Schwarze Kutten, schwere Motorräder, harte Jungs – doch die Hells Angels sind es nicht. Die Rede ist von deren aktuell grössten Feinden hierzulande, die sie eigentlich gerne wieder loswerden möchten: den Bandidos. Ein erbitterter Revierkampf führte im Mai 2019 in Belp BE zu einer blutigen Schiesserei, bei der es beinahe Tote gegeben hätte.
Der Prozess gegen 22 Rocker, wovon zwei wegen versuchter vorsätzlichen Tötung, einer wegen schwerer Körperverletzung und alle wegen Raufhandels angeklagt sind, begann Ende Mai. Nun soll am Donnerstag um 9 Uhr das Urteil verkündet werden – laut dem Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause (51) unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen.
Ein Insider packt aus
Doch wer sind diese Bandidos eigentlich, die in der Schweizer MC-Szene derart für Furore sorgen? Und warum genau hat es in der Schweiz keinen Platz für einen zweiten Weltklub? Blick konnte mit einem Insider der Schweizer MC-Szene sprechen. Er will anonym bleiben.
Seit diesem blutigen Revierkampf im Jahr 2019 seien die Bandidos, die ihren Ursprung in Texas haben, in der Schweiz ansässig: «Im Gegensatz zu den Hells Angels sind die Bandidos nicht in Chartern – also Ortsverbänden –, sondern in Chaptern organisiert.» Solche Chapter gebe es unterdessen in Sitten VS, Genf und Thun BE. «Genf wurde erst kürzlich gegründet, und auch da kam es zu einer Schiesserei», erklärt er weiter.
So sind die Bandidos organisiert
Im Gegensatz zu den Hells Angels seien die Banditen militärisch organisiert, so der Szenekenner weiter: «Jedes Land hat lediglich einen Vizepräsidenten, der dem Europa-Präsidenten, der sich Kok nennt, in Kopenhagen untersteht. Einen Landespräsidenten gibt es in dem Sinn nicht.» Dann gebe es auf nationaler Ebene – nebst dem Vizepräsidenten – einen Kassier, genannt Treasure, einen Roadcaptain als Planer für Ausflüge, einen Sekretär und einen Sergeant, der für die Sicherheit zuständig sei. Eben diese Organisationsstruktur gebe es auch in den einzelnen Chaptern.
Klar ist: Kommt ein Befehl von oben, so hat sich jedes einzelne Member daran zu halten. «Bei den Hells Angels ist das anders. Da kann jeder machen, was er will, solange er sich an die Grundsätze des Klubs hält», so der Insider.
Regeln und Sanktionen
Beispielsweise gebe es bei den Bandidos ganz klare Regeln, wann man die Kutte tragen dürfe – und wann nicht: «Hells Angels tragen die Kutte ja immer und bei jeder Gelegenheit. Bei den Bandidos ist das anders. Nur wer mit dem Töff unterwegs ist, darf die Bandidos-Kutte tragen. Kurze Hosen zur Kutte sind verboten, schwarze Schuhe sind Pflicht. Und wenn man nicht auf dem Töff unterwegs ist, darf man die Kutte nur in Ausnahmefällen tragen.» Eine Ausnahme sei beispielsweise eine Flugreise an ein Bandidos-Fest.
«Die obersten Gebote sind, dass man nicht lügen oder stehlen darf, und Frauen von anderen Mitgliedern sind tabu. Wer sich nicht an Regeln hält, dem drohen intern Sanktionen», führt der anonyme Anrufer weiter aus. «Das kann in Form einer Degradierung vom Member zum Anwärter sein oder bis zu einem Bad Standing führen.»
Darum ist die Schweiz zu klein für zwei Weltklubs
Bad Standing wird in der Rocker-Szene gerne als «vogelfrei» umschrieben – es bedeutet aber eigentlich, dass diese Person ausgeschlossen und geächtet wird. Dem Mitglied werde der Töff sowie die Kutte weggenommen, und es dürfe sich nicht mehr blicken lassen. Der Szenekenner: «Und wenn ein aktives Mitglied die ausgeschlossene Person irgendwo antrifft, dann muss man zwingend auf den los, und zwar mit allem, was man hat.»
Warum es in der Schweiz offenbar nicht genügend Platz für Höllenengel und Banditen hat, kann er ebenfalls erklären: «Jeder Klub in der Schweiz muss sich bei seiner Gründung bei den Hells Angels vorstellen gehen und ihnen von da an eine Art Mitgliederbeitrag bezahlen, da sie die Szene hierzulande kontrollieren.»
Die Hells Angels seien ein Weltklub, und daher hätten sie gemäss Rocker-Regeln ein Recht, diese Kontrollen zu machen. Doch auch die Bandidos seien ein Weltklub: «Deswegen sind sich die Bandidos auch nie vorstellen gegangen, weil sie das schlichtweg nicht müssen. Man ist den Hells Angels ebenbürtig.» Nun fürchteten aber die Hells, die Macht zu verlieren: «Sie haben natürlich Angst, dass ihnen diese Zahlungen von Mitgliederbeiträgen wegbrechen und die kleineren Klubs plötzlich mit den Bandidos sympathisieren.»
Generell sei es laut dem anonymen Insider ein sehr zeitintensives und teures Hobby, Mitglied in einem MC zu sein: «Bei den Hells Angels muss man mehrere Tausend Franken bezahlen, dass man dort nur schon einen Platz als Anwärter kriegt, um später Mitglied zu werden.» Bei beiden Klubs bezahle man als Mitglied – wie in einem normalen Verein – auch einen Beitrag. Dazu würden etwa Kosten für regelmässige Reisen an Events ins Ausland kommen.
«God forgives, Bandidos don't»
Die Bandidos würden so oft wie irgendwie möglich mit dem Töff reisen: «Die Bandidos sind noch ein echter Töffklub! Bei den Hells Angels darf ja die Hälfte nicht einmal mehr Töff fahren», sagt er, der mit den Bandidos sympathisiert.
Blick erfährt aus Behördenkreisen, dass diese nach wie vor bestehende Feindschaft am Donnerstag jedoch mit grösster Wahrscheinlichkeit nicht zu Tumulten in Bern führen wird. Damit die Schweizer MC-Szene nicht noch mehr in Verruf gerät, wollen die Bandidos der Urteilseröffnung fernbleiben – lediglich die Hells Angels und die befreundeten Broncos werden in der Hauptstadt erwartet.
Dass es aber irgendwann noch zu einer schlagkräftigen Begegnung der Klubs kommen muss, scheint hingegen zumindest für den Szenekenner kristallklar: «God forgives, Bandidos don't. Diese Rechnung ist noch offen, denn einen Rückzieher machen werden die Bandidos garantiert nicht. Sie haben sich noch nie in einem Land angesiedelt und sich wieder verzogen.»