Genialer Marketingtrick
Deshalb verkauft die Migros keine alkoholischen Getränke

Das Alkoholverbot in der Migros geht auf das Jahr 1928 zurück. Damals kaufte Gottlieb Duttweiler eine Mostfabrik und übernahm das Gedankengut der Gründer – um den Verkauf anzukurbeln.
Publiziert: 03.11.2021 um 19:08 Uhr
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Aktualisiert: 18.05.2022 um 16:19 Uhr
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Am Anfang des Alkoholverbots in der Migros steht ...
Foto: Keystone
Christian Kolbe

Die Geschichte des Alkoholverbots in der Migros beginnt mit Apfelsaft – oder Most, wie das alkoholfreie Getränk im Volksmund heisst. 1928 übernimmt der Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler (1888–1962) eine beinahe bankrotte Mosterei in Meilen ZH am Zürichsee.

Das Besondere an der 1896 gegründeten Apfelverwertung: Sie hat sich der Volksgesundheit verschrieben. Mit Süssmost solle der übermässige Konsum von billigem Branntwein und Obstler, vor allem unter den Proletariern, bekämpft werden. So ist es auf der Homepage der Migros – Stichwort Geschichte – nachzulesen.

Mit diesem Kauf erwirbt die Migros nicht nur einen weiteren Produktionsbetrieb, «Dutti» übernimmt auch das Engagement der Firmengründer, die sich dem Kampf gegen den Alkohol verschrieben hatten. Denn der volle Name der Mosterei in Meilen lautet «Alkoholfreie Weine AG». In der Migros-eigenen Zeitschrift «Brücke» äussert sich der Migros-Gründer erstmals zum Thema Alkohol. Ein Mann, der davor einem guten Glas Wein oder einer Zigarre nicht abgeneigt war. «Wo Most zu Schnaps gebrannt wird, bedeutet er – übermässig genossen – Zerstörung der Gesundheit, Abnahme an Ehre und Lebensfreude», schreibt Duttweiler.

Kampf gegen die «Kolosse des Alkoholkapitals»

«Dutti» macht aus der Not eine Tugend. Die Not: Mit dem Kauf der Mosterei hat sich der Unternehmer verschuldet, braucht dringend Geld. Die Tugend: der Kampf gegen die Volksdroge Alkohol. Einmal mehr setzt er auf die Strahlkraft des Einzelkämpfers, der für tiefere Preise und gesunde Kunden den Kampf mit dem Grosskapital auf sich nimmt. «Was ist die isolierte, alleinstehende Migros gegen die Kolosse des Alkoholkapitals und der Nahrungsmittelindustrie?», fragt er in der «Brücke».

Die Marketingstrategie – wie es heute heissen würde – geht auf: «Dutti» senkt die Preise, verkauft die Flaschen im Multipack und wandelt drei seiner legendären Verkaufswagen in «Getränkeautos» um. Diese stossen in ihr Signalhorn, touren durch Zürich und machen aus dem Süssmost ein Volksgetränk, das sich auch Käuferschichten mit geringem Einkommen leisten können.

Volksgetränk Süssmost

Die Lager in der Mosterei in Meilen leeren sich, das Geschäft brummt. Nur eines ist klar: Der Siegeszug des Süssmosts lässt keinen Platz für Alkohol in der Migros. Ein Preis, den Duttweiler offenbar zu zahlen bereit ist. Das Alkoholverbot für die Migros-Märkte hält bis heute, wird erst jetzt wieder einmal infrage gestellt (Blick berichtete).

Wobei: Ganz alkoholfrei geht es selbst in Migros-Supermärkten nicht zu und her. Bereits zu Duttweilers Lebzeiten führte die Migros alkoholhaltige Lebensmittel wie Kirschtorten oder Pralinen im Sortiment. Denn im Vertrag mit den Genossenschaften ist lediglich das Grundprinzip der Migros festgehalten, keine alkoholhaltigen Getränke zu verkaufen.

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