PK-Fachleute wollen Vorlage kippen
Störmanöver gegen BVG-Reform

Bei der Pensionskassen-Reform zeichnet sich ein enges Rennen ab. Jetzt schaltet sich ein Netzwerk von PK-Fachleuten ein. Es will die Reform zu Fall bringen und hat ein Alternativmodell in petto.
Publiziert: 26.08.2024 um 00:24 Uhr
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Am 22. September kommt es zum Abstimmungskrimi um die Pensionskassen-Reform.
Foto: keystone-sda.ch
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Ruedi StuderBundeshaus-Redaktor

Der 22. September verspricht einen Abstimmungskrimi! Bei der Reform der beruflichen Vorsorge (BVG) zeichnet sich ein enges Rennen ab. In der jüngsten SRG-Trendumfrage haben die Befürworter die Nase zwar vorn – mit 49 Prozent Ja zu 39 Prozent Nein. Eine Tamedia-Umfrage hingegen sieht die Gegner mit 59 Prozent Nein zu 33 Prozent Ja in Front.

Die Ausgangslage ist offen. Das ruft nun ein Netzwerk aus Pensionskassen-Fachleuten auf den Plan: Sie rufen zur Ablehnung der BVG-Vorlage auf. «Bisher haben wir den politischen Prozess skeptisch, aber neutral begleitet», sagt Josef Bachmann (74), Präsident des Vereins «Innovation Zweite Säule». Doch die SRG-Umfrage hat den früheren Geschäftsführer der PwC-Pensionskasse aufgeschreckt. «Die Reform ist nicht praxistauglich», so Bachmann. «Besser keine Reform als diese verunglückte Vorlage.»

Umverteilung als Kritikpunkt

Ein Dorn im Auge ist dem Verein die Umverteilung via Rentenzuschlag. 11 Milliarden Franken hat der Bundesrat dafür veranschlagt. «Trotz dieser massiven Kosten für die Ausgleichsmassnahmen gibt es viele Verlierer, das ist doch Wahnsinn», moniert Bachmann. Er befürchtet ein Präjudiz für kommende Revisionen. «Statt die Umverteilung zu reduzieren, wird sie legitimiert und ausgebaut.»

Darum geht es bei der BVG-Reform
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Baume-Schneider erklärt an MK:Darum geht es bei der BVG-Reform

Ohne diesen Umverteilungsmechanismus könnte Bachmann mit dem jetzigen Vorschlag durchaus leben. Die übrigen Elemente gingen in die richtige Richtung, sagt er. «Darauf kann eine neue Vorlage aufbauen.» Sein Verein hat bereits einen eigenen Vorschlag in petto. 

Dieser sieht ebenfalls vor, dass die Eintrittsschwelle und der sogenannte Koordinationsabzug sinken, um so tiefere Einkommen besser zu versichern. «Allerdings weniger stark, damit Tieflöhnern etwas mehr im Portemonnaie bleibt», erklärt Bachmann. Auch die Lohnbeiträge für die Altersgutschriften würden im Modell geglättet: Bei Jüngeren würden 10 Prozent des Lohns in die Pensionskasse eingezahlt, schrittweise ansteigend auf 16 Prozent ab 55 Jahren. Heute liegen die Sätze zwischen 7 und 18 Prozent. 

Umwandlungssatz schrittweise senken

Bei der Senkung des Umwandlungssatzes will Bachmann dem linken Lager entgegenkommen. Statt auf einen Schlag soll der Umwandlungssatz über mehrere Jahre hinweg – beispielsweise um 0,1 Prozent jedes Jahr – auf 6 Prozent reduziert werden. «Mit unserem Vorschlag bieten wir die Alternative für eine moderate BVG-Reform und damit die Chance für einen Neuanfang», ist Bachmann überzeugt. 

Das sind die Eckwerte der Pensionskassen-Reform

Es war ein hochfliegendes Reformprojekt des damaligen SP-Sozialministers Alain Berset (52): die Altersvorsorge 2020, mit der er AHV und Berufliche Vorsorge (BVG) gleichzeitig reformieren wollte. Doch in der Abstimmung 2017 folgte der Absturz. Mit 52,7 Prozent Nein schickte das Stimmvolk die Rentenreform bachab.

Daraufhin packten Bundesrat und Parlament die beiden Säulen getrennt an. Einen knappen Abstimmungserfolg verbuchte Berset zusammen mit der bürgerlichen Parlamentsmehrheit letztens bei der AHV-Reform, mit der eine Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 erfolgte.

Nun ist die Pensionskassen-Reform an der Reihe, die eine bürgerliche Mehrheit im Parlament gegen den Widerstand der Linken durchgebracht hat. Linke und Gewerkschaften haben erfolgreich das Referendum ergriffen, sodass das Stimmvolk nun am 22. September 2024 über die Reform entscheiden wird.

