IAA in München: BMW zeigt Studie der Neuen Klasse
Das ist BMWs 3er der Zukunft

BMWs Neue Klasse soll ab 2025 mit Elektroantrieb, neuer Bedienung, nachhaltigen Rohstoffen und ressourcensparender Produktion durchstarten. An der IAA in München (5. bis 10. September) steht nun ein seriennahes Concept Car.
Publiziert: 02.09.2023 um 11:30 Uhr
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Aktualisiert: 04.09.2023 um 16:39 Uhr
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An der IAA Mobility in München (5. bis 10. September) zeigt BMW mit dem Vision Neue Klasse ein Concept Car für die 2025 startende komplett neue Fahrzeuggeneration der Marke.
Foto: Zvg
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Andreas FaustLeitung Auto & Mobilität

Neu ist immer gut in der Autowelt, und das Wort Klasse hat eine Doppeldeutigkeit, die Marketing-Strategen das Grinsen ins Gesicht treibt. Mit der Neuen Klasse will BMW ab 2025 in die Zukunft starten – mit neuer Technologie, nachhaltigen Rohstoffen und frischen Ideen für die Produktion, um die Kosten zu senken und den Energie- und Ressourcenverbrauch zu drücken. An der Internationalen Automobilausstellung IAA Mobility in München (5. bis 10. September) gibts mit dem Concept Car Vision Neue Klasse endlich Handfestes zu dieser neuen Fahrzeuggeneration zu sehen. Blick durfte im Juli schon gucken, als die Studie noch streng geheim war.

Retro, aber zukünftig

Endlich ein richtiges Auto, nachdem frühere Ausblicke sehr futuristisch ausfielen: Zum 100. Geburtstag vor sechs Jahren wirkte die Studie Vision Next 100 wie vom anderen Stern. Und der Vision Dee, im Januar in Las Vegas (USA) enthüllt, schien mehr ein rollendes Display als ein echtes Auto zu sein. Jetzt also der Vision Neue Klasse – nicht nur ein konkretes Auto, sondern Sinnbild einer komplett neuen Modellgeneration quer durch die Segmente. Den Namen trug schon einmal eine Ära bei BMW: Nach Beinahe-Pleite und knapp der Übernahme durch Mercedes entronnen, setzte die erste Neue Klasse ab 1961 das Fundament für das Unternehmen von heute.

Und liefert das Vorbild fürs neue Design: Die Badewannen-Grundform in der Karosserie gabs einst ebenso wie die Rückleuchten quer übers ganze Heck. Von heute sind aber die beleuchteten Frontnieren, die elektrisch per Fingerdruck öffnenden Türen, die wie freischwebende Mittelkonsole. Die vier Sitze – in der Serie werden es fünf – überzieht gelber Cordstoff: «Wenn schon retro, dann richtig», grinst Interieur-Designer Florian Sieve. So viele haptisch angenehme Flächen wie möglich, so wenig Screens wie nötig, lautete seine Vorgabe. «Es geht nicht um die Grösse der Displays», spielt Sieve wohl auf die XXL-Monitore beim Konkurrenten Mercedes an. Glas sei kalt und unangenehm und Fingerspuren auf Touchscreens nicht gerade schön.

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Mehr BMW ging damals nicht: Das Coupé 3.0 CSL von 1972 war der Gipfel der Neue-Klasse-Ära bei BMW, die 1962 begonnen hatte. Dank Leichtbau und Benzineinspritzung leistete sein Dreiliter-Reihensechszylinder 200 PS (147 kW).
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Die Welt in der Frontscheibe

Stattdessen nutzen seine Design-Kollegen für die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine neben einem recht kleinen Display in der Mitte die grösste Glasfläche im Auto – die Frontscheibe. Über deren ganze Breite lassen sich ähnlich wie heute beim Head-up-Display Inhalte wie Navi, Musik, Telefon, Einstellungen oder Videokonferenzen in die Scheibe projizieren. Die einzelnen Kacheln wischt man per Finger vom kleinen Display in die Projektion und zurück; die Bedienung erfolgt rechts im Lenkrad. Im unteren Drittel der Seitenscheiben können Projektionsflächen mit sogenannter E-Ink den Fahrer begrüssen, Botschaften einspielen oder einfach die Wagenfarbe zeigen und damit ein wenig mehr Privatheit bieten.

