In einer nie gesehenen Dominanz walzen die Russen an der Tour de Ski alles nieder. Bei den Rennen in Toblach landeten einmal sieben und einmal acht Russen in den Top Ten. Der beste Nicht-Russe war jeweils Sechster. In der Gesamtwertung stehen fünf Russen in den Top sechs, bei den Frauen ist Julija Stupak Dritte und noch voll im Kampf um den Tour-Sieg. In beiden Teamwertung führen die Russen. Wo man auch hinschaut, sieht man Rot.
Klar, dass da aufgrund der russischen Vergangenheit Fragen aufkommen. Nach den Olympischen Spielen in Sotschi 2014 wurde ein breit angelegtes Staatsdoping enthüllt. Der Ruf der russischen Athleten ist spätestens seither im Eimer. Noch heute ist Russland als Nation etwa bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen nicht zugelassen.
«Einfach zu denken, dass die alle nicht sauber sind»
Geht da also alles mit rechten Dingen zu im Moment? «Sie sind sehr stark, vielleicht noch einmal besser geworden. Eine solche Dominanz habe ich noch nie erlebt», sagt Dario Cologna. Der 34-Jährige will die Russen aber nicht unter Generalverdacht stellen. «Es wäre einfach zu denken, dass die alle nicht sauber sind. Aber klar, dort ist viel gelaufen, das nicht gut ist.»
Das weiss auch Markus Cramer. Der Deutsche ist seit sechs Jahren Trainer einiger russischer Athleten in einer eigenen Trainingsgruppe. Die Verdächtigungen täten ihm in der Seele weh, sagt Cramer in der «NZZ». «Ich könnte nicht für das russische Team arbeiten, wenn ich nicht sicher wäre, dass es hier sauber läuft.»
Nationaltrainer mit Doping-Vergangenheit
Kramer trainiert aber nur eine der drei russischen Gruppen. Juri Borodawko steht etwa der Gruppe um Alexander Bolschunow vor, der sogar alle Russen in den Schatten stellt. Er steckt seit Jahrzehnten in den russischen Staatsmühlen, war selber sogar schon zwei Jahre wegen Doping-Verwicklungen gesperrt. Cramer sagt dazu: «Ich bin mir sicher, dass er verstanden hat, dass es zum Gewinnen kein Doping braucht.»
Der Verdacht bleibt, trotz der netten Worte. Aber klar, es gibt auch andere Erklärungen für diese Rote Wand im Langlauf-Weltcup. Der erste liegt auf der Hand. «Die Norweger fehlen, dadurch fällt alles noch mehr ins Gewicht», sagt Cologna. Wichtiger ist aber der grosse Konkurrenzkampf. Dario: «Wenn man so eine Mannschaft hat, pusht man sich gegenseitig.»
Konkurrenzkampf als Rezept
Im Fall der Russen sind es drei hochkarätige Trainingsgruppen, die sich seit Sotschi gegenseitig anstacheln. Wer es bei einem Rennen nicht in die Top Ten schafft, wird für das nächste vielleicht schon nicht mehr aufgeboten. Eine Formsteuerung auf den Saisonhöhepunkt WM im Februar hin, wie es etwa die Schweizer praktizieren, ist da nicht möglich. Man muss von Anfang an voll da sein, um seinen Platz zu sichern.
Der wichtigste Grund ist aber wohl die gewaltige Masse an Talenten. Der russische Langlauf-Cup zieht Woche für Woche hunderte von Teilnehmern an. Und Langlauf-Chefin Jelena Välbe, selber 14-fache Weltmeisterin und Staffel-Olympiasiegerin, hat es geschafft, dieses Reservoir voll auszuschöpfen.
Und aus dem Nichts kommt die Dominanz nicht. Seit Jahren dominieren die Russen auch bei den Junioren-Weltmeisterschaften.
Ob diese Erklärungen aber reichen, um alle Zweifel zu beseitigen. Kaum. Aber Cologna zuckt mit den Schultern. «Im Rennen mache ich mir da keine Gedanken. Ich konzentriere auf meine Leistung. Und beeinflussen kann ich sowieso nichts.»