Das sind die wichtigsten Eckwerte:

Tieferer Umwandlungssatz

Der Mindestumwandlungssatz im BVG-Obligatorium soll von heute 6,8 Prozent auf 6,0 Prozent sinken. Das bedeutet: Auf 100'000 Franken angespartes Alterskapital gibt es nur noch 6000 statt 6800 Franken Rente pro Jahr. Das führt zu einer Rentenlücke von rund 12 Prozent.

Rentenzuschlag für Übergangsgeneration

Es ist das eigentliche Herzstück der Vorlage. Die drohende Rentenlücke soll über einen Rentenzuschlag ausgeglichen werden. Allerdings nur für eine Übergangsgeneration von 15 Jahrgängen. Zudem wird er nach Alter und Einkommen abgestuft. Für die ersten fünf Jahrgänge gibt es maximal 200 Franken monatlich, dann sinkt er ab. Wer weniger als 220'500 Franken in der Pensionskasse hat – etwa ein Viertel der Versicherten – bekommt den vollen Zuschlag. Ein weiteres Viertel mit bis 441'000 Franken Altersguthaben erhält einen Teilzuschlag. Wer mehr Geld im Rentenkässeli hat, geht leer aus. Gut die Hälfte der Versicherten bekommt also nichts. Finanziert wird der Rentenzuschlag über Lohnabzüge – allerdings begrenzt bis 176'400 Franken.

Flexibler Koordinationsabzug

Vom sogenannten Koordinationsabzug hängt ab, wie hoch der versicherte Lohn ausfällt. Einkommen minus Koordinationsabzug ergibt die versicherte Lohnsumme. Galt bisher ein fixer Abzug von 25'725 Franken, soll dieser neu 20 Prozent des Einkommens betragen. Das BVG-Obligatorium gilt bis 88'200 Franken Einkommen. Der Abzug würde in diesem Fall also 17'640 Franken ausmachen. Unter dem Strich bleibt somit ein versicherter Lohn von 70'560 Franken. Auf Letzterem müssten also die Lohnbeiträge bezahlt werden.

Angepasste Altersgutschriften

Die Lohnbeiträge in die Pensionskasse – die sogenannten Altersgutschriften – werden mit der Reform geglättet: Bis im Alter von 44 Jahren beträgt die Altersgutschrift künftig 9 Prozent (bisher 7 beziehungsweise 10 Prozent) auf dem BVG-pflichtigen Lohn. Ab 45 Jahren sind es 14 Prozent (bisher 15 beziehungsweise 18 Prozent). Damit werden die Altersgutschriften gerade bei den älteren Arbeitskräften gesenkt. Das soll ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern. Die Beiträge sollen wie heute ab 25 Jahren gezahlt werden.

Tiefere Eintrittsschwelle

Um in einer Pensionskasse versichert zu sein, muss man heute bei einem Arbeitgeber mindestens 22'050 Franken jährlich verdienen. Nach einem langen Hin und Her hat sich das Parlament darauf geeinigt, dass die Eintrittsschwelle auf 19'845 Franken sinken soll. Damit würden 70'000 Personen neu in einer Pensionskasse versichert, 30'000 Personen stärker als bisher. Insgesamt betrifft die Senkung 100'000 Arbeitnehmende.

Es war ein hochfliegendes Reformprojekt des damaligen SP-Sozialministers Alain Berset (52): die Altersvorsorge 2020, mit der er AHV und Berufliche Vorsorge (BVG) gleichzeitig reformieren wollte. Doch in der Abstimmung 2017 folgte der Absturz. Mit 52,7 Prozent Nein schickte das Stimmvolk die Rentenreform bachab.

Daraufhin packten Bundesrat und Parlament die beiden Säulen getrennt an. Einen knappen Abstimmungserfolg verbuchte Berset zusammen mit der bürgerlichen Parlamentsmehrheit letztens bei der AHV-Reform, mit der eine Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 erfolgte.

Nun ist die Pensionskassen-Reform an der Reihe, die eine bürgerliche Mehrheit im Parlament gegen den Widerstand der Linken durchgebracht hat. Linke und Gewerkschaften haben erfolgreich das Referendum ergriffen, sodass das Stimmvolk nun am 22. September 2024 über die Reform entscheiden wird.

Das sind die wichtigsten Eckwerte:

Tieferer Umwandlungssatz

Der Mindestumwandlungssatz im BVG-Obligatorium soll von heute 6,8 Prozent auf 6,0 Prozent sinken. Das bedeutet: Auf 100'000 Franken angespartes Alterskapital gibt es nur noch 6000 statt 6800 Franken Rente pro Jahr. Das führt zu einer Rentenlücke von rund 12 Prozent.

