Das sind die Trends der Auto China 2024
Wer hat Angst vorm grossen Drachen?

Für viele europäische Autobauer ist China einer der wichtigsten Märkte, aber sie geraten zunehmend unter Druck. Auch an der Auto China 2024 in Peking setzen die Heimmarken die Trends.
Publiziert: 30.04.2024 um 13:19 Uhr
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Aktualisiert: 08.05.2024 um 10:24 Uhr
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Wer hat Angst vorm bösen Drachen? An der Auto China 2024 in Peking (noch bis 5. Mai) versuchen die deutschen Autobauer, die chinesischen Marken ...
Foto: Andreas Faust
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Andreas FaustLeitung Auto & Mobilität

Das hat man schon lange nicht mehr erlebt. Pressekonferenzen im 20-Minuten-Takt, riesige Videoscreens, nie gesehene Autos und gebrüllte Präsentationen, auf dass man am Nachbarstand kein Wort mehr versteht. Die Auto China 2024 in der chinesischen Hauptstadt Peking ist eine Automesse alter Schule – Standfläche ist alles, und je mehr Fahrzeuge drauf passen, desto besser.

Velos, Mobilitäts-Start-ups, Elektroscooter wie an der letzten IAA in München 2023? Nichts da. Hier will auch die jüngere Generation auf den eigenen vier Rädern unterwegs sein. Zu mancher Neuheit ist kaum ein Durchkommen, weil gefühlt Tausende Influencer davor ihre 20-Sekunden-Sprüchlein für ein Millionenpublikum auf Social Media aufsagen wollen. Bis zu einer Million Besucher sollen sich analog noch bis am 5. Mai durch die acht Hallen schieben. Die Messe in Shanghai, die sich mit Peking jährlich abwechselt, mag noch grösser sein – aber glanzvoller ists hier.

Europa will Flagge zeigen

Aber noch überraschender ist der grosse Auftritt des VW-Konzerns an der Messe. Mit Audi, VW, Lamborghini und Porsche sind die wichtigsten Marken da, auf den Ständen halten die Vorstände Hof. Für alle deutschen Hersteller, also auch die BMW-Gruppe und Mercedes, ist der China-Absatz substanzieller Bestandteil der Jahresbilanz. Volkswagen verkaufte viele Jahre nirgendwo sonst mehr Autos.

Aber die Mega-Präsenz ist nicht etwa Reminiszenz an den einstigen Erfolg – heute ist es Überlebenskampf. Von den knapp über 26 Millionen Autos, die in China im letzten Jahr verkauft wurden, lieferte der China-Gigant BYD 12,6 Prozent aus, während VW auf 10,3 Prozent Marktanteil abrutschte. Bei den Elektroautos fällt die Differenz noch deutlicher aus: Hier kommen rund ein Viertel von BYD, das damit aktuell grösster E-Auto-Hersteller der Welt ist. VW rangiert abgeschlagen mit 3,1 noch hinter den Lokal-Marken Aion, Wuling und Nio. Von 2014 bis 2023 fiel der VW-Gewinn im China-Geschäft um ein Drittel. Bitter für einen Konzern, der sein Heil voll in der E-Mobilität sucht.

In China für China

Vorteil der heimischen Marken: Mit den grossen Stückzahlen können sie eher Skaleneffekte erzielen, damit die Kosten senken und die Preise drücken. Und sie beherrschen weitaus souveräner das Spiel mit der Digital-Leidenschaft der Chinesinnen und Chinesen – und den dafür nötigen Apps und Vernetzungsfunktionen. Aber BMW, Mercedes und VW können nicht aufs Chinageschäft verzichten – sonst stehen auch Werke in Europa auf dem Spiel.

Die Lösung lautet Regionalisierung: Eigene Modelle wie den Passat-ähnlichen Magotan bietet VW längst in China an. Aber künftig sollen sie eigenständiger aussehen und in China für China nahe an den hiesigen Kundenerwartungen entwickelt werden. VW ID.Code heisst der Concept Car, der die Strategie verkörpern soll, ID.Unyx die neue Marke, unter der die neuen Elektromodelle angeboten werden sollen. Auch Mercedes will künftig genauer bei seinen Kundinnen und Kunden in China hinhören, ohne indes von den eigenen Nobelansprüchen abrücken zu wollen. Eine gute Idee?

Der Plug-in-Hybrid kehrt zurück

Man kann zweifeln. Denn die China-Marken setzen ganz andere Trends und dürften dabei nahe an der lokalen Kundschaft planen. Wichtigster Trend: An jedem Stand stehen oft gleich mehrere mittelgrosse SUV-Neuheiten, elektrisch oder mit Plug-in-Hybridantrieb, der gerade in China Renaissance feiert. Gut 2,8 Millionen Autos sind 2023 mit der Technologie verkauft worden, die in Europa bloss als Übergang zum E-Auto verstanden wird. Eigenständigen Charakter sucht man von Aion bis Zeekr bei diesen Modellen allerdings vergebens – alle wirken wie ein Best-of europäischer Designdetails. Nein, komplett kopiert wird in China nicht mehr, aber Anregungen holt man sich schon. Denzas Kombi-Limousine Z9 könnte auch in einem Porsche-Showroom stehen, ohne gross aufzufallen, und setzt – natürlich – auch auf den Plug-in-Hybridantrieb.

Zweiter Trend: In China zieht die Auto-Spassgesellschaft herauf. Im Gefolge von Ford Bronco, Land Rover Defender und Co. bringen nun auch China-Autobauer kantige Offroader wie die Modelle Bao 5 und U8 der BYD-Töchter Fangchengbao und Yangwang. Letzterer kommt rein elektrisch und als Abenteurer-Edition mit Dachzelt inklusive. Den Trend sieht auch Ford und lanciert jetzt auch in China seinen Camper Nugget.

Vans sind tot? Nicht in China

Dritter Megatrend ist die Rückkehr der sogenannten MPVs («multi-purpose vehicles»), der grossen Sieben- bis Neunplätzer. Denn in China geht der Trend zu einem Auto für die ganze Familie, in dem am Wochenende die ganze Familie inklusive Grosi und Opa untergebracht werden muss. Oder man lässt ein paar Sitzreihen weg und poliert das Interieur auf Luxus – und den möglichst maximalen Frontgrill auf Chromglanz. Wer immer mehr Zeit im Stau verbringt und das bald auch autonom chauffiert, möchte es sich richtig nett machen – und das geht in solchen Luxus-Bussen perfekt.

Volvo hat diesen Trend schon im letzten Jahr mit seinem LM für den chinesischen Markt lanciert. Mutterkonzern Geely zieht jetzt mit dem Galaxy nach, einem XXL-SUV, unter dem die Plattform des rein elektrischen Volvo EX90 stecken dürfte. Was europäische Marken aufrütteln sollte: Allein Geely will in diesem Jahr 1000 neue Ingenieure für künstliche Intelligenz einstellen. Sie wird in den kommenden Jahren sowohl in den Autos selbst, aber auch bei Design, Entwicklung und Produktion den chinesischen Marken einiges an Arbeit abnehmen. Und damit für weiteren Druck in Europa sorgen.

Wichtigste Erkenntnis von der Auto China ist aber, dass die zweitgrösste Nation weiter voll aufs Auto setzt – und damit mit ihren unzähligen Marken die grösste Herausforderung für die Autokonzerne Europas bleibt.

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