Hinter den Kulissen der China-Marke BYD
Der Riese nimmt Kurs auf Europa

Schwimmende Offroader, elektrische Supersportwagen und vernünftige Kleinwagen: Der chinesische Autobauer bringt alles mit, um auch in Europa für Furore zu sorgen. Ein Blick hinter die Kulissen im Hauptquartier.
Publiziert: 14.06.2024 um 16:00 Uhr
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Aktualisiert: 15.06.2024 um 14:28 Uhr
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Blühende Landschaften: Wenn sich der chinesische Autobauer BYD mit seinem Slogan «Build your dreams» präsentiert, dann rückt er immer Umwelt- und Klimaschutz in den Vordergrund.
Foto: Zvg
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Andreas FaustLeitung Auto & Mobilität

Alles so schön grün hier. Wer auf dem Gelände des Hauptquartiers des Autobauers BYD im südchinesischen Shenzhen unterwegs ist, fühlt sich auf den ersten Blick wie in der Computergrafik einer Stadt der Zukunft. Ranken wuchern auf Parkhäusern und den Pfeilern einer Einschienenbahn, überall Bäume, Rasenflächen, Beete. Rund 60'000 Menschen arbeiten hier, die Kantine kann täglich ein Drittel von ihnen versorgen. Allzu alt wirkt das Gelände nicht, aber platzt schon aus allen Nähten: «Wir planen ein neues Hauptquartier», sagt Penny Peng, Marketingchefin bei BYD Europa.

«Build your dreams» – realisiere deine Träume, lautet der BYD-Slogan und bringt die Geschichte auf den Punkt: Vom 1995 gegründeten Batterie-Start-up, das Akkus für Mobiltelefone entwickelte, zur aktuellen Nummer 1 des chinesischen Automarktes. Global stiess der Konzern Tesla 2023 vom E-Auto-Thron. Pengs Karriere ist ein Spiegel des rasanten Aufstiegs. Im Jahr 2010 organisierte sie frisch eingestiegen den BYD-Auftritt am Genfer Autosalon. Noch im gleichen Jahr wollte man den Verkauf bei uns starten, aber es dauerte dann doch 14 Jahre: Im Sommer solls nun unter dem Dach des Importeurs Emil Frey losgehen mit Han und Tang, Atto3 und Dolphin, Seal und Seal U. Verbrenner sind dabei seit 2022 passé. BYD produziert nur noch Stromer oder Plug-in-Hybride (PHEV).

Der Konzern kann mehr als nur Auto

Ins Marmor-Foyer des Hauptquartiers würde eine ganze Werkhalle passen; auf gleich zwei Etagen präsentieren Ausstellungen die ganze BYD-Wahrheit. Waschmaschinen, autonome Nahverkehrszüge, Elektrobusse, mehrere Generationen Verbrenner-Autos und natürlich den Kern des Unternehmenserfolgs: Batterietechnologie. Niemand produziert weltweit heute mehr Batterien als BYD für Smartphones, Autos oder stationäre Energiespeicher, bei denen der Konzern zum Beispiel in Deutschland 60 Prozent Marktanteil hat.

Während in Europa und den USA Lithium-Ionen-Batterien als Non-Plus-Ultra galten, wagte sich BYD an die weniger imageträchtigen, aber günstigeren und einfacheren Lithium-Ferrum-Phosphat-Akkus (LFP). Für Nutzfahrzeuge werden sie seit 2008 als klassische Rundzelle gefertigt; für PWs und Speicher werden Anode und Kathode seit 2020 zu sogenannten Blade-Zellen mit hoher Packungsdichte gefaltet. Hinter Glas treibt man zur Besucher-Gaudi einen Nagel in eine Blade-Batterie – nichts passiert, während der Konkurrenzakku nebenan dabei in Flammen aufgeht.