Rentenzuschlag für Übergangsgeneration

Es ist das eigentliche Herzstück der Vorlage. Die drohende Rentenlücke soll über einen Rentenzuschlag ausgeglichen werden. Allerdings nur für eine Übergangsgeneration von 15 Jahrgängen. Zudem wird er nach Alter und Einkommen abgestuft. Für die ersten fünf Jahrgänge gibt es maximal 200 Franken monatlich, dann sinkt er ab. Wer weniger als 220'500 Franken in der Pensionskasse hat – etwa ein Viertel der Versicherten – bekommt den vollen Zuschlag. Ein weiteres Viertel mit bis 441'000 Franken Altersguthaben erhält einen Teilzuschlag. Wer mehr Geld im Rentenkässeli hat, geht leer aus. Gut die Hälfte der Versicherten bekommt also nichts. Finanziert wird der Rentenzuschlag über Lohnabzüge – allerdings begrenzt bis 176'400 Franken.

Flexibler Koordinationsabzug

Vom sogenannten Koordinationsabzug hängt ab, wie hoch der versicherte Lohn ausfällt. Einkommen minus Koordinationsabzug ergibt die versicherte Lohnsumme. Galt bisher ein fixer Abzug von 25'725 Franken, soll dieser neu 20 Prozent des Einkommens betragen. Das BVG-Obligatorium gilt bis 88'200 Franken Einkommen. Der Abzug würde in diesem Fall also 17'640 Franken ausmachen. Unter dem Strich bleibt somit ein versicherter Lohn von 70'560 Franken. Auf Letzterem müssten also die Lohnbeiträge bezahlt werden.

Angepasste Altersgutschriften

Die Lohnbeiträge in die Pensionskasse – die sogenannten Altersgutschriften – werden mit der Reform geglättet: Bis im Alter von 44 Jahren beträgt die Altersgutschrift künftig 9 Prozent (bisher 7 beziehungsweise 10 Prozent) auf dem BVG-pflichtigen Lohn. Ab 45 Jahren sind es 14 Prozent (bisher 15 beziehungsweise 18 Prozent). Damit werden die Altersgutschriften gerade bei den älteren Arbeitskräften gesenkt. Das soll ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern. Die Beiträge sollen wie heute ab 25 Jahren gezahlt werden.

Tiefere Eintrittsschwelle

Um in einer Pensionskasse versichert zu sein, muss man heute bei einem Arbeitgeber mindestens 22'050 Franken jährlich verdienen. Nach einem langen Hin und Her hat sich das Parlament darauf geeinigt, dass die Eintrittsschwelle auf 19'845 Franken sinken soll. Damit würden 70'000 Personen neu in einer Pensionskasse versichert, 30'000 Personen stärker als bisher. Insgesamt betrifft die Senkung 100'000 Arbeitnehmende.

Das Störmanöver der PK-Fachleute kommt für die Befürworter zu einem heiklen Zeitpunkt. Es bleiben noch knapp vier Wochen bis zur Abstimmung – und bei der SVP springen die ersten Kantonalparteien ins Nein-Lager ab.

GLP-Mettler warnt vor Reformstau

GLP-Nationalrätin Melanie Mettler (46, BE) hält nichts von der Intervention. Nach jahrelangen Debatten liege ein ausgewogener Kompromiss auf dem Tisch. Eine Senkung des Umwandlungssatzes ohne Kompensation sei schlicht nicht mehrheitsfähig, erteilt sie Bachmanns Modell eine Absage.

Die jetzige Vorlage verhelfe tieferen Einkommen und insbesondere Frauen zu besseren Renten. Und sie warnt: «Ein Nein führt zu jahrelangem Reformstau mit sinkenden Renten.»

SP-Meyer will neuen Anlauf

Auch SP-Co-Chefin Mattea Meyer (36) lehnt das neue Modell ab. «Der Widerstand der PK-Fachleute zeigt aber, dass die Reform zu kompliziert und falsch aufgegleist ist», sagt sie zur Verstärkung des Nein-Lagers. Trotz dieser Unterstützung sei die Abstimmung noch lange nicht gewonnen.

Ihre Partei biete aber Hand für einen neuen Anlauf, betont Meyer. «Eine neue Reform muss das Rentenniveau sichern und darf nicht wie jetzt zu breiten Rentenkürzungen führen.» Sie erklärt auch gleich, wo nachgebessert werden muss. «Es braucht einen automatischen Teuerungsausgleich – auch auf bestehende Renten», so Meyer. Betreuungs- und Erziehungsgutschriften wie in der AHV sollen auch in der zweiten Säule für bessere Frauenrenten sorgen. Und: «Wir müssen der Abzocke der Versicherten durch Banken und Versicherungen einen Riegel schieben.»

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