wie zum Beispiel den Volkswagen-Konzern: Dort steht seit vorgestern im VW-Werk Dresden die Produktion komplett still, in Zwickau gar schon seit Dienstag. Es werden aktuell also keine VW ID.3 gebaut. Neben VW sind auch weitere Konzerntöchter wie Skoda betroffen, wo seit Anfang Woche die Herstellung des elektrischen Enyaq iV zurückgefahren werden musste. Auch bei BMW und Mercedes ist es laut Insidern bereits zu Produktionsunterbrüchen gekommen: Die Münchner müssen ihr grösstes Werk in Dingolfing vermutlich nächste Woche ganz stilllegen.

Schlimmer als Pandemie

Derweil versuchen Zulieferer wie Leoni die Produktionsausfälle aufzufangen, indem die Werke in Marokko, Tunesien, Serbien und Rumänien Sonderschichten fahren und die Autohersteller von dort, so weit möglich, beliefert. Dennoch bleibt man in der Autobranche pessimistisch. Gemäss dem deutschen Nachrichtenmagazin «Spiegel» rechnet die Branche damit, dass die negativen Folgen des Ukraine-Kriegs sogar jene der Corona-Pandemie übertreffen könnten: Damals während des Lockdowns im Frühling 2020 standen die Bänder vieler Hersteller wochenlang still.


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