Auf einen Blick
- Versicherungsbranche unterstützt die BVG-Reform finanziell stark, was eher ungewöhnlich ist
- Gewerkschaften sagen, dass sich die Versicherer durch die Reform höhere Gewinne erhofften
- Versicherer wehren sich gegen diesen Vorwurf – es gehe ihnen um mehr Fairness
Am 22. September stimmt die Schweiz über die Reform der beruflichen Vorsorge (BVG) ab. Der Slogan des Ja-Komitees könnte von den Gewerkschaften stammen: «Unsere Arbeit verdient eine faire Rente», so die plakatierte Forderung einer Bäuerin, einer Juristin und eines Fachmanns Betreuung.
Hinter der Kampagne stehen aber nicht Vertreter der Arbeitnehmerschaft, sondern die wichtigsten Wirtschaftsverbände des Landes. Der Schweizerische Arbeitgeberverband hat der Allianz «Ja zur BVG-Reform» eine Million Franken zukommen lassen, Economiesuisse liess 1,4 Millionen springen.
Der Schweizerische Versicherungsverband (SVV) ist Mitglied beider Dachverbände und finanziert diese Ausgaben mit. Der Branche reichte das aber offenbar nicht: Im Juni liess der SVV dem Ja-Komitee zusätzliche 655'900 Franken aus der eigenen Kasse zukommen.
Zudem machte die Axa, seit einigen Jahren nicht mehr SVV-Mitglied, 187'400 Franken locker, um das Stimmvolk von der Vorlage zu überzeugen. Aufgelistet sind diese Zuwendungen auf dem Transparenz-Portal der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK).
Meist bezahlen die Dachverbände
Dass einzelne Branchenverbände für eine Abstimmung so hohe Unterstützungsbeiträge aufwenden, ist ungewöhnlich. Beim Kampf gegen die 13. AHV-Rente zum Beispiel leistete neben Arbeitgeberverband, Economiesuisse und Gewerbeverband (zusammen 3,6 Millionen) lediglich der Industrieverband Swissmem eine grössere Zuwendung (70'000 Franken).
Deshalb stellt sich die Frage: Wieso ist es den Versicherern derart wichtig, dass die BVG-Reform angenommen wird?
Der SVV erklärt auf Anfrage, man setze sich «seit jeher» für die Stärkung des «konzeptionell ausgewogenen Drei-Säulen-Modells» ein. «Die BVG-Reform stellt die Möglichkeit zur Anpassung der zweiten Säule an die demografischen und gesellschaftlichen Veränderungen dar, was wir als wichtig erachten», sagt ein Sprecher.
Und die Axa-Medienstelle ergänzt: «Die BVG-Reform ist ein wichtiger Schritt, um mehr Fairness zwischen den Generationen zu schaffen und die Altersvorsorge von Erwerbstätigen mit tieferen Einkommen wie Teilzeitbeschäftigten zu verbessern.»
Gewerkschaften: «Durch Reform steigen Gewinne»
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB), der seinerseits 700'000 Franken für den Kampf gegen die Vorlage einsetzt, hält diese Beweggründe für vorgeschoben.
«Mit jedem zusätzlich einbezahlten Franken verdienen die Versicherungskonzerne auch mehr», sagt Gabriela Medici, Sozialversicherungsexpertin des SGB. Durch die Reform stiegen die Beiträge und somit auch die Gewinne der Versicherungen, die mit ihren Sammeleinrichtungen im Sektor der beruflichen Vorsorge tätig sind. «Durch die Senkung des Umwandlungssatzes profitieren sie gleichzeitig, weil sie den Arbeitnehmenden weniger Rente garantieren müssen.»
Versicherungen: «Ertragsmöglichkeiten sehr begrenzt»
Die Versicherer wehren sich gegen diesen Vorwurf. Bei ihrem Engagement gehe es nicht um das eigene Portemonnaie, schreibt die Axa. «Die Reform bietet uns keine Vorteile, da unsere Sammelstiftungen solche Modernisierungsmassnahmen längst umgesetzt haben.»
Der SVV räumt zwar ein, dass BVG-nahe Vorsorgeeinrichtungen, also auch die von Lebensversicherern gegründeten Sammelstiftungen, in Bezug auf den «überhöhten BVG-Umwandlungssatz» besonders exponiert seien, da sie weniger Möglichkeiten zur Berücksichtigung überobligatorischer Ansprüche hätten.
Zugleich bestreitet der Sprecher, dass SVV-Mitglieder von der Vorlage finanziell profitieren: «Die Auswirkungen der BVG-Reform auf die Ertragsmöglichkeiten der Versicherer sind realistisch betrachtet sehr begrenzt.» Bei der Betrachtung der BVG-Reform stünden sie daher im Hintergrund.