Österreich und einige deutsche Bundesländer machen angesichts massiv steigender Corona-Zahlen Ernst mit der 2G-Regel: So dürfen in Österreich nur noch Geimpfte und Genesene in Restaurants, Coiffeursalons und Skigebiete. Getestete müssen draussen bleiben. Damit reagieren die Behörden auf die aktuellen Entwicklungen der Pandemie. Denn derzeit rollt eine Corona-Welle über Europa, die zunehmend auch in der Schweiz für höhere Infektionszahlen sorgt. Mit 6649 neuen Ansteckungen innert 72 Stunden übers Wochenende zeigt der Trend hierzulande ebenfalls deutlich nach oben.
Braucht es also auch 2G für die Schweiz? Allenfalls schon, finden Expertinnen und Experten wie Taskforce-Chefin Tanja Stadler (40) kürzlich im Blick-Interview. Sollte sich die Lage verschärfen, habe man verschiedene Möglichkeiten: «Events ganz verbieten oder Ansteckungen und eine mögliche Überlastung des Spitalwesens in Kauf nehmen. Oder eben die Regeln verschärfen.» Das gehe einerseits über Masken und Abstand «oder andererseits über 2G statt 3G».
SP-Wasserfallen hofft auf Impfwoche
Mit Blick auf die Intensivstationen – am Montag lagen dort 118 Covid-Patienten – hat die Schweiz die Situation noch im Griff. Trotzdem ist für SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen (42, BE) klar: «Wenn sich die Situation massiv verschlechtert, müssen wir reagieren. Das Virus gibt den Takt vor.»
Man sehe im Ausland, wie schnell die Situation kippen könne. Passiere dies auch in der Schweiz, müsse man über weitere Massnahmen diskutieren. «Dann werden Teilschliessungen oder 2G zur Option.»
Wasserfallen setzt ihre Hoffnung auf die nationale Impfwoche. «Bei den Ungeimpften braucht es nun einen Ruck. Je höher die Impfquote, umso kleiner wird die Gefahr, dass es 2G je braucht.» Eine Lockerung der 3G-Regel wiederum hält sie derzeit schlicht für unrealistisch.
Mitte-Humbel: 2G als Ultima Ratio
Für Mitte-Nationalrätin Ruth Humbel (64, AG), Präsidentin der nationalrätlichen Gesundheitskommission, ist eine 2G-Regel in gewissen Fällen ebenfalls eine Möglichkeit, wenn sie zusätzlichen Schutz bringe. «Für alltägliche Bedürfnisse wie den Coiffeur und Restaurants kommt sie nicht in Frage.» Denkbar ist 2G für sie jedoch bei Grossveranstaltungen.
«Grundsätzlich ist 2G Ultima Ratio, wenn eine Überlastung der Intensivstationen droht und um erneute Schliessungen oder Veranstaltungsverbote zu verhindern», so Humbel. Open Airs und Schwingfeste hätten im Sommer nur dank der Zertifikatspflicht stattfinden können, betont sie. Eine Lockerung der aktuellen 3G-Regeln hält sie angesichts der Entwicklung hingegen für unwahrscheinlich.
GLP-Bäumle fordert CO2-Richtwerte
Skeptisch gegenüber dem 2G-Konzept zeigt sich GLP-Nationalrat Martin Bäumle (57, ZH). «Geimpfte können das Virus auch übertragen, daher bietet 2G keine grosse Zusatzsicherheit – nur der Impfdruck wird grösser», sagt er. «2G ist daher erst eine Option, wenn wir die Impfquote zwingend erhöhen müssen, um zum Beispiel Schliessungen zu verhindern.» Die Spitäler seien rasch einmal wieder am Anschlag, warnt er.
Bäumle sieht aber eine Alternative: «Es braucht CO2-Richtwerte für Innenräume, regelmässiges Lüften und allenfalls Luftfilter.» Das sei eine günstige und weniger einschränkende Lösung. Mit einem solchen Konzept werde auch eine Lockerung der 3G-Regeln zum Thema. «Dann wäre eine Normalisierung ab nächstem Frühling denkbar», glaubt er.
SVP-Aeschi warnt Bundesrat
SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (42) geht schon die jetzige 3G-Regelung zu weit. «Jeder, der will, hat sich impfen lassen können und muss damit keine Angst vor einem schweren Verlauf bei einer allfälligen Ansteckung haben.» Weitere Einschränkungen lehne die SVP daher erst recht ab, betont der Zuger.
Kommt 2G trotzdem aufs politische Parkett, hat er eine klare Forderung: «Über eine solch massive Einschränkung für Hunderttausende Menschen darf der Bundesrat nicht alleine entscheiden. Parlament und Volk müssen ebenfalls darüber befinden können», findet er. Das heutige Epidemiengesetz reiche als Grundlage für 2G nicht aus.
Sollte sich die epidemiologische Situation verschlechtern, müsse der Bundesrat endlich die Spitalkapazitäten erhöhen, so Aeschi. Und er wiederholt eine Forderung, mit der die SVP schon seit Beginn der Pandemie immer wieder kommt: «Da die internationale Reisetätigkeit wieder zunimmt, braucht es striktere Kontrollen an den Grenzen.»
Knappe Mehrheit gegen 2G
Derzeit ist die Bevölkerung in der 2G-Frage gespalten. In der jüngsten Corona-Umfrage des Forschungsinstituts Sotomo sprachen sich 45 Prozent der Befragten dafür aus, bei einer drohenden Überlastung des Gesundheitswesens die 3G-Regel auf eine 2G-Regel zu verschärfen. 52 Prozent stellten sich dagegen.
Bei den Anhängern von GLP, SP, Mitte und FDP sind Mehrheiten von jeweils rund 60 Prozent für eine Verschärfung der Regeln. Bei den Grünen halten sich Befürworter und Gegner praktisch die Waage. Massiv hingegen ist die Ablehnung bei der SVP mit 79 Prozent Nein.
Mit steigenden Zahlen wird G2 zum Thema
Da die Schweiz am 28. November über das Covid-Gesetz abstimmt und die Befürworter des Gesetzes dessen Erfolg nicht gefährden wollen, halten sich viele Politiker mit 2G-Forderungen aber noch zurück. Ist die Abstimmung gewonnen und steigen die Zahlen wie erwartet stark an, kann eine Regelung, dass nur noch Geimpfte und Genesene an Grossveranstaltungen dürfen, aber rasch zum Thema werden.