«Jede Impfung zählt!», gibt SP-Bundesrat Alain Berset (49) das Motto der nationalen Impfwoche vor. Angesichts der steigenden Corona-Zahlen in Europa und der Schweiz kämpfen Bund und Kantone um jeden Piks – mit Impfbussen, Impfnächten, Impfkonzerten. Ja sogar mit einem Impfdörfli am Zürcher Hauptbahnhof.
Denn die Impfquote ist hierzulande mit 64 Prozent vollständig geimpften Personen noch viel zu tief, um auf einen ruhigen Winter zu hoffen.
Verschiedene Staaten ziehen die Schraube wieder. So Dänemark, das die Corona-Pandemie vor zwei Monaten für beendet erklärt und alle Beschränkungen aufgehoben hatte. Nun aber steigen die Ansteckungszahlen rasch wieder – trotz der hohen Impfrate von fast 86 Prozent. Sowohl die Zertifikatspflicht als auch Beschränkungen für Personengruppen in Innenräumen und draussen soll es wieder geben.
Und Österreich legt mit einer 2G-Regel vor. So dürfen nur noch Geimpfte oder Genesene ins Restaurant oder zum Coiffeur – Getestete müssen draussen bleiben. Auch in der Schweiz wird die 2G-Regel diskutiert – wenn auch nur als letzte Option, um einen Lockdown zu verhindern.
BAG will noch nicht 2G
Zu früh kommt die Diskussion allerdings für die Corona-Experten des Bundes. «In der Schweiz ist 2G derzeit nicht zu rechtfertigen», sagte Virginie Masserey vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) am Dienstag an einer Medienkonferenz. Im Vergleich etwa zu Österreich seien die Zahlen noch nicht derart schlecht.
Zwar verzeichnete das BAG am Dienstag mit fast 3000 neuen Corona-Fälle weiterhin steigende Zahlen. Doch bei den Hospitalisationen zeigt der Trend noch nicht so stark nach oben und auf den Intensivstationen ist die Situation mit aktuell 119 Covid-Patienten relativ stabil.
Gleicher Meinung ist der Zuger Kantonsarzt Rudolf Hauri, Präsident der Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte: «Jetzt ist es richtig, dass wir bei 3G sind.» Das sei auch epidemiologisch zu verantworten. Doch er betonte, dass man die Entwicklung genau beobachten müsse. Für die Zukunft sei eine 2G-Regel nicht ganz auszuschliessen.
«Hohe Impfquote reicht nicht»
Klar ist hingegen, dass es die aktuellen Massnahmen – also auch die geltende Zertifikatspflicht – weiterhin braucht. «Eine hohe Impfquote reicht nicht, um die Fallzahlen zu senken», sagte Masserey. Zwar sind gemäss BAG 64 Prozent der Erwachsenen vollständig geimpft und etwa 6 Prozent aufgrund einer Infektion immun.
Doch gut ein Fünftel der Erwachsenen sei weiterhin nicht immun, so Masserey. Und da liegt das Problem: «Das Virus verbreitet sich sehr schnell bei Ungeimpften.» Insbesondere in der Zentral- und Ostschweiz sei die Zahl der Ansteckungen hoch.
Kantonsarzt Hauri bezeichnete die aktuelle Virusaktivität in der Schweiz und Europa als hoch. Milde Verläufe seien in der Schweiz zwar die Regel, aber die schweren gerade unter Ungeimpften nicht selten. Lokale Ausbrüche seien derzeit neben den Schulen und Altersinstitutionen auch wieder bei kleineren Anlässen und Treffen zu beobachten. Ansteckungen in Restaurants und bei grösseren Anlässen seien gering. Das beweise die Wirksamkeit der Zertifikatspflicht und der Schutzmassnahmen.
Masserey wie auch Hauri hoffen, dass die nationale Impfwoche nochmals für einen Impfschub sorgt. Konkrete Ergebnisse stehen zwar noch aus. Aber: «Mit der Anzahl der Aktivitäten der Kantone und der Sichtbarkeit der Impfwoche sind wir zufrieden», so Masserey.