BLICK auf die USA: US-Korrespondent Nicola Imfeld über vier Jahre mit dem Präsidenten und einen grossen Irrglauben
Wer Donald Trump wirklich ist

Jede Woche schreibt USA-Korrespondent Nicola Imfeld in seiner Kolumne über ein Thema, das jenseits des Atlantiks für Aufsehen sorgt. Heute geht es um den US-Präsidenten Donald Trump – wie er wirklich tickt.
Publiziert: 16.10.2020 um 03:05 Uhr
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Aktualisiert: 17.10.2020 um 14:09 Uhr
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Nicola Imfeld, USA-Korrespondent der Blick-Gruppe.
Foto: Zvg
Nicola Imfeld aus San Diego (USA)

Vier lange Jahre haben wir hier in Amerika mit dem Präsidenten Donald Trump (74) gelebt. Die einen mögen Trump und seine Politik überhaupt nicht – viele hassen ihn sogar. Den anderen gefällt seine Arbeit – viele lieben ihn auch. Ob Befürworter oder nicht, ausser Frage steht: Trump polarisiert wie kein anderer US-Präsident vor ihm.

Bemerkenswert ist, dass die viel zitierte Trump-Müdigkeit in der Bevölkerung nicht festzustellen ist. Das Interesse an seiner Person ist ungebrochen – das wissen wir Medienschaffenden aus erster Hand. Man regt sich über Trump auf, macht sich über ihn lustig oder aber man feiert seine unkonventionelle Art. Was alle vereint ist die Faszination über die Person Trump – seine Politik rückt oft in den Hintergrund.

Trotz dieses immensen Interesses gibt es über den Menschen Donald Trump immer noch einen weit verbreiteten Irrglauben. Von vielen wird er falsch eingeschätzt, auch weil Trump in den Medien seit Jahren unkorrekt porträtiert wird. Zeit, dies richtigzustellen.

Impulsiver Trump auf Twitter? Ein Märchen!

Der US-Präsident wird gerne als impulsiv, irr oder wahnsinnig bezeichnet. In wenigen Situationen mag das zugetroffen haben, aber meistens ging Trump nüchtern und kalkuliert vor. Zum Beispiel: Der impulsive Trump auf Twitter? Ein Märchen. Eine enge Freundin des US-Präsidenten hat mir einmal gesagt, dass er keinen einzigen Tweet selbst abgeschickt hat. Das mag zutreffen oder nicht, klar ist aber: Trumps Unberechenbarkeit ist sein grösstes Kalkül.

Beobachten kann man das in seinem Umgang mit den Medien. Immer, wenn der US-Präsident wegen eines persönlichen Skandals in der Kritik stand, sorgte er prompt für eine neue Kontroverse. In dieser Flut von News geht der letzte Skandal – so schlimm er auch gewesen sein mag – schnell vergessen.

Trump beherrscht das Spiel mit den Medien wie kein anderer. Und die grossen amerikanischen Verlage machen das tägliche Drama, unter anderem aus wirtschaftlichen Gründen, immer noch mit. Fairerweise befindet sich jeder amerikanische Journalist aber auch in einer Zwickmühle, denn: Das Wort eines US-Präsidenten, dem mächtigsten Menschen der Welt, hat Gewicht. Berichten muss man – die Frage ist nur wie.

Wie sich Trump seine «alternativen Fakten» erarbeitete

Trumps tägliche Lügen sind nicht die Aussagen eines 74-Jährigen, der den Verstand verloren hat. Sie sind Teil der Ablenkung und dienen der eigenen Propaganda. Dass seine Anhänger diese offenkundigen Falschaussagen auch glauben, ist Trumps kalkulierter Rhetorik geschuldet. Er hat «Fake News» zwar nicht erfunden, den Begriff aber wieder populär gemacht.

Trump diffamiert die Medien täglich, hat Journalisten wiederholt als «Feinde des Volkes» bezeichnet. Dass er sich bei seinen Anhängern glaubhaft als Polit-Aussenseiter verkauft hat, der den «Sumpf von Washington trocken legt», macht ihn als Präsidenten plausibel. So konnte Trump bei seinen treuen Fans – geschätzt 35 Prozent – eine Welt mit eigenen Fakten schaffen. Trumps Beraterin Kellyanne Conway bezeichnete diese einmal als «alternative Fakten».

Wahlen sind ein Referendum über die Person Trump

Donald Trump ist nicht ein Präsident der Inhalte oder Fakten. Er ist auch kein Präsident für das amerikanische Volk. Zuallererst ist er ein Präsident für sich selbst. Ein Narzisst aus dem Lehrbuch, das besagt: Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung (NAR) sind meist nicht konfliktscheu und handeln äusserst kalkuliert.

Der US-Präsident machte in diesen vier Jahren eine Politik, über die viel zu wenig debattiert wurde. Vieles war schlecht, einiges aber war auch gut. Trump ordnete derweil alles seinem einzigen Ziel unter: gewinnen.

Ob dieses Kalkül aufgeht, können die Amerikaner in drei Wochen entscheiden. Klar ist: Die Präsidentschaftswahl 2020 ist kein Duell zweier Kandidaten. Es ist auch keine Abstimmung über Inhalte oder Politik. An erster Stelle ist die Wahl am 3. November ein Referendum über die Person Donald Trump.

US-Wahlen 2020

Am 3. November 2020 fanden in den USA die Präsidentschaftswahlen statt. Der amtierende Präsident Donald Trump konnte sein Amt nicht verteidigen. Herausforderer Joe Biden hat die Wahl für sich entschieden.

Alle aktuellen Entwicklungen zu den Wahlen und Kandidaten gibt es immer im Newsticker, und alle Artikel zum Thema finden Sie hier auf der US-Wahlen-Seite.

Am 3. November 2020 fanden in den USA die Präsidentschaftswahlen statt. Der amtierende Präsident Donald Trump konnte sein Amt nicht verteidigen. Herausforderer Joe Biden hat die Wahl für sich entschieden.

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