Forderung nach Nein bei Alkohol-Abstimmung
Jetzt soll die Migros auch den Online-Bierverkauf stoppen

Im Internet will die Migros weiterhin Bier und Wein verkaufen – trotz klarem Nein bei der Alk-Abstimmung. Dagegen formiert sich nun Widerstand.
Publiziert: 18.06.2022 um 19:46 Uhr
|
Aktualisiert: 07.06.2023 um 17:36 Uhr
1/6
So wird es in der Migros auch in Zukunft nicht aussehen: Hochprozentiges beim Tochterunternehmen Migrolino.
Foto: Keystone
Peter Aeschlimann

War das der PR-Coup des Jahrhunderts – oder doch eine monströse Pleite fürs Migros-Management? Man weiss es nicht so recht. Glasklar ist einzig das Resultat der Bier-Abstimmung: Die Basis will keinen Alkohol in den Regalen des Grossverteilers. Die Ablehnung war überall hochprozentig: In der Ostschweiz und in Basel etwa lag der Nein-Anteil bei 76 Prozent, noch am alkoholfreudigsten war das Tessin mit 55 Prozent Nein.

Bleibt also alles beim Alten? Nicht, wenn es nach EVP-Präsidentin Lilian Studer (44) ginge. Die Aargauer Nationalrätin kämpfte an vorderster Front für die Beibehaltung des Status quo. Nach dem klaren Verdikt will sie mehr: «Ich empfehle der Migros dringend, beim Onlinehandel über die Bücher zu gehen.»

Denn im Internet verkauft die Migros weiterhin Alkohol. Die Produkte werden einfach mit einem Denner- oder Partnerlogo versehen. Studer: «Das ist natürlich ein Buebetrickli.» Unterstützung bekommt sie von SVP-Ratskollegin Andrea Geissbühler (45). Die Bernerin fände es spannend, die Basis über ein Alkoholverbot im Onlineshop entscheiden zu lassen.

«Keinen Grund, hier etwas zu ändern»

Doch bei der Migros will man bislang nichts von einer Ausdehnung des Alkoholverbots ins Internet wissen. Die Abstimmung habe diese Frage ausschliesslich für die Filialen geklärt, sagt Medienchef Marcel Schlatter, der Onlineverkauf sei von der Delegiertenversammlung klar abgesegnet. «Es gibt also keinen Grund, hier etwas zu ändern.»

Natürlich geht es um viel Geld. Im Jahr 2020 verdienten Schweizer Detailhändler 2,6 Milliarden Franken mit alkoholischen Getränken. Migros-Tochter Denner ist nach Coop der zweitgrösste Weinhändler der Schweiz. Meistgekaufte Alkoholika im Migros-Onlineshop waren 2021 ein Kochwein für 3.70 Franken, deutsches Billigbier und Schaumwein. In ihrem Blog schreibt die Migros: «Wir sind besonders stolz auf unseren Freund, den Prosecco.»

Als vor zwei Jahren Leshop.ch in Migros Online umbenannt wurde, stellte sich die Zürcher Genossenschaftsrätin Renata Georg (60) die ketzerische Frage: Ist das Alkoholverbot in den Läden noch haltbar? In der SRF-«Arena» Ende Mai sagte die Betriebsökonomin und Initiantin der Abstimmung, dass der Onlinehandel mit Alkohol die Migros-Statuten strapazieren würde. Darin heisst es wörtlich: «Die angeschlossenen Genossenschaften sind verpflichtet, in ihren Verkaufsstellen, die die Bezeichnung Migros tragen, auf den Verkauf von alkoholischen Getränken und Tabakwaren zu verzichten.»

Gegessen ist die Sache noch nicht

Das Migros-Management hat die Schlappe an der Urne in einen Sieg der Demokratie umgedeutet. Ähnliche Töne schlägt nach verlorener Schlacht auch Initiantin Georg an: «Die Schweizerinnen und Schweizer finden es in Ordnung, dass die Migros online, bei Migrolino und bei ihrer Tochter Denner Alkohol verkauft. Diesen Entscheid akzeptiere ich.»

So erfreut sich Sucht Schweiz und das Blaue Kreuz über den Ausgang des Urnenganges zeigten – gegessen ist die Sache für sie damit noch nicht. Sucht-Schweiz-Sprecher Markus Meury sagt: «Nach dieser Abstimmung muss man sich schon fragen, ob Alkoholverkäufe im Internet noch vertretbar sind.» Und Philipp Hadorn, Präsident des Blauen Kreuzes, doppelt nach: «Das klare Verdikt der Abstimmung legitimiert die Prüfung, ob unter dem orangen M weiterhin Alk verkauft werden soll.»

Keine Verbesserung bei Alkoholtestkäufen

Nächste Woche präsentiert Sucht Schweiz die Resultate der Alkoholtestkäufe durch Minderjährige. Vorab darf Sprecher Meury gegenüber SonntagsBlick keine Zahlen nennen. Sicher ist: Verbessert hat sich rein gar nichts. Auch 2021 haben sämtliche Betriebe schlecht abgeschnitten – auch im Internet. «Der Jugendschutz funktioniert überhaupt nicht.»

Bei der Migros ist man sich der Problematik bewusst. Und gelobt Besserung. «Wir arbeiten an einem Altersverifizierungssystem für unseren Onlineshop, welches eine ID-Prüfung für Alkoholkäufe vorsieht», sagt Medienchef Marcel Schlatter. Technisch und datenschutzmässig sei dies jedoch eine Herausforderung, die etwas Zeit benötige. «Mit der neuen Lösung wird die Migros deutlich über den in der Schweiz vorherrschenden Standard hinausgehen.»

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?