Wochenlang hat man in Amerika auf diesen Moment hingefiebert: Die erste TV-Debatte der Präsidentschaftswahlen 2020. Donald Trump (74) gegen Joe Biden (77) – der US-Präsident gegen seinen Herausforderer von den US-Demokraten. Herausgekommen ist das grösste Debatten-Chaos, das Amerika je gesehen hat.
Vor einem Millionenpublikum haben sich die beiden Kandidaten am Dienstagabend 90 Minuten lang in Cleveland gezofft, beleidigt und nebenbei über wichtige Themen debattiert. BLICK zeigt die wichtigsten 8 Punkte des Polit-Spektakels:
1. Trump redet Biden konsequent dazwischen – Moderator bricht Diskussion ab
Die Abmachung war klar: Beide Kandidaten sollten zwei Minuten pro Thema ungestört sprechen können – bevor darüber gemeinsam debattiert wird. Doch davon will Donald Trump nichts wissen. Von der ersten Minute an fällt er seinem Gegner ins Wort, unterbricht ihn ständig. Joe Biden wirkt darüber frustriert, schüttelt immer wieder den Kopf, lächelt gezwungen. Auch der Demokrat fällt aber, je länger die Debatte dauert, in Trumps Muster und fängt an, sein Gegenüber zu unterbrechen. Dabei entsteht zuweilen ein wildes Durcheinander, ohne dass die Worte der jeweiligen Kandidaten klar verständlich sind.
Zeitweise klingt das so: Als Trump seinen Gegner Biden unterbricht, fordert Moderator Chris Wallace (72) den Präsidenten auf: «Können Sie ihn aussprechen lassen?» Biden wirft ein: «Er weiss nicht, wie das geht.» Trump zieht eine Grimasse, spricht trotzdem weiter. Biden: «Würden Sie die Klappe halten?»
Nach knapp einer Stunde erinnert die TV-Debatte eher an einen Kindergarten, als an eine politische Auseinandersetzung. Nachdem Trump Anschuldigungen über Bidens Familie hervorgebracht hat, will dieser reagieren. Biden setzt immer wieder zu einer Antwort an, doch der Präsident fährt dazwischen. Beinahe Wort für Wort, Satz für Satz. Rund drei Minuten dauert dieses Schauspiel. Moderator Wallace versucht immer wieder, Trump zu bändigen – vergeblich.
Dann bricht Wallace die Diskussion rund um das Thema ab, tadelt den Präsidenten vor einem Millionenpublikum: «Ich denke dem Land wäre besser gedient, wenn wir beiden Leuten erlauben würden, mit weniger Unterbrechungen zu sprechen. Ich appelliere an Sie, Sir, dies zu tun.» Trump erwidert: «Aber ihm auch. Er tut das genügend.» Wallace: «Offen gesagt, Sie haben mehr unterbrochen.»
2. Corona-Pandemie: Beide Kandidaten spotten
Der Coronavirus-Pandemie, die in den USA bereits über 205'000 Menschen das Leben gekostet hat, wird besonders viel Zeit gewidmet. Biden kritisiert Trump für seine Politik. Er habe schon im Februar über die Gefahr durch Covid-19 Bescheid gewusst. «Aber er hat gewartet und gewartet und gewartet. Er hat noch immer keinen Plan.» Trump entgegnet: «Wenn wir auf Sie gehört hätten, wäre das Land weit geöffnet gewesen.» Der US-Präsident streicht hervor, dass er bereits Ende Januar einen Einreisestopp aus China verhängt hat. «Ich habe einen grossartigen Job gemacht», lobt sich Trump selbst.
Emotional wird es bei der Maskenfrage. Trump spottet: «Ich trage Masken nicht wie Joe. Er tritt mit der grössten Maske auf, die ich je gesehen habe.» Dann zieht der US-Präsident eine Maske aus der Tasche, hält sie in die Kameras. «Ich habe eine Maske hier. Ich trage eine Maske, wenn ich denke, dass ich eine Maske brauche.» Das Problem dabei: Trump war noch lange ohne Maske aufgetreten, als die Gesundheitsbehörde CDC ausdrücklich dazu geraten hatte. Ihm war vorgeworfen worden, ein schlechtes Beispiel abzugeben. Auch Biden bringt dies am Dienstagabend zur Sprache, bezeichnet das Verhalten des US-Präsidenten als «unverantwortlich».
