Herr Bundesrat, wie haben Sie von den Anschlägen in Paris erfahren?
Didier Burkhalter: In der Nacht auf Samstag, als ich plötzlich eine Reihe von E-Mails erhalten habe. Ich habe sofort meinen französischen Amtskollegen Laurent Fabius per SMS kontaktiert.
Was sind Ihre ersten Gedanken?
Zunächst das Gefühl der Freundschaft mit unserem Nachbarn Frankreich: Wir sind Frankreich geografisch nahe, teilen aber auch zentrale Werte wie Freiheit und Solidarität. Dann aber auch den Willen zum Widerstand und zum aktivem Handeln: Wir müssen die Sicherheit unserer Gesellschaften garantieren und unsere freie Gesellschaft verteidigen. Die beste Art, dies zu tun, ist die Prävention: Dadurch muss ein solcher gewalttätiger Extremismus verhindert werden. Auch müssen unsere Nachrichtendienste die notwendigen Mittel erhalten - gegen das Gesetz gibt es jetzt ein Referendum. Und wir müssen unsere Anstrengungen verstärken, um die Konflikte politisch zu lösen und auch um den Menschen vor Ort humanitäre Hilfe zu leisten und Perspektiven zu schaffen. Ganz wichtig ist auch, dass der Weltfonds gegen gewalttätigen Extremismus in Genf jede Unterstützung erhält.
Wie kann die Schweiz Frankreich helfen?
Unsere Sicherheitsbehörden stehen im engen Kontakt zu den französischen Behörden und unterstützen auch in Paris selbst die Ermittlungen. Insbesondere untersuchen sie, ob von den Attentaten in Paris Verbindungen in die Schweiz führen. Die Schweizer und französischen Ermittlungsbehörden tauschen ihre Informationen aus. Das EDA klärt ausserdem über die Schweizer Botschaft in Paris im Kontakt mit den französischen Behörden ab, ob sich unter den Opfern der Attentate auch Schweizer Staatsangehörige befinden. Nach aktuellem Kenntnisstand wurde eine Schweizerin bei den Attentaten verletzt, es gibt aber zum Glück bislang keine Hinweise darauf, dass Schweizer Staatsangehörige bei den Attentaten ums Leben gekommen sind.
Wie steht es um die Sicherheitslage in der Schweiz?
Auch in der Schweiz ist ein solches Ereignis möglich. Vertretungen und Interessen von Staaten, die im Gegensatz zur Schweiz der Koalition gegen den IS angehören, könnten auch in unserem Land Ziel von Attacken sein. Die Schweizer Sicherheitsbehörden wissen um diese Bedrohungslage und richten sich danach aus.
Was bedeutet die Verhängung des Ausnahmezustandes in Frankreich für die Schweiz?
Das bedeutet in erster Linie, dass die Grenzkontrollen verstärkt werden und systematischer durchgeführt werden - zum Beispiel auch bei den Personen, die von der Schweiz nach Frankreich einreisen. Frankreich hat die Grenzen geschlossen.
Was hat das für Konsequenzen?
Frankreich hat seine Grenzen nicht geschlossen, jedoch die Kontrollen verschärft. Diese werden nun fast systematisch durchgeführt. Dadurch wird der Grenzübertritt schwieriger. Auch auf Schweizer Seite wurden die Kontrollen verstärkt, etwa an der schweizerisch-französischen Grenze, an Bahnhöfen oder in internationalen Zügen.
Präsident Holland sagt, Frankreich befände sich im Krieg, der Papst spricht gar vom dritten Weltkrieg. Beurteilt der Aussenminister das gleich?
Wir müssen nun alles Notwendige tun, um unser Land zu schützen, und darüber hinaus alles daran setzen, dass sich die Staaten und Gesellschaften gegen diese Barbarei zusammenschliessen, sie bekämpfen und zurückdrängen. Es handelt sich aber nicht um einen Krieg, sondern um den Kampf gegen den gewalttätigen Extremismus, bei dem der Prävention eine zentrale Rolle zukommt. Wenn es ein Krieg wäre, müsste die Schweiz neutral sein - gegen den Terrorismus kann man aber nicht neutral sein. Die Attentate von Paris, am Freitag aber auch schon gegen «Charlie Hebdo» im Januar, sind wie alle Attentate, bei denen das Leben unschuldiger Menschen in Kauf genommen wird oder gar gezielt vernichtet werden soll, menschenverachtend, feige und barbarisch. Sie sind ein Angriff auf die Würde der Menschen, die Freiheit, die Verantwortung und die Solidarität.