Astronaut Harrison Schmitt (83) war bei Apollo 17 dabei
Er betrat als letzter Mensch den Mond

Harrison «Jack» Schmitt (83) war als einer der letzten
 Menschen auf dem Mond. Auf der Reise dorthin schoss der Astronaut eines der bekanntesten Fotos der Geschichte.
Publiziert: 29.06.2019 um 12:10 Uhr
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Aktualisiert: 17.07.2019 um 16:02 Uhr
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Harrison «Jack» Schmitt als junger Astronaut.
Jonas Dreyfus

Herr Schmitt, es fühlt sich surreal an, mit jemandem zu sprechen, der auf dem Mond war. Können Sie das nachvollziehen?

Absolut. Aber geben Sie mir fünfzehn Monate Zeit, um Sie für eine Mondfahrt zu trainieren. Ich wette, dass sich schnell alles sehr real anfühlen wird.

Was war für Sie das Härteste an den Vorbereitungen für die Apollo-17-Mission, der letzten bemannten Mondlandung?

Wahrscheinlich Düsenjets fliegen zu lernen. Und Helikopter. Ich hatte nie geplant, Pilot zu werden.

Sie sind Geologe und der einzige Wissenschaftler, der am Mondprojekt der Nasa teilnahm. Alle anderen Astronauten hatten eine militärische Ausbildung durchlaufen. Was taten Sie, um von ihren Kollegen akzeptiert zu werden?

Ich musste genauso gut fliegen können wie alle anderen. Ich war ja bereits von der Apollo-8-Mission an sehr aktiv ins Mondprojekt involviert, machte die Flugplanung, war Chefwissenschaftler bei der ersten Mondlandung und entwickelte das Trainingsprogramm für die darauf folgenden.

Während Ihrer eigenen Mondmission flogen Sie mit Ihrem Kommandanten in einem kleinen Modul, der sogenannten Mondlandefähre, vom Raumschiff aus hinunter zum Mond. Wie fühlte sich das an, das erste Mal diesen Satelliten der Erde zu betreten?

Als würde man auf einem riesigen Trampolin laufen. Das hat mit der niedrigen Anziehungskraft zu tun. Wir waren in einer Schlucht unterwegs, die mit 2000 Metern tiefer war als der Grand Canyon. Es war spektakulär.

Inwiefern?

Den Anblick der glanzvoll beleuchteten Berge vor dem absolut schwarzen Himmel ertrugen meine Augen fast nicht. Über der Schlucht, in der wir uns befanden, leuchtete die Erde in Blau. Ein paar weisse Wölkchen waren zu sehen und ein Fleckchen australische Wüste. Wenn mich Heimweh packte, musste ich nur nach oben sehen und sah mein Zuhause – 384 400 Kilometer in der Ferne.

Ihnen gelang es als Erster, die komplett erleuchtete Erdkugel zu fotografieren. Hätten Sie ­damals gedacht, dass die so­genannte «Blue Marble» eines der bekanntesten Fotos der Geschichte werden wird?

Absolut nicht. Das Foto entstand auf dem Hinflug. Ich wollte die dreieinhalb Tage, die er dauerte, einfach möglichst gut nutzen und habe immer wieder Fotos der Erde gemacht, um zu sehen, wie sich das Wetter verändert. Meteorologie ist eines meiner Hobbys.

Erhalten Sie jedes Mal Geld, wenn die Blaue Murmel gezeigt wird?

Nein, die Tantiemen gehen an die amerikanischen Steuerzahler. Laut Nasa ist es bis heute das gefragteste Bild aus dem Archiv.

Die Mission Apollo 13 im Jahr Frühjahr 1970 endete aufgrund einer Explosion eines Sauerstofftanks beinahe in einer tödlichen Katastrophe. Zwei­einhalb Jahre später starteten Sie zum Mond. Wie nervös waren Sie?

