Terrorismus-Experte Peter Neumann über die Blutnacht von Paris
«Eine neue Dimension des IS-Terrors»

Über 120 Tote bei sieben fast zeitgleichen Anschlägen: Die Terror-Welle in Frankreichs Hauptstadt stellt laut dem renommierten Terror-Experten Peter Neumann eine neue Stufe des IS-Terrors dar. Und er ist überzeugt: «Kein Staat kann sich sicher fühlen.»
Publiziert: 14.11.2015 um 12:47 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 18:56 Uhr
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Hier in diesem Haus im Quartier La Madeleine in Chartres soll der Terrorverdächtige Mostefai zusammen mit seiner Familie gelebt haben – zumindest bis 2013, sagen seine Nachbarn.
Foto: AP
Von Lea Hartmann

Bislang war bei islamistischen Attentaten meist von «einsamen Wölfen» die Rede, die die Attacke verantworteten. Bei den gestrigen Anschlägen hingegen handelte es sich um eine koordinierte Aktion der Terrormiliz IS. Wie ist dies zu beurteilen?
Peter Neumann*: Das ist sehr überraschend. Es handelte sich um eine relativ komplizierte Attacke mit verschiedenen involvierten Attentätern – das ist deutlich anspruchsvoller als das, was man bisher von IS gesehen hat. Komplex ist einerseits die Koordination, andererseits ist auch die Herstellung von Suzidwesten kein Leichtes. Das ist nichts, was man einfach so zusammenbasteln kann. Die Materialien müssen im richtigen Verhältnis gemischt werden und man muss acht geben, sich dabei nicht in die Luft zu sprengen. Insofern ist die Ausführung der Attentate ein Hinweis darauf, dass die Täter über eine gewisse Erfahrung verfügten oder zumindest Unterstützung von anderen Terroristen erhielten.

Frankreich hat in der Nacht auf heute Grenzkontrollen eingeführt, um mögliche Komplizen an der Ausreise zu hindern. Was glauben Sie: Wie viele Personen sind in die Anschlags-Serie involviert?
Dass es Komplizen gibt, ist bei der Komplexität der Anschlags-Serie sehr wahrscheinlich. Es kann gut sein, dass Dutzende Leute direkt oder indirekt an den Attentaten beteiligt sind. Möglich ist aber auch, dass es nur zwei oder drei Helfer gibt.

Peter Neumann, Professor am King's College in London.
Foto: King's College

Weniger als ein Jahr ist es her, seit der Anschlag auf die Redaktion der Satirezeitschrift «Charlie Hebdo» Paris erschütterte – nun folgt bereits die nächste Welle des Terrors. Warum trifft es Frankreich?
Wir wissen, dass die Mobilisierung von Dschihadisten in Frankreich ganz besonders intensiv erfolgt. 1500 Personen sind von Frankreich aus nach Syrien in den Dschihad gezogen – das ist viel. Grundsätzlich hätte es aber auch jeden anderen Staat treffen können. Terrorismus-Experten wie ich haben schon seit einiger Zeit vorausgesagt, dass eine Welle des Terrors bevorsteht. Kein Staat kann sich sicher fühlen.

Was wird die Anschlags-Serie für Konsequenzen nach sich ziehen?
Erste Auswirkungen sind mit dem Hochschrauben der Sicherheitsmassnahmen ja bereits sichtbar. Doch die Anschläge werden auch politische Folgen haben. Man muss sehen, wie der Einfluss auf das Zusammenleben mit Muslimen im Land sein wird. Es ist vorstellbar, dass die Front National beispielsweise sehr stark von der Angst profitieren wird.

*Der renommierte Terrorismus-Experte Peter Neumann ist Professor am Departement für Kriegsstudien am King's College in London. Vor zwei Monaten erschien sein neustes Buch «Die neuen Dschihadisten. ISIS, Europa und die nächste Welle des Terrorismus».

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