Die Chinesen träumen wieder von Europa. Und dieses Mal stehen die Chancen besser als beim ersten Anlauf vor über 15 Jahren. Denn die Elektromobilität öffnete die verschlossene Autobranche für Start-ups und neue Marken. Natürlich träumen alle von einem Erfolg wie Tesla, obwohl sich dieser kaum wiederholen lässt.
Eine Ausnahme ist da wohl BYD – und nicht nur wegen des Namens. BYD steht für «Build Your Dreams» (dt. Baue deine Träume). Der chinesische Konzern startete 1995 als Bastelbude für wiederaufladbare Batterien. Heute ist er nicht nur der zweitgrösste Batterieproduzent hinter CATL, sondern auch in den Bereichen Elektronik, neue Energien, Eisenbahnen und in der Autobranche tätig. Im Juli hat BYD fast Tesla als weltweit führenden Elektroautobauer abgelöst. Doch noch haben die Chinesen nur mit Plug-in-Hybriden mehr Autos verkauft als der US-Elektroautopionier.
Deshalb verkauft BYD mehr E-Autos
Für den steigenden Absatz gibts zwei Gründe. BYD hat im März die Produktion reiner Verbrennermodelle eingestellt und wagt sich aus dem Heimmarkt. Zumindest mit Autos. Bei Nutzfahrzeugen sind die Chinesen schon längst weltweit aktiv. In den USA, London und auf dem Flughafen Amsterdam Schiphol fahren Elektrobusse von BYD.
Vor fünf Jahren eröffnete der Konzern ein Werk in Ungarn, in dem Elektrobusse und -gabelstapler produziert werden. In Kürze soll ein Ausbau abgeschlossen sein, um die Busproduktion zu erhöhen und elektrische Lastwagen zu produzieren.
Über Norwegen in die Schweiz
Und jetzt will BYD in Europa auch Autos verkaufen. Elektroautos versteht sich, womit sich BYD zurecht Chinas Tesla nennen kann. Seit einem Jahr verkaufen die Chinesen den siebenplätzigen SUV Tang in Norwegen, um erste Rückmeldungen von europäischen Kunden zu erhalten. Und offenbar sind die Norweger gemäss Hersteller von BYD begeistert.
Jetzt folgt der nächste Schritt. Noch dieses Jahr wollen die Chinesen in weitere europäische Länder expandieren und erste Modelle ausliefern. In Dänemark, Deutschland, Israel, Niederlande und Schweden haben sie schon grosse Händler als Partner gefunden. Auch in die Schweiz will BYD und Gespräche mit möglichen Partnern laufen. Es dürfte aber 2023 werden, bis die Chinesen bei uns Fuss fassen.
Mit Kopieren zu drei Stromern
Die etablierten Hersteller sind gut beraten, den chinesischen Grosskonzern nicht zu unterschätzen. BYD ist schon heute einer der grössten Autohersteller Chinas und hat für den Europa-Start gleich drei Modelle parat: den Tang und die Limousine Han in der oberen Mittelklasse sowie den Kompakt-SUV Atto 3.
Die Autos werden in China verkauft und Blick konnte sie schon auf einem stillgelegten Flugfeld nahe Den Haag (Niederlande) fahren. Unser erster Eindruck: Sie haben nichts mehr mit den ersten China-Autos zu tun, die in Europa angeboten wurden. Die BYDs sehen schnittig aus, haben einen noblen Innenraum, eine gute Verarbeitung und fahren sich wie andere Stromer auch: entspannt, geschmeidig und komfortabel.
Was bleibt, ist das Kopieren, womit BYD mit seinem VW-ID.3-Klon auch schon etwas negativ aufgefallen ist. So erinnert das Heck des Han etwas an die Porsche Taycan oder Panamera. Sein Innenraum kopiert die Mercedes-Cockpits der letzten Jahre und der Atto 3 macht innen auf Abenteurer wie ein Jeep Wrangler.
Die eigene Batterie
Der Antriebsstrang mit Elektromotor und Batterie ist aber keine Kopie. Hier will sich BYD von der weltweiten Konkurrenz abheben und entwickelt alles selbst, auch die Computerchips. Gerade die Batterie überrascht nicht in Anbetracht der Vorgeschichte des Konzerns und hier wollen die Chinesen zum Mass der Dinge werden.
Dabei soll die sogenannte Blade-Batterie helfen. Es handelt sich um Lithium-Eisenphosphat- und nicht Lithium-Ionen-Akkus. Sie kommt ohne giftiges Kobalt aus und das Brandrisiko ist geringer. Zudem ist BYDs Blade-Batterie anders aufgebaut als heute übliche Batterien. Dadurch sei sie bei gleicher Kapazität 15 Prozent leichter und habe 20 Prozent weniger Volumen. Das heisst, sie braucht weniger Platz. Bei derselben Grösse wäre sie aber schwerer, hätte aber auch mehr Kapazität, da sie dichter gepackt ist. Deshalb verbaut BYD keine Akkus mit 100 kWh in seinen Topmodellen und schafft im Gegensatz zu den Rekordzahlen von Lucid ähnliche Reichweiten wie die Konkurrenz: 400 bis 521 Kilometer.
Tang | Han | Atto 3 | |
Leistung | 516 PS (380 kW) | 516 PS (380 kW) | 204 PS (150 kW) |
Antrieb | Allrad | Allrad | Frontantrieb |
0-100 km/h | 4,6 s | 3,9 s | 7,3 s |
Spitze | 180 km/h | 180 km/h | 130 km/h |
Akku-Grösse | 86,6 kWh | 85,4 kWh | 60,5 kWh |
Reichweite | 400 km | 521 km | 420 km |
Ladezeit (30-80%) | 30 min | 30 min | 29 min |
Kofferraum | 235 – 940 – 1655 l | 410 l | 440–1338 l |
Länge/Breite/Höhe | 4,87/1,95/1,73 m | 5,00/1,91/1,50 m | 4,46/1,88/1,62 m |
So stehen die Chancen von BYD
Die Ausgangslage stimmt also. Eine etablierte und funktionierende Produktion sowie gute Produkte. Doch am Ende entscheidet der Kunde über Erfolg oder Misserfolg einer Marke. Da spielt gerade in Europa der Preis eine entscheidende Rolle – und zu diesen schweigt sich BYD noch aus.
Der Tang kostet in Norwegen umgerechnet rund 61’000 Franken. Da sind Elektroautos aber steuerbefreit. Entsprechend könnte das chinesische Flaggschiff bei uns um die 65’000 Franken kosten, was vergleichbar mit einem VW ID.4 GTX oder Tesla Model Y ist, die aber kleiner sind. Der Han dürfte in einer ähnlichen Preisliga spielen und der Atto 3 könnte um die 40’000 Franken kosten. Bei allen inklusive ist das Gimmick des rotierenden Touchscreen. Davon träumen vielleicht nur wenige Autokäuferinnen, aber die Smartphone-Generation könnte sich dafür durchaus begeistern lassen.