Gar nicht. Wer mit komplexer Technik hantiert, muss immer damit rechnen, dass etwas Unerwartetes passiert. «Das unbekannte Unbekannte», nennt man das. Man kann nur trainieren, richtig darauf zu reagieren. Indem man zum Beispiel Ausweichsysteme aktiviert. Das Risiko bleibt bestehen. Wer Angst hat, zu sterben, sollte nicht als Weltraumerkunder arbeiten.

Fast alle Apollo- Astronauten sind über 80 Jahre alt geworden, manche sogar über 90. Keine Angst vor dem Tod zu haben, scheint einem ein langes Leben zu bescheren.

Das mag sein. Doch jeder von uns hat Kollegen und Freunde verloren. Es bleibt ein gefährliches Business. Und es gab Zeiten, da wurden die Risiken nicht so gut gemanagt, wie es hätte sein sollen.

Die Explosion der Raumfähre Challenger, bei der im Jahr 1986 alle sieben Besatzungsmitglieder starben, war der Anfang vom Ende des amerikanischen Weltraumraketen- und Spaceshuttle-Programms. US-Präsident Donald Trump will nun, dass bis spätestens 2024 wieder Amerikaner auf dem Mond landen. Wie realistisch ist das?

Es ist ein sehr ehrgeiziger Zeitplan. Als John F. Kennedy meiner Generation 1962 verkündete, Amerikaner innerhalb von zehn Jahren auf den Mond landen zu lassen, war das bereits sehr knapp bemessen. Selbst unter dem Umstand, dass 400 000 Menschen an der Reali­sation der Mondlandung beteiligt waren.

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(Video: Harrison Schmitt und Gene Cernan hüpfen singend auf dem Mond herum)

Hilft es nicht, dass die Nasa von privaten Firmen wie Space X profitiert, die regelmässig ins All fliegen?

Es mag Routine geworden sein, in die Erdumlaufbahn zu fliegen. Das entfernte Weltall, der sogenannte Deep Space, ist immer noch gleich herausfordernd wie zu den Zeiten von Apollo. Die junge Generation muss neu lernen, mit den Risiken umzugehen.

Als Neil Armstrong 1969 den Mond betrat, erwarteten viele auf der Welt den Beginn einer neuen Ära. Was haben Sie sich damals gewünscht?

Ich hoffte, dass die USA die Freiheit erfolgreich gegen die Tyrannei verteidigt. Die Tyrannei war das Regime der Sowjetunion, das ­versuchte, die Erdbevölkerung zu unterjochen. Apollo 11 hat massgeblich dazu beigetragen, dass das nicht passierte.

Inwiefern?

Dass die USA den Wettlauf zum Mond gewann, führte dazu, dass die Sowjetunion begann, das Selbstvertrauen zu verlieren. Als Reagan später ankündigte, man wolle ein Abwehrsystem für Nuk­learwaffen einrichten, glaubte die sowjetische Führung mehr an das Gelingen als die westlichen Mächte.

China landete Anfang Jahr als erstes Land auf der Rückseite des Monds. ­Unbemannt. Be­un­ruhigt Sie das?

Sehr! Die freie Welt muss beunruhigt sein über China. Dieser Staat ist eine neue Ausdrucksform der Tyrannei. Der Wettbewerb mit ihm wird auch darum gehen, wer wo Stellung beziehen kann. Nicht nur auf der Erde, sondern auch im All.

Was könnten die Chinesen durch den Besuch auf der Rückseite des Monds gelernt haben?

Der Mond ist aus geologischer Sicht sehr wertvoll. Das Südpol-Aitken-Becken, wo die Chinesen landeten, ist der grösste Einschlagkrater auf dem Mond. Wer ihn ­untersucht, lernt viel über die ­Entstehungsgeschichte des Monds und damit auch der Erde.

Während den 22 Stunden, die Sie auf dem Mond verbrachten, haben Sie den Troktolith 76535 eingesammelt. Warum gilt das Stück Stein als einer der wichtigsten Funde der Raumfahrt?

Weil er vermutlich aus 400 Kilo­metern Tiefe stammt. Interessanter als die Probe an sich ist die Frage, wie er an die Oberfläche gelangte.

Wie denn?

