Gegen dieses Start-up könnten die etablierten US-Autobauer General Motors (GM) und Ford ganz alt aussehen. Mit einem Elektro-Pick-up will Rivian seinen Konkurrenten Tesla, aber auch GMs Elektro-Hummer und Fords F-150 Lightning links überholen. Noch ist nicht ein Exemplar verkauft. Dennoch plant Rivian jetzt schon den Gang an die Börse und hat die entsprechenden Antragspapiere bei der US-Wertpapieraufsicht SEC eingereicht.
Finanzanalysten sind bereits aus dem Häuschen. Denn sie taxieren den möglichen Erlös des Börsengangs und damit den Wert von Rivian heute schon auf rund 80 Milliarden US-Dollar! Und damit höher als GM (ca. 72 Milliarden US-Dollar) oder Ford (ca. 53 Milliarden US-Dollar). Es wäre der global grösste Börsengang des Jahres. Und dass, obwohl noch nicht ein Fahrzeug in Kundenhand gegangen ist. Eine reine Wette auf eine mögliche glanzvolle Zukunft von Rivian. Absurd?
Selbst Amazon ist im Boot
Nicht unbedingt: Bei mehreren Investorenrunden hat Rivian bereits 10,5 Milliarden US-Dollar eingesammelt. Unter anderem vom Online-Giganten Amazon, der bis Ende dieses Jahrzehnts eine Flotte von 100'000 Rivian-Lieferwagen aufbauen will, um von etablierten Lieferdiensten unabhängig zu werden und damit die komplette Kette von der Bestellung bis zum Kunden kontrollieren zu können. Quasi aus dem Nichts könnte Rivian sich damit als eine ernsthafte Konkurrenz für den Elektro-Pionier Tesla entpuppen. Dass Tesla-Chef Elon Musk (50) den Newcomer jetzt schon ernst nimmt, zeigte eine Klage gegen Rivian vom letzten Jahr um den angeblichen Diebstahl von Geschäftsgeheimnissen.
Erstes Modell soll der R1T werden – ein 5,54 Meter langer und knapp über zwei Meter breiter Pick-up mit variabler Bodenfreiheit dank Luftfederung. Zwei Kabinenversionen sind geplant – ein konventioneller Viertürer als Doppelkabine und eine Version mit sogenannter Extended Cab, bei der es für die hinteren Sitze nur knappe Schlupftüren gibt. Solche Pick-ups sind bis heute die meistverkauften Modelle in den Weiten des US-amerikanischen Mittleren Westens. Ein Riesenmarkt, wenn sich die Ladeinfrastruktur parallel so schnell entwickeln wird, wie es US-Präsident Joe Biden (78) plant.
Bis zu 800 PS und 644 Kilometer
Technisch steht der Ladeflächen-Stromer auf einer sogenannten Skateboard-Architektur. Heisst: grosser Radstand, Batterie zwischen den Achsen im Unterboden und je ein Motor pro Rad. Deshalb soll sich der R1T wie ein Panzer mit Kettenantrieb auf der Stelle wenden lassen können. Jeder Motor leistet rund 200 PS, macht 800 PS Systemleistung. Die Batterie wird in drei Grössen mit 105, 135 oder 180 Kilowattstunden (kWh) Kapazität angeboten, die zwischen 402 und 644 Kilometern Reichweite ermöglichen sollen. Geladen wird mit bis zu 160 Kilowatt (kW) Leistung – das bringt Strom für 320 Kilometer innert 30 Minuten. Preis des R1T in den USA: ab 67'500 US-Dollar für die Basisversion.
Schon im Sommer hätten die ersten Exemplare in einem ehemaligen Werk von Mitsubishi im US-Bundesstaat Illinois vom Band laufen sollen. Damit hätte der R1T Konkurrenten wie den noch bloss angekündigten Cybertruck von Tesla oder Fords Elektro-F-150 rasant abgehängt. Chryslers Elektro-Pick-up ist gar erst 2024 zu erwarten. Doch die Corona-Krise und der folgende Mangel an Halbleiter-Bauteilen bremsten Rivian aus. Anfang September solls jetzt aber definitiv losgehen.
Wenn der Produktionsstart glatt verläuft, könnten damit erste Kundenreaktionen den Börsengang noch befeuern. Der ist für Ende November geplant.