BLICK auf die USA: US-Korrespondent Nicola Imfeld über die sich zuspitzende Corona-Pandemie in Amerika
Trump gehört für Corona auf die Anklagebank!

Jede Woche schreibt USA-Korrespondent Nicola Imfeld in seiner Kolumne über ein Thema, das jenseits des Atlantiks für Aufsehen sorgt. Heute geht es um die Corona-Pandemie in Amerika – und wer für die prekäre Lage verantwortlich ist.
Publiziert: 17.07.2020 um 02:09 Uhr
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Aktualisiert: 10.09.2020 um 14:18 Uhr
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Nicola Imfeld, USA-Korrespondent der Blick-Gruppe.
Foto: Zvg
Nicola Imfeld aus San Diego (USA)

Es wird immer ungemütlicher hier in Amerika. Die Corona-Pandemie spitzt sich vor allem im Süden und Westen des Landes dramatisch zu. Am Donnerstag verzeichneten die USA über 71'000 Neuinfektionen – ein Allzeithoch. Wenn sich die Tendenz fortsetzt, könnte man noch im Sommer die von Anthony Fauci (79) unlängst prognostizierte Marke von 100'000 Corona-Fällen pro Tag überschreiten.

In Kalifornien hat man diese Woche an der Uhr gedreht. Ganz im Sinne der Science-Fiction-Komödie «Back to the Future» (USA, 1985) versetzte Gouverneur Gavin Newsom (52) den Bundesstaat in den Total-Lockdown vom Monat Mai zurück. Der einstige Musterschüler Kalifornien ist in den vergangenen Wochen zusammen mit dem Rentnerparadies Florida zum Corona-Epizentrum des Landes geworden.

Anders als in Europa, Asien oder Australien hat man in Amerika die Pandemie zu keinem Zeitpunkt in den Griff bekommen. Trotzdem haben die Bundesstaaten, angefeuert von der Bundesregierung in Washington, in hohem Tempo Lockerungsschritte durchgepeitscht. Die grosse Frage, die man sich in den USA stellen muss: Warum hat sich hier die Lage nicht entspannt? Und wer ist verantwortlich für das Corona-Debakel?

Grosse Mehrheit unzufrieden mit Trumps Corona-Politik

Der Fisch stinkt bekanntlich vom Kopf. Dass US-Präsident Donald Trump (74) die Pandemie zuerst verschlafen und sein Land in der Folge miserabel durch die Krise geführt hat, ist anhand der Fakten und der jetzigen Lage nicht von der Hand zu weisen.

Mittlerweile sieht das auch die grosse Mehrheit der Amerikaner so: In einer aktuellen Umfrage haben 62 Prozent der Befragten Trump ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Nur gerade noch 31 Prozent sind mit der Corona-Leistung des US-Präsidenten zufrieden.

Da hilft es auch nicht, dass sich Trump diese Woche mit dem mehrheitlich geschätzten Gesundheitsexperten Anthony Fauci angelegt hat. Mit einer perfiden Kampagne versuchte das Weisse Haus hinter den Kulissen, den Top-Virologen zu diskreditieren – und wurde dabei in flagranti erwischt.

Jetzt geben auch Republikaner auf

Dass der US-Präsident seinen Kurs immer noch nicht geändert hat und weiterhin auf eine schnelle Öffnung der Wirtschaft pocht, zeigt seine politische Besessenheit. Trumps Absichten sind klar: Den Amerikanern soll eine Normalität vorgegaukelt werden, damit er im November wiedergewählt wird. Koste es, was es wolle. Und in der Corona-Pandemie beziehen sich die Kosten auf Menschenleben!

Der wohl grösste Fehler der Bundesregierung ist aber der noch immer fehlende Pandemie-Plan. Die Bundesstaaten sind auf sich allein gestellt. Und die Hoffnung, dass sich der US-Präsident doch noch besinnen könnte, haben nun auch einige Republikaner aufgegeben. So zum Beispiel der Gouverneur von Maryland. Larry Hogan (64) schreibt in einem Gastbeitrag in der «Washington Post»: «Irgendwann war klar, dass es hoffnungslos ist, darauf zu warten, dass der Präsident uns durch diese Krise führt. Wenn wir noch länger warten, würden wir noch mehr unserer Bürger zu Leid und Tod verurteilen.»

Trump ist der Hauptschuldige – nicht die Bürger

Experten versuchen das amerikanische Corona-Debakel auch mit einem Mentalitäts- und Bildungsproblem zu erklären. So prangerte Fauci zuletzt eine grosse Anzahl Menschen an, die eine «Anti-Wissenschafts, Anti-Autoritäts- und Anti-Impf-Einstellung» an den Tag legen würden.

Unrecht hat Fauci damit nicht. Gerade in den Südstaaten ist dies derzeit zu beobachten, wo die Menschen traditionelle Überzeugungen höher gewichten als wissenschaftliche Erkenntnisse. Am besten verdeutlicht sich das bei der Maskenfrage: Im republikanisch geprägten Süden weigern sich die konservativen Politiker, eine Maskenpflicht zu verhängen. Noch schlimmer: Sie verhöhnen zum Teil gar den Gebrauch von Schutzmasken – und machen sich so zum Komplizen des Coronavirus. Es ist kein Zufall, dass derzeit insbesondere die Südstaaten stark von der Pandemie betroffen sind.

Doch die Bevölkerung für das Versagen ihrer Politiker verantwortlich zu machen, greift zu kurz. Schliesslich war es ihr Präsident, der sich bis vor Kurzem aus rein politischen Überlegungen geweigert hat, eine Maske zu tragen.

In der Schweizer Armee pflegt man zu sagen, dass die Truppe nur so stark ist, wie ihr schwächstes Glied. Zum grossen Leidwesen der Amerikaner ist der Schwächste ausgerechnet der Mächtigste und sitzt im Oval Office des Weissen Hauses. Er hat mit seiner grobfahrlässigen Corona-Politik Zehntausende Tote zu verantworten. Und dafür gehört Trump zuerst abgewählt – und später auf die Anklagebank!

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