Batterien als Schlüsseltechnik

Inzwischen wollen auch europäische Marken Akkus mit LFP-Chemie als günstigere Option anbieten. Doch sie sind spät dran: Westliche Hersteller kommen in der Produktion auf rund 30 Prozent Fertigungstiefe. Auch, weil sie bislang Zellen einkaufen und selbst nur die Batterien zusammensetzen. Eigene Gigafactories für Zellen sind erst im Bau. BYD entwickelt und fertigt dagegen die wichtigsten Komponenten – Zellen, Batteriepakete, Motoren, Leistungselektronik – im Haus und erreicht so 70 Prozent. Für Zulieferer bleiben da kaum mehr als Felgen, Dämpfer und Klimaanlagen übrig.

Auftritt Stella Li (59). Die Nummer zwei im Unternehmen verantwortet BYD in den USA und ist neu auch für die Expansion nach Europa zuständig. Ihre Angestelltennummer ist einstellig – schon im Start-up arbeitete sie mit und hält heute noch den gleichen 1,3-Prozent-Anteil am Konzern wie einst – nur dürfte er heute gut 550 Millionen Franken wert sein. «Wir wollen ein europäisches Unternehmen werden», betont sie und nimmt damit gleich Kritikern den Wind aus den Segeln: Zunächst sollen insgesamt acht eigene Hochsee-Carrier mit je 7000 Stellplätzen für einen steten Fluss neuer BYD-Modelle nach Europa sorgen. Aber schon Anfang 2026 wird ein erstes Werk im ungarischen Szeged für 150'000 Autos pro Jahr den Betrieb aufnehmen und Jobs schaffen, ein zweites ist bereits in Planung.

Lokalisierung der Produktion

Die lokale Produktion soll zum einen für ein positives Image sorgen und andererseits die möglicherweise seitens der Europäischen Union (EU) geplanten Importzölle umgehen. Derzeit prüft die EU-Kommission, inwieweit chinesische Autobauer staatlich subventioniert werden. Hat Li Angst vor Marktbeschränkungen in Europa? «Wir lassen das auf uns zukommen», sagt sie und ist überzeugt, dass Vernunft und freier Handel sich durchsetzen würden. Zumal ja auch europäische Hersteller sich gegen Protektionismus aussprächen.

In Lis Wachstumsstrategie nimmt Europa eine zentrale Rolle ein. Zumal China insgesamt bereits mehr Autos baut, als im Land abgesetzt werden können. Im letzten Jahr rollten über 26 Millionen neue Autos auf Chinas Strassen – aber 30 Millionen wurden produziert. Da kommen neue Märkte gerade recht. Um über 15 Prozent soll der BYD-Absatz auch dank Europa 2024 auf rund 3,5 Millionen Fahrzeuge steigen, so Li. Beim Vertrieb setzt sie auf das klassische Händlermodell – Markenvertrauen liesse sich nur durch Präsenz vor Ort, nicht mit einer Website erarbeiten. Zumal man damit in Europa gute Erfahrung gemacht habe. Als 2013 der erste Elektrobus für Europa aufs niederländische Eiland Schiermonnikoog ausgeliefert wurde, liess sich BYD-CEO Wang Chuan-fu die persönliche Übergabe nicht nehmen. «Das muss unser Massstab sein», sagt Li.

Welche Modelle, welche Marken?

Auch Engagements wie die Partnerschaft mit der UEFA Euro 2024, die am 14. Juni in Deutschland startet, sollen BYD bekannt machen. Doch vor dem Marktstart muss noch einiges geklärt werden – Peng sieht zahlreiche Endlos-Meetings mit Li auf sich zukommen. Welche Modelle passen nach Europa? Und mit welchen Logos sollen sie angeboten werden? Auch das Offroad-Monster U8 oder der Elektro-Supersportler U9 der BYD-Nobelmarke Yangwang könnten für Europa taugen – ebenso wie der PHEV-Geländewagen Bao 5 der Submarke Fangcheng oder der Luxusvan D9 von Denza. Und dann steht auch noch die Preiskalkulation an.

Bei den Mitarbeitenden hat BYD mit 700'000 weltweit den Volkswagen-Konzern schon knapp überholt. In einem Punkt ist der Weg aber noch lang: Denn mit 685'000 Beschäftigten baut VW noch mehr als dreimal so viele Autos.

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