Was ist E-Ink?

E-Ink ist eine Alternative zu herkömmlichen Bildschirmen mit LED-Technik. Wir kennen sie aus E-Book-Readern: Jeder Quadratzentimeter des Screens enthält unzählige winzige Kugel-Partikel, die je zur Hälfte weiss und schwarz gefärbt sind. Wird ein Stromimpuls angelegt, drehen sich die Kugeln von der weissen auf die schwarze Seite und formen die Buchstaben. Beim Umblättern arrangiert der nächste Stromimpuls die Partikel wieder neu. Vorteil: Während LEDs ständig Strom verbrauchen, braucht E-Ink nur einen winzigen Impuls, ist also viel sparsamer. Nachteil: Lange konnte E-Ink nur zwei Farben darstellen. Aber das ändert sich gerade.

E-Ink ist eine Alternative zu herkömmlichen Bildschirmen mit LED-Technik. Wir kennen sie aus E-Book-Readern: Jeder Quadratzentimeter des Screens enthält unzählige winzige Kugel-Partikel, die je zur Hälfte weiss und schwarz gefärbt sind. Wird ein Stromimpuls angelegt, drehen sich die Kugeln von der weissen auf die schwarze Seite und formen die Buchstaben. Beim Umblättern arrangiert der nächste Stromimpuls die Partikel wieder neu. Vorteil: Während LEDs ständig Strom verbrauchen, braucht E-Ink nur einen winzigen Impuls, ist also viel sparsamer. Nachteil: Lange konnte E-Ink nur zwei Farben darstellen. Aber das ändert sich gerade.

Der Antrieb wird, logisch, rein elektrisch: «Die alternativen Antriebe sind jetzt die Verbrenner», dreht Beschaffungsvorstand Joachim Post das heutige Verhältnis zwischen Benzinern und Stromern einfach um. In Europa steuere BMW klar in Richtung reiner Elektrifizierung. Gesetzt sind neue Batteriezellen, die 30 Prozent mehr Reichweite, 30 Prozent schnelleres Laden und 25 Prozent mehr Effizienz als heutige bieten sollen. Wohl auch dank eines 800-Volt-Bordnetzes, wie es derzeit nur Hyundai, Kia und Porsche anbieten. Beim Normverbrauch peilt BMW zwischen 12 und 15 Kilowattstunden (kWh) je 100 Kilometer an. Zwischen 200 und 500 PS sollen entweder die Hinterachse oder alle vier Räder antreiben; eine Sportversion könnte auch auf 600 PS und mehr kommen und bis zu 250 km/h Höchstgeschwindigkeit schaffen.

Blitzender Chrom ist passé

Das auffallendste am Vision Neue Klasse sind aber die Materialien. Matter Kunststoff für die Karosserie, zum Beispiel. Das Logo wird nur eingeprägt – das spart ein separates Teil, Bedruckung und den Klebstoff. Die Schweller sind schwarz-grau gesprenkelt wie Granit – sie bestehen aus Recycling-Kunststoff, dem man die unterschiedlichen Bestandteile ansieht. Chrom fällt komplett weg – zu teuer, zu aufwendig und vor allem zu giftig in der Produktion. Gerade der Elektroantrieb sorgt dafür, dass die Neue Klasse mit massiv weniger Teilen als heutige Verbrenner auskommen. Und sie wird so konstruiert, dass möglichst grosse Bauteile in einem Stück gefertigt werden, statt viele kleine mit Schrauben, Nieten oder Plastikclips zu verbinden. Je mehr unterschiedliche Materialien und je mehr Teile, desto schwieriger wird das Recycling der Autos.

Aus dem Concept Car wird dann ab 2025 der Nachfolger des heutigen BMW 3ers – und dann die Technologie in alle folgenden Modelle ausgerollt. Wie nah ist die Studie schon an der Serie? «Sehr, sehr nah», sagt Neue-Klasse-Sprecher Matthias Schepke, ohne sich auf eine Prozentzahl festzulegen. Denn über schmale Fenstersäulen, Kamera-Aussenspiegel und sichtbaren Recycling-Kunststoff dürfte das letzte Wort noch nicht gesprochen sein. Und auch nicht über gelbe Cord-Sitzbezüge.

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