Dann kommen Trumps Wahlkampfveranstaltungen, die er inmitten der Covid-19-Pandemie durchgeführt hatte, zur Sprache. Der Republikaner verteidigt diese Veranstaltungen mit Tausenden Anhängern – mit einem Seitenhieb an die Adresse von Biden: «Niemand kommt zu seinen Wahlkampfveranstaltungen.» Und weiter: «Wenn Sie die Massen bekommen könnten, würden Sie dasselbe machen.»
Biden schlägt beim Corona-Thema zurück, nimmt Trump auf die Schippe: «Vielleicht sollten Sie sich Bleichmittel spritzen.» Dabei bezieht sich der Demokrat auf eine Aussage des US-Präsidenten im Frühling, die für viel Aufsehen gesorgt hatte. Trump hat damals Forscher ermuntert, im Kampf gegen das Coronavirus zu prüfen, Menschen direkt Desinfektionsmittel zu spritzen. Der US-Präsident kontert den Seitenhieb mit der Erklärung: «Das war Sarkasmus und du weisst das.»
3. Trump beleidigt Bidens Familie
Ein Tiefpunkt wird erreicht, als der US-Präsident die Bidens Familie angreift. Der Demokrat greift zuerst eine Geschichte auf, die besagt, dass Trump Mitglieder des amerikanischen Militärs als «Verlierer» und «Trottel» bezeichnet hatte. Bidens Sohn Beau (†46), der 2015 an Krebs starb, war in der US-Armee. «Mein Sohn und alle anderen sind keine Verlierer und auch keine Trottel», sagt er an Trump gerichtet. Der US-Präsident bestreitet, solche Aussagen je getätigt zu haben. Er beschuldigt Joe Bidens zweiten Sohn Hunter (50) der Korruption in der Ukraine. Ein Vorwurf, der sich bislang nie erhärten liess.
Und dann setzt Trump zu einem Schlag weit unter der Gürtellinie an. Er erwähnt Hunter Bidens Drogenvergangenheit, behauptet, Hunter sei wegen Kokainkonsums «unehrenhaft» aus dem Militär ausgeschieden. Biden, sichtlich überwältigt von dieser Anschuldigung, dementiert dies und richtet sich an die Zuschauer: «Hunter hatte wie viele Amerikaner ein Drogenproblem. Er hat daran gearbeitet und es letztlich gelöst.» Während Trump erneut versucht, Biden über den Mund zu fahren, sagt der Demokrat noch: «Ich bin stolz auf meinen Sohn.»
4. Gewalt in US-Städten – Trump verurteilt Rechtsradikale nicht
Die Gewalt in amerikanischen Städten ist eines der zentralen Wahlkampfthemen von Trump. Er verspricht den Wählern eine Politik von «Recht und Ordnung» – so will er der Gewalt ein Ende setzen. Der Präsident macht immer wieder Linksradikale, die er als «Antifa» bezeichnet, für die Ausschreitungen verantwortlich. Dass dabei erwiesenermassen auch Rechtsradikale mitwirken, wollte Trump bislang nicht wahrhaben. Auch am Dienstagabend nicht: «Fast alles, was ich sehe, ist vom linken Rand, nicht vom rechten Rand», so Trump.
Kommentar zur TV-Debatte
Auf Drängen von Morderator Wallace sagt Trump letztlich, diese Gruppen sollten sich zurückhalten, distanziert sich aber nicht direkt von ihnen, sondern greift erneut die Linksextremen an: «Jemand muss etwas gegen Antifa und die Linke tun, weil dies kein Problem des rechten Flügels ist, sondern ein Problem des linken Flügels.» Ganz anders Joe Biden. «Ich verurteile alle Formen von Gewalt – egal ob von Rechts oder Links.»
5. Gesundheitsreform: Biden bezeichnet Trump als «Clown»
Bei der Diskussion um das Gesundheitssystem gehen die Emotionen erneut hoch. Trump beschuldigt Biden, eine «radikale» Reform des linken Senators Bernie Sanders (79) zu unterstützen. Dieser will eine staatliche Einheitskrankenkasse («Medicare for all»). Biden kontert, dass er nicht die gleiche Idee wie Sanders habe. Trump redet dazwischen, frohlockt: «Du hast soeben die Unterstützung der Linken verloren.» Biden lächelt, sagt in die Kameras: «Alles, was er bisher gesagt hat, ist einfach eine Lüge. Jeder weiss, dass er ein Lügner ist. Haben Sie eine Ahnung, was dieser Clown tut?»