Meine These: Der Stein stammt aus einer Zeit vor 4,35 Milliarden Jahren, als der innere Teil des Monds noch heiss war. Masse wurde von innen nach aussen gewälzt. So gelangte der Stein von ganz tief unten näher zur Oberfläche. Später kam es zu einem Einschlag, der ihn dann definitiv an die Oberfläche spedierte.

Tesla-Investor Elon Musk will mit Space X ab 2025 mit der Besiedelung des Mars beginnen.

Zu behaupten, man wolle dann Tausende Menschen dorthin bringen, halte ich für einen PR-Gag.

Weshalb?

Aufgrund der sehr dünnen Atmosphäre, die dort herrscht, wird es schwierig sein, auf dem Mars zu landen. Dann muss man sich vor Augen halten, dass der Flug neun Monate dauern würde. Das braucht enorme Mengen an Treibstoff und Wasser, um die Strahlung abzuwehren. Und wie versorgt man so lange so viele Menschen?

Sie vertreten die Meinung, dass der Mond als Sprungbrett zum Mars dienen kann.

Der Mond hat Ressourcen, die man für den Schritt zum Mars braucht. Vor allem Energie-Ressourcen, aber auch Wasser. Wahrscheinlich könnte man dort sogar Nahrung produzieren.

Warum sollen Menschen Interesse daran haben, auf dem Mars zu leben, wenn sie nicht dazu gezwungen sind?

Den Drang zum Erkunden liegt in unseren Genen. Um zu überleben, mussten Menschen schon immer in neue Territorien vordringen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass die zukünftigen Eltern der ersten menschlichen Marsbewohner bereits geboren sind.

Sie sind auf einem Rover auf dem Mond herumgefahren – das ist ein Bubentraum vieler Männer.

Den Rover durfte ich leider nicht selbst fahren. Das war etwas, das die Kommandanten gerne taten. Ich sass hinter ihm und genoss die Aussicht.

Welchen Bezug hatten Sie als Kind zum Mond?

Meine Kindheitserinnerungen drehen sich ehrlich gesagt um andere Dinge. Mit elf Jahren sah ich bei den Raketenversuchen der Armee zu, die auf der White Sands Missile Range in New Mexico gemacht wurden, wo ich aufwuchs. Als Teenager las ich Science-Fiction. Dass ich eines Tages zum Mond fliegen könnte – daran habe ich damals nicht gedacht. 

Vom Mond in die Politik

Harrison «Jack» Schmitt (83) nahm in der letzten Juni-Woche am Wissenschaftsfestival Starmus in Dübendorf ZH teil. Er war Besatzungsmitglied der Apollo-17-Mission, die zum letztem Mal Menschen auf den Mond brachte. Der US-Astronaut und Geologe wuchs in Silver City, New Mexico, auf, seine Mutter war Lehrerin, sein Vater auch Geologe. Am 11. Dezember 1972 betrat Schmitt mit dem Kommandanten Gene Cernan († 2017) den Mond. Dreieinhalb Jahre später verliess er die zivile Bundesbehörde für Raumfahrt und Flugwissenschaft (Nasa) und war bis 1982 Senator von New Mexico. Der Republikaner lebt mit seiner Frau und einigen Katzen in Silver City.

Harrison «Jack» Schmitt (83) nahm in der letzten Juni-Woche am Wissenschaftsfestival Starmus in Dübendorf ZH teil. Er war Besatzungsmitglied der Apollo-17-Mission, die zum letztem Mal Menschen auf den Mond brachte. Der US-Astronaut und Geologe wuchs in Silver City, New Mexico, auf, seine Mutter war Lehrerin, sein Vater auch Geologe. Am 11. Dezember 1972 betrat Schmitt mit dem Kommandanten Gene Cernan († 2017) den Mond. Dreieinhalb Jahre später verliess er die zivile Bundesbehörde für Raumfahrt und Flugwissenschaft (Nasa) und war bis 1982 Senator von New Mexico. Der Republikaner lebt mit seiner Frau und einigen Katzen in Silver City.

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