Wäre Tesla nicht allen Etablierten auf der Nase herumgetanzt, wären die Elektroautos nie so in Fahrt gekommen. Auch bei Elektro-Lastern gibts den Fall des Newcomers, der die Grossen zwang: Die Deutsche Post wollte in den 2010er-Jahren einen E-Transporter zum abgas- und lärmfreien Zustellen.
Die LKW-Riesen zeigten dem Grosskunden die kalte Schulter: geht nicht, ist zu teuer, dauert zu lange. Irgendwann hatte die Deutsche Post die Nase voll, kaufte 2014 das Startup StreetScooter und baute seither rund 10'000 der 2,2 bis 4,0 Tonnen schweren Transporter mit bis zu 200 Kilometern Reichweite.
Lieferwagen werden lärmfrei
Doch bald läuft wohl der StreetScooter aus. Warum? Er sparte zwar gut drei Viertel Service- und Treibstoff-Kosten. Der Transporter selbst machte jedoch Verluste – weil ein starker Partner fehlte. Im Gegensatz zu Tesla konnte die Post das nicht per Börsen-Hype abfangen. In den USA zeigt Rivian, wie sowas geht: Amazon investiert dort 700 Millionen Dollar für 100'000 E-Lieferwagen.
Das StreetScooter-Problem: Es braucht ihn nicht mehr. Alle Grossen LKW-Bauer haben inzwischen nachgezogen, ob Renault Master Z.E., ob Mercedes eSprinter oder ob MAN eTGE und baugleicher VW eCrafter. Im urbanen Lieferverkehr ist abgasfrei Trumpf und reichen 100 bis 150 Kilometer Reichweite aus. In der City wirds elektrisch. Und sogar E-Kleinlaster für die Dritte Welt sind am Werden.
Mittelstrecke geht mit Akku
Bei schweren Nutzfahrzeugen sieht es für Kurz- und Mittelstrecke ebenfalls nach batterieelektrischer Zukunft aus. Die ersten Akku-Camions sind auf dem Markt oder kurz davor. Mercedes als grösster Nutzfahrzeug-Hersteller startet 2021 den eActros mit über 200 Kilometer Reichweite für den Verteilverkehr, 2024 soll der eActros LongHaul (500 km) folgen. Bei MAN hat die Kleinserie des 26-Tönners eTGM (200 km Reichweite) losgelegt, und bei Scania startet neben dem Plug-in-Hybrid-Laster (60 km) ein rein elektrischer (250 km). Die Liste liesse sich beliebig fortführen, alle Grossen sind am Thema dran.
Nur die Schweiz war schneller. Unter dem Namen Futuricum entstehen in Winterthur ZH längst auf Elektro umgerüstete Volvos – ob Sattelzug, ob Müllwagen. Klar hat auch Tesla Ideen: 800 Kilometer soll der Semi Truck wohl schon nächstes Jahr kommen, müsste Schätzungen zufolge aber einen Akku von über sieben Tonnen schleppen, was der Nutzlast nicht gerade hilft.
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Langstrecken mit Wasserstoff
Dass sich Batterie-Laster durchsetzen, scheint klar: Die Betriebskosten sind tiefer. Aber der Fernverkehr, in dem Diesel-LKW locker 2500 Kilometer und mehr schaffen? Es laufen sogar Versuche mit Oberleitungen. Aber das ganze Autobahn-Netz elektrifizieren? Realistischer erscheint für den Fernverkehrs-LKW die Brennstoffzelle: Der enorme Preis (teuer wie ein Kompaktwagen) der Brennstoffzelle ist hier weniger entscheidend als die Betriebskosten, und die Nutzlast wird dadurch weniger vermindert als durch monströse Batterien.
Technisch ist auch der Brennstoffzellen-Truck ein Elektro-Truck – nur dass der Strom mithilfe von Wasserstoff in der Brennstoffzelle erzeugt wird. Experten und Autoleute sind sich einig: Wenn etwas die Infrastruktur (bislang gibts in der Schweiz zwei Wasserstoff-Tankstellen) und bezahlbare Brennstoffzellen anschiebt, dann der Brennstoffzellen-Laster. «In den nächsten fünf bis zehn Jahren wird bei Personenwagen batterieelektrisch dominieren», betont etwa Daimler-Boss Ola Källenius (51), «aber es gibt Fälle mit hohem Energiebedarf auf der Nutzfahrzeug-Seite, bei denen eine Batterie nicht ideal ist: Vielleicht sollte man keine Sieben-Tonnen-Batterien im LKW einbauen. Daher fokussieren wir unsere Brennstoffzellen-Aktivität auf Nutzfahrzeuge und arbeiten am Joint Venture mit Volvo.» Mercedes will nach 2025 so 1000 Kilometer Reichweite bieten.
Die Schweiz ganz vorne
Auch hier fährt die Schweiz voran – mit Hyundai. Die ersten Xcient Fuel Cell sind schon hier, bis Ende Jahr sollen es 50, bis in fünf Jahren 1600 sein. Der Xcient kommt 400 Kilometer weit. Gewicht: 9,8 Tonnen. Gesamtgewicht solo bis 19, als Zug bis 36 Tonnen. Dahinter stecken der Verein H2 Mobilität und die Firma H2 Energy, die auch Tankstellen (bislang Hunzenschwil AG und St. Gallen) antreiben. Nur eine Vision? Mal schauen: Als 1886 erste Autos mit Verbrennungsmotor starteten, kam das Benzin noch aus der Apotheke.
Dass es noch dauert, ist freilich unbestreitbar. Der Feuerwehr-Fahrzeugbauer Rosenbauer (A) lässt jetzt Elektro-Tanklöschfahrzeuge in Praxistests laufen. Der RT ist dank des per Akku tiefen Schwerpunkts toll zu fahren, hat aber wenig Reichweite – und darum einen V6-Diesel, der bei Bedarf als «Range Extender» die Akkus und die im Einsatz benötigten Aggregate versorgt.