6. Erderwärmung: Trump leugnet Klimawandel nicht mehr
Kleine Überraschung gegen Ende der Debatte: Trump räumt erstmals einen Einfluss des Menschen auf den Klimawandel ein. Auf die Frage, ob er glaube, dass Umweltverschmutzung und Treibhausgase zur Erderwärmung beitrügen, sagt Trump: «Viele Dinge tun das, aber in einem gewissen Ausmass: ja.» Bislang hatte der US-Präsident den Klimawandel stets vollständig geleugnet.
Biden kündigt an, den von Trump angekündigten Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen rückgängig zu machen. Doch der Klimaplan des Demokraten, der am Dienstagabend kurz Thema ist, gefällt Trump überhaupt nicht. Bidens Umweltschutzpläne seien «unbezahlbar». Er behauptet ausserdem, dass dann keine Flugzeuge mehr fliegen würden und dass Bidens Demokraten die Haltung von Kühen unmöglich machen würden.
Mehr zu den US-Wahlen
7. Biden will Wahlergebnis anerkennen – Trump gibt sich bedeckt
Eine friedliche Machtübernahme gilt in den USA eigentlich als garantiert. Trump macht sich nun aber daran, dieser Selbstverständlichkeit ein Ende zu setzen. Vergangene Woche wollte er sich nicht festlegen, das Wahlergebnis zu akzeptieren. «Nur wenn es eine faire Wahl ist», so Trump. Dass er seiner Ansicht nach gar nicht «fair» verlieren könne, hat er auch am Dienstag wiederholt. «Es werden Tausende von Stimmzetteln manipuliert – das kann ich nicht akzeptieren.» Der Präsident spricht sich auch erneut entschieden gegen die Briefwahl aus, da diese Stimmen aus seiner Sicht leicht zu manipulieren seien.
Biden rief die Amerikaner derweil dazu auf, so zu wählen, «wie es euch am besten passt» – ob per Briefwahl oder direkt an der Wahlurne. Trump versuche, die Bürger von der Stimmabgabe abzuhalten. Daher sage er selbst: «Kommt und wählt, wählt, wählt!» Er werde jedenfalls jedes Ergebnis akzeptieren, ob er die Wahl nun gewinnen oder verlieren werde. Biden sagt mit Blick auf eine allfällige Wahlniederlage Trumps: «Dann kann er nicht im Amt bleiben, das wird nicht passieren.»
Analysen zur US-Wahl
8. Trump fühlt sich von Fox-News-Moderator ungerecht behandelt
«Mein Job ist es, so unsichtbar wie möglich zu sein», sagte Moderator Chris Wallace (72) vor der TV-Debatte. Er gilt als «letzter Journalist» beim Trump-freundlichen Sender Fox News. Und Wallace hat am Dienstagabend die wohl schwierigste Aufgabe in seiner Karriere. Trump redet ständig dazwischen, der Moderator muss immer wieder für Ordnung sorgen – sehr oft vergeblich. Die Debatte gleitet ihm aus den Händen.
Der US-Präsident bekundet bereits zu Beginn ein Problem mit dem Moderator. «Ich schätze, ich debattiere mit Ihnen, nicht mit ihm. Aber das ist okay, ich bin nicht überrascht», sagt er an Wallace gerichtet. Dieser hatte zuvor Trump unterbrochen, weil dieser Biden über den Mund gefahren ist. Ob da ein bisschen Frust beim Republikaner mitgeschwungen ist? Im Juli sorgte eben dieser Wallace mit einem kritischen Trump-Interview für Aufsehen: Er sprach den US-Präsidenten damals gnadenlos auf dessen Corona-Management an – und nahm einen von Trump vorgelegten Intelligenztest auseinander.
Am 3. November 2020 fanden in den USA die Präsidentschaftswahlen statt. Der amtierende Präsident Donald Trump konnte sein Amt nicht verteidigen. Herausforderer Joe Biden hat die Wahl für sich entschieden.
Alle aktuellen Entwicklungen zu den Wahlen und Kandidaten gibt es immer im Newsticker, und alle Artikel zum Thema finden Sie hier auf der US-Wahlen-Seite.
Am 3. November 2020 fanden in den USA die Präsidentschaftswahlen statt. Der amtierende Präsident Donald Trump konnte sein Amt nicht verteidigen. Herausforderer Joe Biden hat die Wahl für sich entschieden.
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