Leidet Trump unter Realitätsverlust?
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Buch enthüllt:Trump redete Corona-Gefahr bewusst klein

BLICK auf die USA: US-Korrespondent Nicola Imfeld über die Woodward-Enthüllungen und deren Auswirkungen
Trump ist jetzt ein überführter Volksverräter

Jede Woche schreibt USA-Korrespondent Nicola Imfeld in seiner Kolumne über ein Thema, das jenseits des Atlantiks für Aufsehen sorgt. Heute geht es um die Enthüllungen von Bob Woodard und deren Auswirkungen auf die Präsidentschaftswahlen.
Publiziert: 10.09.2020 um 22:25 Uhr
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Aktualisiert: 21.09.2020 um 10:03 Uhr
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Nicola Imfeld, USA-Korrespondent der Blick-Gruppe.
Nicola Imfeld aus San Diego (USA)

Im Juli habe ich in meiner Kolumne Donald Trumps Corona-Politik kritisiert und argumentiert: «Trump gehört für Corona auf die Anklagebank.» Diese Woche, rund zwei Monate später, hat die ganze Welt nun den handfesten Beweis erhalten: Der US-Präsident hat die Gefahren der Coronavirus-Pandemie bewusst heruntergespielt und somit Zehntausende von Toten im eigenen Land mitzuverantworten.

Es sind die explosiven Enthüllungen von Bob Woodward (77), die Donald Trump (74) schonungslos überführen. Der Watergate-Journalist hat den Präsidenten für sein neues Buch «Rage» insgesamt 18 Mal interviewt – und alles auf Band aufgezeichnet. Dass Trump die Pandemie zuerst verschlafen und sein Land in der Folge miserabel durch die Krise geführt hat, war anhand der Fakten schon vor diesen Enthüllungen nicht von der Hand zu weisen.

Der Beweis: Trump hat das Volk angelogen

Jetzt aber kann jeder selbst mit anhören, wie Trump sein Land völlig bewusst verraten hat: Er war sich über die Gefahren im Klaren und hat das amerikanische Volk über Monate hinweg trotzdem angelogen. Konkret: Als der US-Präsident im Februar in der Öffentlichkeit sagte, die Pandemie sei ein «Schwindel der Demokraten» und das Coronavirus mit einer saisonalen Grippe verglich, sagte er Bob Woodward hinter den Kulissen: «Es überträgt sich über die Luft. Das ist sehr heikel. Das Virus ist auch tödlicher als die normale Grippe.»

Der ultimative Beleg, dass Trump die Gefahren kleingeredet hat, ist die Tonaufnahme von einem Gespräch am 19. März: «Ich wollte es immer herunterspielen. Ich spiele es auch immer noch gern herunter, weil ich keine Panik erzeugen will», sagte er zu Bob Woodward.

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Trump wusste am Mittwochmorgen, als die Tonaufnahmen veröffentlicht wurden, haargenau, was es geschlagen hat. Journalisten oder Medien anzugreifen und das Buch als «Fake News» abzutun – das ging diesmal wegen der Tonaufnahmen nicht. Also erklärte er sich auf seinem Lieblingssender Fox News in einem Interview: «Ich bin der Führer des Landes, ich kann nicht auf und ab springen und die Leute erschrecken.»

Warum Trump sein Volk verraten hat

Selbstverständlich sollte der US-Präsident keine Panik erzeugen. Und schon gar nicht sollte er «auf und ab springen». Was ein Anführer eines Landes in einer Krisensituation aber tun sollte, ist sachlich und ehrlich zu informieren. Sagen, was man mit Sicherheit weiss und erklären, was noch ungewiss ist. Das ist Leadership!

Donald Trump aber hat das amerikanische Volk an der Nase herumgeführt und verraten. Und alles nur aus egoistischen Gründen: Die Börsenkurse an der Wall Street sollten im grünen Bereich und die Wirtschaft stabil bleiben, damit seine Wiederwahl nicht gefährdet wird. Dass dabei wichtige Tage, Wochen und gar Monate verstrichen, ohne dass er die Gefahren anerkannte – geschweige denn einen Plan entwickelte – war Trump egal.

Die Folgen dieses Handelns spiegeln sich heute sichtbar in der Statistik wider: Kein anderes Land hat so viele Corona-Fälle oder Todesopfer zu beklagen wie die USA. Obwohl Amerika mit seinen rund 330 Millionen Einwohnern nur rund vier Prozent der Weltbevölkerung ausmachen, vereinen sie knapp 20 Prozent der Corona-Fälle und Toten auf sich. Und: Anders als in Europa, Asien oder Australien hat man in den USA die Pandemie zu keinem Zeitpunkt in den Griff bekommen.

Die Auswirkungen auf die US-Wahlen

Bob Woodwards Buch «Rage», das kommende Woche im Handel erhältlich sein wird, dürfte trotz diesen explosiven Enthüllungen nichts Grundlegendes am Ausgang der Präsidentschaftswahlen ändern. Zu abgestumpft sind die Amerikaner – schliesslich sind in den vergangenen Wochen und Monate ständig neue Enthüllungsbücher über Trump erschienen: Jenes von John Bolton (71), seinem ehemaligen Nationalen Sicherheitsberater, jenes seiner Nichte Marry Trump (55) oder die Memoiren von seinem Ex-Anwalt Michael Cohen (54).

«The Independent» meint aber trotzdem, dass das Buch Trump gerade wegen der Tonaufnahmen politisch zusetzen könnte. Die Zeitung schrieb am Mittwoch sogar, dass Bob Woodward Joe Biden (77) damit zum Präsidenten gemacht habe. Das ist völliger Schwachsinn! Es ist alles wie immer: Die Trump-Gegner empören sich, die Trump-Anhänger verteidigen ihn. Nach vier Jahren voller Skandale sind die Meinungen längst gemacht.

Da kann auch ein Bob Woodward nichts daran ändern, der einst mit der Watergate-Affäre Präsident Richard Nixon (1969–1974) zu Fall gebracht hatte. Knapp fünf Jahrzehnte später hat die Journalistenlegende nun zwar einen weiteren Skandal enthüllt. Aber mit dem Unterschied, dass Trumps Verrat am eigenen Volk politisch ungestraft bleibt. Seine Wahlchancen sind intakt.

Das ist keine gute Nachricht für Amerika.

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US-Wahlen 2020

Am 3. November 2020 fanden in den USA die Präsidentschaftswahlen statt. Der amtierende Präsident Donald Trump konnte sein Amt nicht verteidigen. Herausforderer Joe Biden hat die Wahl für sich entschieden.

Alle aktuellen Entwicklungen zu den Wahlen und Kandidaten gibt es immer im Newsticker, und alle Artikel zum Thema finden Sie hier auf der US-Wahlen-Seite.

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