Noch bevor der grosse Rocker-Prozess in Bern diese Woche beginnen konnte, gab es erstmal Prügel. Nicht nur vor dem Gerichtsgebäude, sondern auch im Inneren. Die Biker randalierten und gingen aufeinander los. Neben Fäusten flogen auch Steine durch die Luft. Die Polizei musste für Ordnung sorgen – mit Gummischrot, Tränengas und Wasserwerfern. Erst dann beruhigte sich die Situation. Verletzte gab es laut Kantonspolizei Bern keine.
Kurze Zeit wurde sogar überlegt, den Prozess vom Berner Amtshaus an einen anderen Ort zu verlegen. «Wir loten verschiedene Optionen aus», sagte der Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause (50) am Dienstag. Mittlerweile hat sich die Situation beruhigt. Die Verhandlung muss nicht verschoben werden. Die Behörden können durchatmen.
Dennoch hat Nause jetzt schon Bauchschmerzen, wenn er an die Urteilsverkündung denkt. Dann sei nochmal «mit einer sehr heiklen Situation und der Präsenz aus allen Rockergruppierungen zu rechnen», sagt der Sicherheits-Chef zur «Berner Zeitung». Dementsprechend bereite sich die Polizei auf diesen Tag vor. Man wolle für alles gewappnet sein.
«Die zuständigen Behörden hatten den Prozess schon länger auf dem Radar»
Auch wenn der Eindruck entstanden sein mag: Nause betont, dass die Polizei bereits am Montag bestens vorbereitet war und keineswegs vom Rocker-Aufmarsch überrascht wurde.
«Die zuständigen Behörden hatten den Prozess schon länger auf dem Radar und wussten, dass es heikel werden würde. Die extrem explosive Konstellation mit diesen verfeindeten Rockergruppierungen ist aussergewöhnlich. Aber noch einmal: Die Polizei hat ihren Auftrag von Anfang an erfolgreich erfüllt.»
Konkret sei ein direktes Aufeinandertreffen der Rockergruppen verhindert worden. «Und dies in einer heiklen Konstellation, in der es glücklicherweise weder zu Verletzten noch zu Sachbeschädigungen kam.» Dadurch konnte der Prozess stattfinden.
Ein «unangekündigter Einschüchterungsversuch»
Dass die Rocker vor Gewalt nicht zurückschrecken, zeigt schon der Grund für den Prozess. Im Mai artete ein Revierkampf unter Motorradklubs in Belp BE völlig aus. Es kam zu einer wilden Prügelei – mit Stangen, Holzlatten und mindestens einer Schusswaffe.
Ein «unangekündigter Einschüchterungsversuch» mehrerer Broncos und Hells Angels im neuem Klublokal der verfeindeten Bandidos führte zu zahlreichen Verletzten – auf einen Hells Angel wurde zudem geschossen.
Dafür müssen sich 22 Rocker vor dem Regionalgericht Bern-Mittelland verantworten. Es wird ein Monsterprozess. Die Staatsanwaltschaft wird jedem einzelnen nachweisen müssen, am Raufhandel beteiligt gewesen zu sein. Zwei Beschuldigte sind zudem der versuchten vorsätzlichen Tötung angeklagt. Der Prozess ist auf einen ganzen Monat angesetzt. (jmh)